Sam Leith – Die Zufallsmaschine (Buch)


Sam Leith - Die Zufallsmaschine (Buch)Es wird gemunkelt, dass das mittlerweile durchgedrehte Mathematikgenie Nicolas Banacharski eine Zufallsmaschine erfunden haben soll, doch fast all jene, die dies behaupten, werden müde belächelt und selbst für verrückt gehalten. Doch als rund um den jungen Londoner Student Alex Smart, der sich momentan in den USA aufhält, seltsame Dinge geschehen, von denen er selbst nichts mitbekommt, verdichten sich die Vermutungen, dass eine solche Maschine offensichtlich doch zu existieren scheint.

Denn urplötzlich findet sich ein als Cop verkleideter Stripper im Krankenhaus wieder, ein Wirbelsturm erschafft aus den Resten eines Schrottpanzers ein Passagierflugzeug, ein Fertiggericht einer speziellen Geschmacksrichtung ist im kompletten Staat Alabama ausverkauft, Vögel singen “Amazing Grace”, und diverse ewig lang getrennte Geschwister treffen sich allesamt gleichzeitig wieder. Für diverse Behörden und Organisationen steht eindeutig fest, dass Smart die Zufallsmaschine in Form eines Rings bei sich trägt. Dumm nur: Smart möchte seiner Freundin Carey mit genau diesem Ring endlich einen Heiratsantrag machen.

Das höchst geheime “Direktorat des Extrem Unwahrscheinlichen” (DEI) und dessen unter dem Pseudonym Red Queen agierenden Leiter setzen alles daran, in Besitz dieses Rings zu kommen und schickt Leute los, um Alex auf die Spur zu kommen, doch auch ein internationales Waffenkonglomerat namens MIC heftet sich ebenfalls an seine Fersen. Alex wiederum wundert sich, was zum Henker hier eigentlich los ist. Doch neben den ganzen kuriosen Ereignissen passiert auch so manch Schicksalhaftes, was so nicht ganz zu erwarten gewesen wäre – auch einiges Positives.

In lose arrangierten Kapiteln wird diese Geschichte voller Skurrilitäten aus mehreren Perspektiven in der jeweils dritten Person erzählt – einmal aus Alex’ Sicht, einmal aus dem Blickwinkel des DEI-Teams sowie deren Abgesandten Bree und Jones, einmal in die Vergangenheit reisend, als die junge Isla Holderness den Mathematiker Banacharski im selbst aufgesuchten Exil besucht und einmal aus der Perspektive der investigativ und teilweise auch mit allen Mitteln vorgehenden MIC-Mitglieder – wobei sich auch die Erzählzeiten gelegentlich voneinander unterscheiden.

Man kann “Die Zufallsmaschine” als ein ziemlich schizophrenes und anfangs auch wirres Buch beschreiben, denn einerseits ist es mit Ereignissen nur so gespickt und müsste eigentlich vor Turbulenz beinahe zerbersten, doch statt Hektik und Hysterie herrscht andererseits beinahe Ruhe und Gelassenheit, denn der Fokus des Großteils der Story ist gar nicht mal so sehr auf dieses winzige Maschinchen, das die Wahrscheinlichkeit angeblich beeinflussen soll, gerichtet – stattdessen wird in die Köpfe vieler der Protagonisten geschaut. Was geht in den einzelnen Menschen vor? Was ist es, das sie antreibt?

Doch wenngleich philosophische und psychologische Ansätze wie Brotkrumen in diesem Werk verstreut sind, wird der Leser Zeuge sonderbarer Irrungen, Wirrungen, Wendungen und Fügungen und trifft neben normalen und vermeintlich normalen Charakteren auf allerlei sonderbare, schrullige und verschrobene Figuren. Autor Sam Leith schwingt seinen literarischen Pinsel mit einer Ideenvielfalt, einer Wortgewalt und einem Detailreichtum, gänzlich ohne Füllstoffm, und hierbei wird das Malgerät in die verschiedenen Farbkleckse einer schillernd bunten Palette getaucht und damit die Leinwand mit einem breiten Spektrum an Farben bepinselt, ohne dass das Endergebnis überladen wirkt. Leith sammelt Gedankenfetzen, kehrt sie mit der Hand zusammen und wirft sie in die Höhe, lässt sie zu Boden fallen und sich von dem Chaos inspirieren, bringt Logik und Feinsinn hinein und lässt dieses Romandebüt trotz all der Phantasterei und der herrlich respektlosen Abstraktion und Perversion von Mathematik und Physik stets schlüssig wirken.

Auf dem Backcover ist ein Zitat der “The Independent” angeführt, welches Sam Leith, auf den kreativen Spuren von Douglas Adams sieht, und das ist alles andere als abwegig. Doch während bei vielen Büchern solcherlei Zitate oftmals kaum mehr als verkaufsfördernde Sprücheklopferei für ein worthülsenüberbordendes Buch sind, so darf dieser Vergleich bei “Die Zufallsmaschine” als ein Qualitätssiegel gesehen werden. Denn: Es bereitet Freude, stimmt nachdenklich, ist ein regelmäßiges, aber niemals vorhersehbares Ping-Pong der Gefühle. Da ist dem Briten, der für das britische Satiremagazin “Punch” sowie für “Daily Mail”, den “Daily Telegraph” sowie “The Wall Street Journal”,  “The Spectator”, “The Guardian” und den “Evening Standard” schrieb und schreibt und bereits drei Sachbücher auf den Markt geworfen hat, ein wahrlich guter Einstand gelungen.

 Cover © Manhattan Verlag

 

 

Wertung: 12/15 dpt


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