David Foster Wallace – Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur üblen Sache (Hörbuch, gelesen von Lars Eidinger)


David Foster Wallace - Der Planet Trillaphon... (Hörbuch) Cover © ROOF musicWie bereits bei “Signifying Rappers” könnte man nun vorschnell mit dem Argument der Leichenfledderei daherkommen und behaupten, nun versuchten die Verlage, mit alten Texten aus David Foster Wallace’ Feder noch den großen Reibach zu machen. Was schon allein deshalb Unsinn ist, weil das Zielpublikum nicht gerade so groß ist, als dass den Buchhandlungen dadurch die Bude eingerannt würde.

In diesem sonderbar betitelten, nunmehr über dreißig Jahre alten Text, ursprünglich Mitte der 80er Jahre in einer Collegezeitung veröffentlicht, beschreibt der damals gerade mal 22 Jahre alte Wallace die Geschichte eines Studenten, welcher unter schweren Depressionen leidet – eine Erkrankung, die den Autor auch selbst begleitet hat und ihn letztendlich gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts in den freiwilligen Tod trieb, nachdem er versuchte, von den Medikamenten wegzukommen.

Die Depressionen des aus der ersten Person erzählenden Protagonisten machten sich für Außenstehende erst in seinen letzten Schuljahren bemerkbar. Zwar wirkte er für andere meist nur etwas sonderbar, aber strebsam und begabt – offensichtlich wird seine Erkrankung erst, als er sich selbst im Gesicht einen irreparablen Schaden zufügt, indem er eine Wunde, die er sich einbildet, zu nähen versucht. Die eigentliche Wunde sitzt jedoch tiefer. In seinem Kopf.

Die einzige Möglichkeit, den Schmerz, den ebenjene unsichtbare Wunde ausstrahlt, zumindest temporär zu lindern, ist die Flucht auf den Planeten Trillaphon – wer Wortspielen nicht abgeneigt ist, wird hierin ein Quasi-Anagramm des Antidepressivums Tofranil vorfinden, was sich im Laufe der Geschichte auch erklärt. Auf dem Planeten existiert zwar auch Schmerz, aber zurück zur Erde, wo der innere Schmerz unerträglich wird, möchte er nie zurückkehren. Oder gibt es gar doch einen Weg zurück?

Zum Teil selbstreflexiv, aber auch über sein Umfeld erzählend, schlägt der Erzähler einen zuweilen schwarzhumorig-ironischen Ton an und bringt beinahe eine morbide Version des Galgenhumors (nein, kein versehentlicher Pleonasmus) an den für ihn dauerschwarzen, nie enden wollenden Tag. Erzählt darüber, wie er mit dieser eigenwilligen “üblen Sache”, einer Übelkeit, die über den gastrointestinalen Bereich hinaus geht und den ganzen Leib und die ganze Seele umhüllt, umgeht – oder umzugehen versucht. Und es stellt sich die (rhetorische) Frage, ob der Freitod für einen Depressiven nicht zum guten Ton gehört.

Mit dem Schauspieler Lars Eidinger wurde für diesen Text (der auf diesem Hörbuch im Gegensatz zum gedruckten Buch ausschließlich in deutscher Sprache vorhanden ist) der perfekte Sprecher ins Tonstudio geholt, denn sowohl die ironische als auch die lebensmüde Komponente, diesen Seelenkrebs gleichermaßen wie diese Staubkörnchen der Hoffnung, welche in der nächsten Sekunde schon nicht mehr zu sehen sind, kommen derart überzeugend beim Hörer an, dass man die Frage der Glaubwürdigkeit wohl kaum in den Raum stellen dürfte.

Die auf Plastik gebannten dreiundvierzig Minuten sind einerseits ein schonungsloser und erklärender Einblick in das Krankheitsbild Depression, andererseits von einer solchen Intensität erfüllt, dass man nach der danach eintretenden, ob des abrupten Schlusses doch sehr plötzlichen Stille erst einmal Luft holen, verarbeiten und in gewissem Maße auch verkraften muss.

Cover © ROOF Music

Wertung: 14/15 dpt


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