Matthew F. Jones – Ein einziger Schuss (Buch)


Matthew F. Jones - Ein einziger Schuss (Cover ©Detlef Kellermann, Robert Neth)Wer anderen gerne genüsslich dabei zusieht, wie ihr Leben durch eine schicksalhafte Fehleinschätzung den Bach runtergeht, also alle Fans des Noir-Genres, für den ist Matthew F. Jones’ Ein einziger Schuss gefundenes Fressen. Zugegeben: Schon vor dem alles entscheidenden Moment war das Leben des Protagonisten John Moon kein Zuckerschlecken. Als Sohn eines Bauern aufgewachsen, verlor er beide Elternteile früh und der Vater hatte zudem den Hof heruntergewirtschaftet, sodass er verkauft werden musste. Seitdem führt Moon ein einfaches Leben als Gelegenheitsarbeiter für den jetzigen Eigentümer und gleicht gelegentliche finanzielle Engpässe durch den Verkauf gewilderten Fleisches aus.

Im Grunde hat er sich mit diesem Leben abgefunden und sogar eine Familie gegründet, doch nun hat ihn kürzlich seine Frau mit dem gemeinsamen kleinen Sohn verlassen, um doch noch einen Collegeabschluss zu machen und so eine Chance auf ein besseres Leben zu haben. Moon versucht, diese Entwicklung zu ignorieren und geht, wie so oft, außerhalb der Jagdsaison im Naturschutzgebiet auf die Suche nach Wild. Es gelingt ihm, einen Hirsch anzuschießen und bis in einen Canyon zu verfolgen, doch dann erschießt er statt des Hirschs versehentlich ein Mädchen, das unvermittelt neben ihm aus einem Strauch auftaucht.

In Panik versteckt er die Leiche in einer nahegelegenen Höhle und entdeckt in einem Unterstand, in dem das Mädchen vermutlich gelebt hat, eine große Menge Geld, das er mitnimmt. Einem Brief, den das Mädchen bei sich trug, entnimmt er, dass sie von zu Hause weggelaufen ist und sich hier mit ihrem Freund versteckt hat. Wieder zu Hause plagen Moon die Gewissenbisse, doch da die Polizei ihn wegen der Wilderei sowieso nicht leiden kann und er daher von ihr keine Gerechtigkeit erwartet, ist es für ihn ausgeschlossen, sich an sie zu wenden. Die Hoffnung, dass seine Tat unentdeckt bleiben könnte, kann er schnell begraben, wird doch am folgenden Tag sein Hund erschossen und noch einen Tag später liegt die verwesende Leiche des Mädchens in seinem Bett. Er wäscht sie und steckt sie in seinen Gefrierschrank. Dann versucht er, die Identität des Mädchens herauszufinden, um ihre Eltern informieren zu können.

Neben den unerwarteten organisatorischen Herausforderungen, die mit der neuen Situation einhergehen, plagen Moon Träume von dem toten Mädchen – er sieht sie in jeder Frau –  und vor allem die Frage, wie ihm, einem Jäger mit jahrzehntelanger Erfahrung, ein solch kapitaler Fehler hat unterlaufen können. Hatte es an der emotionalen Belastung durch die Trennung gelegen, dass sein Finger etwas zu locker auf dem Abzug gelegen hatte? Doch letzten Endes hilft ihm alles Grübeln nichts und er entscheidet sich, nachdem andere Wege nicht zielführend waren, zu einem letzten, fatalen Schritt.

Durch den Unfall ist Moons Leben von einem Moment auf den anderen viel zu komplex für ihn geworden und überfordert ihn völlig. Sein isoliertes Dasein rächt sich, verfügt er doch in dieser Krisensituation über keine fähigen Ratgeber oder Helfer. Dabei meinen es einige Figuren durchaus gut mit ihm. Wider Willen wird er immer weiter in die kriminelle Ecke gedrängt, nicht zuletzt wegen seiner Verfolger, die sich als ganz üble Zeitgenossen entpuppen. Von Natur aus ein friedliebender, duldsamer Mensch hat er keinerlei Erfahrung darin, sich zu verteidigen, und trifft unter diesem immensen Druck eine schlechte Entscheidung nach der anderen. Der Leser folgt ihm gebannt auf seinem Weg in den Abgrund und leidet sehr unter der eigenen Hilflosigkeit, schließlich ist John Moon ein recht liebenswerter Charakter, den der Leser nur ungern leiden sieht.

Matthew F. Jones ist ein sehr spannender, runder Roman gelungen, dessen Plot von Anfang bis Ende gut durchdacht ist und keine Lücken aufweist. Es ist eine gelungene Studie eines Mannes in einer Ausnahmesituation. Auch seine Figuren weiß Jones alle, bis hin zur unwichtigsten, mit Leben zu erfüllen.
Leider wurde der Roman eher mäßig ins Deutsche übertragen und liest sich stellenweise sehr unidiomatisch, hölzern und eindeutig wie eine Übersetzung. Auch die Dialoge sind dadurch eher farblos und teils gestelzt. Am unterhaltsamsten ist allerdings die Wortwahl des Übersetzers, die manchmal eher an einen im England des 18. Jahrhundert situierten Liebesroman denken lässt. Worte wie „Hahnrei“, „Wildfang“, „Nachtgewänder“ oder „betören“ lesen sich in Verbindung mit dem ansonsten eher derben Ton dieses Buches lächerlich. Ebenfalls lustig lesen sich die biologisch überkorrekten Pflanzen- und Tiernamen. Wen interessiert, zwischen welchen Baum-, Gras- und Strauchsorten der Protagonist umherirrt und welche Vogelsorten er dabei genau aufschreckt? Es fehlen im Grunde nur noch die lateinischen Namen in Klammern dahinter. Diese Feinheiten fallen aber womöglich nur Übersetzern und anderen Sprachpedanten auf. Der Qualität der Geschichte tun sie keinen Abbruch.

  • Autor: Matthew F. Jones
  • Titel: Ein einziger Schuss
  • Originaltitel: A Single Shot
  • Übersetzer: Robert Brack
  • Verlag: Polar Verlag
  • Erschienen: 2016
  • Einband: Klappbroschur
  • Seiten: 267
  • ISBN: 978-3-94513-339..2
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 dpt


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