Foxcatcher (Spielfim, DVD/BluRay)


Foxcatcher Cover © Koch MediaEs ist eine der spektakulärsten Geschichten, die die Promiwelt der 80er- und 90er-Jahre zu bieten hat. Der Fall von John du Pont und den Schultz-Brüdern ging um die Welt, wurde von den Medien verdreht und von Beteiligten immer wieder neu erzählt. Eine Story wie gemacht für Hollywood, doch lange traute sich keiner an den hoch sensiblen Stoff. Dann kam Bennett Miller, machte vieles nicht und damit eine Menge richtig.

Als sich der Regisseur dazu entschied, das Projekt zu realisieren, wirkte das als ein logischer Schritt in seiner Karriere, schließlich beschäftigen sich seine beiden anderen Filme ebenfalls mit großen Persönlichkeiten der neueren US-amerikanischen Geschichte. Mit seinem Debüt “Capote” verhalf er dem leider viel zu früh von uns gegangenen Philip Seymour Hoffman zu seinem einzigen, längst überfälligen Oscar und schnupperte damit schon früh Awardluft. Das hinterließ natürlich Eindruck in der Szene, für sein Nachfolgeprojekt “Moneyball” konnte Brad Pitt verpflichtet werden, der die Rolle des Football-Managers Billy Beane übernahm. Die Personalentscheidungen rund um “Foxcatcher” sind dagegen weitaus unkonventioneller und mutiger ausgefallen.

Foxcatcher Szene 2 © Koch MediaChanning Tatum ist bislang hauptsächlich als Blockbusterschauspieler und Mädchenschwarm in Erscheinung getreten und verkörpert nun die Ringerlegende Mark Schultz. Die muskulöse Statur seiner Figuren ist zwar gleich geblieben, die Rolle des Goldmedaillengewinners von 1984 hat aber um einiges mehr Tiefgang. Sein Bruder David, ebenfalls goldbehangener Ringer, wird von Mark Ruffalo gespielt, der dafür völlig zu Recht für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert wurde. Und dann wäre da noch die überraschende Verpflichtung von Steve Carell, der durch seine Rolle als Michael Scott in der amerikanischen Version von “The Office“ (die deutsche Adaption nennt sich “Stromberg”) und sein Auftreten in diversen Comedystreifen zu den größten und beliebtesten Comedians des Landes aufgestiegen. Dass Carell auch die ernsten Töne trifft, zeigte er schon in “Little Miss Sunshine”, doch wie schlägt er sich als John du Pont in einem Film, in dem selbst in den unterhaltenden Momenten immer eine bedrückende Tragik mitschwingt?

Verkörpern trifft als Bezeichnung der schauspielerischen Leistungen eigentlich ziemlich gut zu. Zum einen ist das Auftreten der Ringer von einer ungemeinen Physis, und das weit über das Wettkampfgeschehen hinaus. Ohnehin: “Foxcatcher” ist streng genommen kein Film übers Ringen, das Wrestling in seiner ursprünglichen, nicht inszenierten Form, vielmehr ist es als Teilstück zu verstehen, das dieses unheilvolle Aufeinandertreffen der Protagonisten (oder Antagonisten?) ermöglicht. Es geht um kaputte Seelen, seltsame Beziehungen und schließlich auch um die US-amerikanische Gesellschaft.

Foxcatcher Szene 1 © Koch MediaMan erfährt im Film nicht viel über John du Pont und trotzdem ist mit seinem ersten Auftritt alles klar. Steve Carell ist kaum zu erkennen, so aufwändig ist das Make-Up, das er jeden Tag auflegen musste, das seine atemberaubende Leistung aber nicht verdeckt oder gar schmälert. In einer gerechten Welt hätte er dafür den Oscar gewonnen, letztlich stolpert er auch darüber, dass es in “Foxcatcher” keine Hauptrolle gibt, sondern drei gleichwertige Performances zu sehen sind, die nur als Dreiergespann funktionieren und als Team ausgezeichnet gehören. Doch Carell sticht trotzdem heraus, weil er sich in einen Versager verwandelt, in ein hässliches Muttersöhnchen, das aber von einer unvergleichlichen, unheilvollen und grauenerregenden Aura umgeben ist. Wer durch Interviews und Talkshowauftritte einen Eindruck von Carell bekommen hat (oder mit am Set gearbeitet hat), der ist regelrecht schockiert über die Verwandlung von einer der nettesten Persönlichkeiten Hollywoods in ein ekliges, furchteinflößendes aber auch bemitleidenswertes Geschöpf.

Er leidet so sehr unter seinem Aussehen, seiner Ausstrahlung und der ordnenden Hand seiner Mutter, dass man immer wieder geneigt ist statt von “er” von “es” zu sprechen. Das einzige Mittel, das ihm zumindest ein wenig Gesellschaft bringt, ist sein üppiges Vermögen, das aber nicht er, sondern seine Familie mit der Herstellung von Schießpulver verdient hat. Du Pont ist isoliert, hat keine Freunde, eine Frau an seiner Seite kann man sich einfach nicht vorstellen. Dann aber hat er eine Idee, wie er sich einen Namen machen kann, wie er Amerika erobert und seine Mutter beeindruckt. Auf seinem Anwesen, der Foxcatcher-Farm, errichtet das Millionärskind ein Trainingscamp für Ringer. Ziel: Endlich wieder eine schlagkräftige Mannschaft zu Olympia schicken, um den Traum vom Gold zu verwirklichen.

Foxcatcher Szene 3 © Koch MediaDabei kommt Mark Schultz ins Spiel, der seine besten Jahre hinter sich zu haben scheint und keinen Profit aus seinem Olympiagewinn ziehen konnte. Logisch, dass er sofort alles stehen und liegen lässt, als ihm John DuPont das Angebot macht, zentraler Teil des Teams zu werden. Er zeigt sich begeistert von der Idee und von den patriotischen, mantraartigen Tiraden du Ponts, aber es scheint ihm noch um etwas anderes zu gehen. Dieser ganze Patriotismus, das ganze Blabla über das Wiedererstarken der Nation ist nur das einfachste Mittel, um in den Staaten auf Zuspruch zu stoßen. Das gilt für den Ringer-Sport genauso wie für das High-Society-Leben inklusive Wohltätigkeitsgalas. Du Pont umgibt sich mit blau-weiß-roter Symbolik und nennt ersetzt seinen Zweitnamen Eleuthère gerne durch “Eagle”, aber nicht, weil er von einem unerschütterlichen Glauben in die amerikanischen Werte beseelt ist.

Was sich hinter der Fassade verbirgt, das beleuchtet Marks Bruder David Schultz, dem immer wieder angeboten wird das Team zu unterstützen. Es formiert sich eine Dreiecksbeziehung, die in ihrer Struktur und Intensität der von Freddie Quell, Lancaster und Peggy Dodd in Paul Thomas Andersons “The Master” ähnelt, aber bekanntermaßen ein anderes Ende nimmt. Die Fragen bleiben jedoch dieselben: Was lässt diese Menschen zusammenfinden und was verbindet sie?

Foxcatcher Szene 4 © Koch MediaBeide Filme geben keine eindeutigen Antworten, sondern lassen ihre Bilder sprechen. “Foxcatcher” brilliert mit einer dunklen Grundstimmung, die im Grunde zu keiner Zeit wirklich aufgelockert wird. Das macht aus dem Film bei einer Spielzeit von über zwei Stunden ein emotional schwer verdauliches Erlebnis, an dem rein gar nichts Optimistisches zu finden ist. Aber genau daraus bezieht der Film eine fesselnde Intensität, die einen faszinieren kann und auf die zahlreichen Details achten lässt. Dabei werden die gerade genannten Fragen durch eine weitere, zentrale ergänzt: Wie konnte es nur soweit kommen?

Es ist wichtig zu wissen, dass “Foxcatcher” zwar auf einer wahren Begebenheit basiert, einige wichtige Wendungen hat Bennett Miller aber verändert. Er macht das nicht, um irgendwen schlecht dastehen zu lassen (Mark Schultz echauffierte sich im Nachhinein beispielsweise über die Andeutung homoerotischer Gefühle Du Ponts für ihn, obwohl er als am Set als Berater tätig war), sondern um wichtige Entwicklungen zu unterstreichen und deutlicher zu machen. So haben Dave und Mark nicht wie im Film zeitgleich auf der Farm gewohnt, aber “Foxcatcher” ist schließlich keine Dokumentation, sondern ein Spielfilm.

Foxcatcher Szene 5 © Koch MediaEin Spielfilm, den man unbedingt im Original sehen sollte. So stark die deutsche Sychronisations-Szene auch ist, so unmöglich ist es die Auftritte der Schauspieler angemessen zu übersetzen. Was alle drei mit ihren Stimmen anstellen, wie nah sie den realen Vorbildern kommen ohne sie zu imitieren, das können nur die Größten ihres Fachs. Schade, dass es im Bonusmaterial neben den üblichen Extras wie Trailer und Deleted Scenes nur eine fünfzehnminütige Doku über die Idee und den Dreh des Films gibt und bewegte Bilder von John du Pont und David Schultz (wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen) außen vor bleiben. Für diese Fälle gibt es das Internet, aber nach Durchsicht der Videos und der Details über den Fall stellt sich wahrscheinlich ein Gefühl der Leere ein und man möchte vorerst nichts mehr von Du Pont und den Schultz-Brüdern hören. Doch irgendwann beschäftigen einen die Fragen doch wieder und man quält sich ein zweites Mal durch die 130 Minuten. Mindestens ein zweites Mal.

FAZIT: “Foxcatcher” ist ein dunkles, niederschmetterndes Drama, das seine Kraft nicht aus spektakulären Highlights, sondern aus der auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte rund um die Schultz-Brüder und John Du Pont bezieht. Der Film ist leise, deutet vieles nur an und ist von vorne bis hinten konsequent. Möglich macht das das oscarreife Triplett Tatum, Ruffalo und Carell, das sich gegenseitig zu Höchstleistungen bringt und diese bizarre Geschichte gefühlvoll erzählt. Regisseur Bennett Miller legt einen kompromisslosen Film vor, der anders ist als seine bisherigen, guten Werke und hat nun vielleicht seine eigene Sprache gefunden. Eine traurige, hoffnungslose, aber eine faszinierende.

 Cover & Szenenfotos © Koch Media

  • Titel: Foxcatcher
  • Produktionsland und -jahr: USA, 2014
  • Genre: Drama
  • Erschienen: 25.06.2015
  • Label: Koch Media
  • Spielzeit:
    129 Minuten auf 1 DVD
    135 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    Channing Tatum
    Mark Ruffalo
    Steve Carell
    Sienna Miller
    Vanessa Redgrave
  • Regie: Bennett Miller
  • Drehbuch: E. Max Frye, Dan Futterman
  • Kamera: Greig Fraser
  • Schnitt: Jay Cassidy
    Stuart Levy
    Conor O’Neill
  • Musik: Rob Simonsen
  • Extras: Making of, Interviews, Entfallene Szenen, Original Kinotrailer
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    1,85:1 (16:9)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    1,85:1 (16:9) 1080p
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D
  • FSK: 12
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: 13/15 dpt


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