Roddy Doyle – Punk is Dad (Buch)


Roddy Doyle - Punk is Dad (Cover © Haffmanns & Tolkemitt)»Welchem Buch würden Sie einen größeren Publikumserfolg wünschen?« Diese Frage wird Buchhändlern allmonatlich in einem großen Branchenfachblatt gestellt – und dabei kommen zumeist wirkliche Perlen heraus, die kaum ein Mensch der in jährlichen Novitätenflut wahrnimmt. Nicht, dass dies unbedingt Absicht wäre – es ist einfach eine Frage des Marketings vonseiten der Verlage und auch der Buchhandlungen. Manchmal aber, da kommt einem eine solche Perle unter – sei es durch Zufall oder den richtigen Riecher.

Ein Autor, dem der Rezensent schon länger einen durch­s­chla­gen­­­den Erfolg auf dem deutschen Buchmarkt wünscht, ist der Ire Roddy Doyle. 1987 wurde er quasi im Buch­sei­ten­um­dre­hen bekannt als der Autor von “The Commitments”, einem Roman, dem eine fast kultische Verehrung zuteil wurde. Doch danach wurde es um Doyle in Deutschland schlagartig ruhig – sehr ruhig. Die Literaturkritik hat ihn immer mal wieder wahrgenommen, doch vielleicht sind seine Plots, seine Protagonisten sowie sein Lebensgefühl zu irisch? Und zwar so irisch, dass sie mit den in Deutschland vorherrschenden Irland-Klischees nicht mehr viel zu tun haben. Daran hat sich auch in seinem aktuellen Roman “Punk is Dad” (sic!) rein gar nichts geändert – trotzdem und gerade deswegen gehört dieser Roman zu den literarischen Perlen des zurückliegenden Bücherjahres! Warum? Weil dieser Roman so authentisch lebendig, tragisch, humorvoll wirkt. Dabei strotzt er vor Lebenslust und umschifft nonchalant alle Klischees, die Geschichten, um in die Jahre gekommene Rockstars, die an Krebs erkranken, ansonsten gerne zielgenau ansteuern.

Mit der Wahrheit um die Krebserkrankung von Jimmy Rabbitte, dem Gründer der Band “The Commitments” wird der Leser gleich am Anfang konfrontiert. Die Diagnose trifft hart: Seine verbleibende Lebensdauer ist schon mit siebenundvierzig Jahren nur noch in medizinischen Wahrscheinlichkeiten zu messen. “Zu 40 Prozent bist Du in drei Jahren tot”. Es mag sich sicher nicht jeder Leser mit Sätzen wie diesen emotional auseinandersetzen – doch Doyle gelingt es, die quälende Präsenz dieser Diagnose, ihre Verdrängung, die Sorgen, Gedanken, die Wut, die aufgesetzte Lebensfreude, den Trotz und die Niedergeschlagenheit, die Jimmy beinahe gleichzeitig treffen, ohne Rührseligkeit zu schildern. Das erste Drittel dieses Romans ist ein solitäres Meisterstück, wenn es um die literarische Verarbeitung dieses Emotionskarussells geht.

Daneben ist “Punk is Dad” ein flammendes Plädoyer für das Hobby. Klingt komisch? Ist aber tatsächlich so. Wahrscheinlich ist es nicht Rabbittes medizinisch vorbildhaftes Verhalten während der Therapie, das ihn am Leben hält; das ist es ganz sicher nicht. Sein Lebensmut speist sich daher auch nicht aus den ein oder anderen Erfolgen seiner Therapien, sondern aus den Perspektiven, die sich aus seiner Leidenschaft für Musik ergeben. Menschen ohne Hobby – ein Graus! Und Rabbitte findet seine Heimat in der Musik, trommelt alte Weggefährten aus seiner Zeit mit den Commitments zusammen und versucht sich an der Zusammenstellung eines ambitionierten Samplers, der die Geschichte der irischen Punk-Musik abbildet. Wer musikalisch offen ist, der findet in diesem Roman eine ganze Reihe an Hör-Tipps, die beweisen, dass amtlicher Punk nicht nur im Vereinten Königreich, sondern auch auf der grünen Insel gespielt wurde.

Es mag sein, dass die Aussicht, die Doyle seinen Lesern hier bietet, ein wenig rosig ist. Doch dies macht er durch einen geschickten erzählerischen Einfall wieder wett, der die Handlung und das Schicksal seines Protagonisten nach anfänglicher Euphorie wieder in einen unsicheren Schwebezustand hebt.

Wie vielschichtig dieser Roman ist, das zeigt der Romantitel des irischen Originals: “The Guts”. Hier ist semantisch also schon die Nähe zwischen den Därmen, Eingeweiden und der Courage sowie dem Mut angelegt. Dagegen wirkt das Wortspiel der deutschen Ausgabe fast schon ein wenig platt.

Das Happy-End bzw. ein wirkliches Ende bleibt Doyle seinen Lesern schuldig. Auch wenn der Autor diesen Wunsch so mancher Leser nicht erfüllt, so erweist er sich, wenn es um abgrundtief schwarzen Humor, perfekt getaktete Dialogführung und eine facettenreiche Charakterzeichnung geht, als äußerst spendabel. Und so ist Doyle mit “Punk is Dad” ein herausragendes Buchjuwel gelungen, das in Irland mit dem Irish Book Award als Bester Roman des Jahres ausgezeichnet wurde.

Einen Preis also hat der Roman also schon – und nun möge er ein paar deutsche Leser gewinnen!

Cover © Haffmans & Tolkemitt

Wertung: 14/15 dpt

 


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