Narcos – Staffel 1 (Serie, 4DVD/3BD)


narcos-s1-coverDie ersten beiden Staffeln der Netflix-Serie “Narcos” erzählen die Geschichte des größten Drogenbarons der Welt, des Pablo Escobar. Und das derart erfolgreich, dass mittlerweile eine dritte sowie eine vierte Staffel von “Narcos” bestätigt wurden. Schauplatz ist Kolumbien, das als der weltweit bedeutendste Kokainproduzent gilt. Neben Europa sind vor allem die USA die größten Abnehmer, was seit den frühen 70er Jahren zu einem hart umkämpften Anti-Drogenkrieg, dem “War on Drugs”, führte, der längst nicht beendet ist. Viel zu lukrativ ist das Geschäft mit dem weißen Pulver, und die Produzenten der Serie betonen, dass “Narcos” zeige, wie sehr die US-amerikanische Politik diesen Handel letztlich gefördert hat. Eric Newman, einer der Showrunner, witzelte bereits, dass man die “Narcos”-Serien-Produktion erst dann einstellen werde, wenn dem Kokainhandel ein Ende gesetzt worden sei.

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Wohin bloß mit der Kohle?

Nun liegt die erste Staffel auf DVD und Blu-ray vor, die in zehn Episoden den Aufstieg Escobars (Wagner Moura) vom kleinen Ganoven zum wohl erfolgreichsten und meistgesuchten Drogendealer aller Zeiten aufzeichnet. Während die erste Staffel auf mehr als 15 Jahre aus Escobars bewegtem Leben zurückgreift, zeigt die zweite Staffel, die erst kürzlich via Netflix ausgestrahlt wurde, die letzten Monate des legendenumwobenen Anführers des berüchtigten Medellín-Kartells. Pablo Escobar gründete seine Karriere von Beginn an auf möglichst skrupellosen und brutalen Vergehen. So entführte er zunächst Menschen, die er nicht selten – obwohl das Lösegeld bezahlt wurde – medienträchtig ermordete. Er schmuggelte alles, womit sich Geld verdienen ließ, und stieg in den 80er und 90er Jahren zu einem der reichsten Männer der Welt auf. “Was sollen wir nur mit all dem Geld tun?”, fragen sich irgendwann die Dealer, die die große Nachfrage nach der damaligen Modedroge auf dem US-amerikanischen Markt kaum bedienen können. “Machen wir es wie Al Capone”, überlegt man, “waschen wir die ganze Kohle einfach.” Doch das Problem dabei war: Es gab keine so große Waschmaschine, die all das Drogengeld hätte reinwaschen können. Und so lautet auch die ebenso resignierte wie süffisante Antwort auf den Vorschlag: “Al Capone hatte nie so viel Geld wie wir.” Ein Dilemma, doch Escobar wusste sich zu helfen. Der Mann, der bis über 60 Millionen US-Dollar an einem guten Tag kassiert haben soll, vergrub das Geld im großen Stil im gesamten Land und legte eine ‘Schatzkarte’ zu seinem versteckten Vermögen an. Da er dennoch weiterhin im Geld schwamm, unterstützte er die Armen in seinem Land, ließ Schulen, Kirchen und Häuser bauen und trat zeitweise ambitioniert in der Politik mit vermeintlich linken, zumindest sozialen Parolen auf. Dieses Engagement brachte ihm den Ruf eines kolumbianischen Robin Hoods ein. Zugleich zögerte Escobar nicht zur Ausweitung und Erhaltung seiner Macht, ebenso gezielt wie völlig wahllos Tausende Menschen ermorden zu lassen; Escobar ließ entführen, foltern, Bomben detonieren und Autos und Passagierflugzeuge in die Luft fliegen. Zudem soll Escobar 1985 maßgeblich an dem Massaker im Justizpalast in Bogotá beteiligt gewesen sein. Zumindest zeigt “Narcos” einen Escobar, der eiskalt kalkulierend die Guerillabewegung M-19 anheuert, um den Palast zu stürmen. Dabei kamen nicht nur zahlreiche, Escobar ungenehme Richter ums Leben, sondern es wurden auch alle Akten vernichtet, die im Falle einer Festnahme zu seiner Verurteilung und Auslieferung an die US-amerikanischen Justizbehörden geführt hätten. Gerade gegen dieses Auslieferungsgesetz wehrte Escobar sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden mörderischen Mitteln.

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Buchhaltung

Den nahezu unglaublichen Aufstieg vom Nobody zu einem der reichsten und gefährlichsten Menschen seiner Zeit, sowie die zahlreichen Legenden, die sich um den größenwahnsinnigen Drogenbaron ranken, wissen die Macher der “Narcos”-Serie clever zu nutzen. Vor allem der Brasilianer Wagner Moura, der für seine Rolle zunächst Spanisch mit kolumbianischem Akzent lernen und etliche Pfunde zulegen musste, verleiht dem Netflix-Escobar durch sein verhaltenes Spiel diese delikat subtile Mäanderlinie, die den Zuschauer über das wahre Innenleben von El Patrón stets rätseln lässt. Denn auch wenn die simple Maxime: “Plata o plomo” (Geld oder Tod) Escobar zum gnadenlos bösen Kriminellen stempelt, gelingt es Moura vorzüglich, eine faszinierend schillernde Figur zu kreieren, die sich stets der menschlichen Seite des Terroristen, Drogenhändlers und Massenmörders Escobar bewusst ist. Und so sympathisiert der Zuschauer gar zuweilen mit Escobar/Moura, wenn dieser nachdenklich angespannt von seinem luxuriösen Wohnsitz über den Regenwald Kolumbiens starrt, um sodann mit einer entsetzlich bösartigen, bauernschlau genialen Idee sein Imperium weiter zu festigen.

Erzählt wird “Narcos” aus der Perspektive des (realen) DEA-Agenten Steve Murphy (Boyd Holbrook), der mit seiner Frau nach Kolumbien ging, um der in den USA immer ungezügelteren Nachfrage nach Kokain den Hahn abzudrehen. Murphy und sein Kollege Javier Peña (Pedro Pascal) beginnen ihre Suche nach Escobar auf nahezu naive Weise, verlieren jedoch im Laufe der Jahre, die sie Escobar nicht tatenlos, aber ziemlich erfolglos hinterherjagen, ihre Illusionen und reagieren immer emotionsloser und brutaler. Durch die Darstellung des in jeder Hinsicht unterbesetzten und unterfinanzierten Kampfes des Zweier-Teams gegen ein riesiges Kartell zeigt die Serie fein überspitzt, wie die US-Behörden ihren ‘War on drugs’ letztlich doch auf die leichte Schulter nahmen und in vielerlei Hinsicht falsche Entscheidungen trafen. In Washington baute man damals lieber weiter das Feindbild des Kommunismus auf.

Gezeigt wird “Narcos” strikt zweisprachig, die spanischen Passagen werden nicht übersetzt, sondern lediglich untertitelt, was sicherlich den Eindruck von Authentizität verstärkt. Zudem wurde vor Ort in Kolumbien gedreht und zahlreiche dokumentarische Szenen aus Nachrichtensendungen, Reden und Zeitungsartikeln eingebaut, so dass sich der Eindruck aufdrängt, die gesamte Serie sei in Szene gesetzte, wahrhafte Dokumentation. Doch das ist die viel gefeierte Serie nur in groben Zügen und vielen kleinen Details. Insgesamt orientieren sich die Showrunner vornehmlich an der Chronologie der Ereignisse, doch bis zu 50% des Erzählten basieren laut Eric Newman nicht auf realen Tatsachen. Selbstverständlich erlauben künstlerische Freiheit und Dramatisierung dies, doch das Gezeigte suggeriert stets etwas anderes.

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DEA-Agent Murphy (Boyd Holbrook) mit Ehefrau und attraktiver Guerillera

“Narcos” profitiert in der ersten Staffel vor allem von der schier unglaublichen Lebensgeschichte Escobars und von dessen Darsteller. Unendlich viele historisch belegte Ereignisse geschehen in den nahezu 10 Stunden der ersten Staffel, doch dabei wird dem Zuschauer erstaunlicherweise keine einzige Figur – bis auf die des Escobar – nahegebracht. Die enorm eskalierende Gewalt im Land, das ausschweifende Leben der narcotraficantes, die niederschmetternd erfolglose Jagd der DEA auf den Drogenboss – nichts scheint sich auf die Charaktere der Figuren auszuwirken. Der amerikanische Agent Murphy kommentiert die Story, erklärt Hintergründe und zeigt Zusammenhänge auf. Doch so notwendig die Erklärungen auch sind, scheint dieses Voice-Over zugleich erstaunlich aufgesetzt. Hier spricht kein deprimierter DEA-Agent, sondern ein oft amüsiert wirkender Erzähler, der Zuschauer aus einer (fast) allwissenden Perspektive informiert.

narcos-s1-pic5Letztlich hätte Netflix – wie es bei den “Sopranos” oder “Breaking Bad” gelungen ist – weitaus mehr aus der Story um den großen kolumbianischen bad boy herausholen können. Einzelne Figuren hätte man zu wahrhaften Charakteren aufbauen können, die sich im Laufe des Geschehens entwickeln. Das stünde dem Anspruch, die dynamischen, gesellschaftlich-politischen Verkettungen des Krieges gegen die Drogen zu beschreiben, in keiner Weise entgegen. Da von Beginn an feststand, dass durch Escobars gewaltsamen Tod die Geschichte um diesen ein absehbares Ende finden würde, hätte man derart die Geschichte nicht einfach gestreckt, sondern inhaltlich vertieft. Netflix hingegen reiht das Geschehen gerafft und episodenartig auf, ohne sich filmisch ernsthaft um Kreativität zu bemühen. Lieber fokussiert man sich vornehmlich auf den Protagonisten der Serie. Das wiederum gelingt derart geschickt, dass “Narcos” zu Zuschauerrekorden bei dem Streamingdienst führte und für mehrere Emmys und Golden Globes nominiert war. Roberto Escobar übrigens, Pablos Bruder, hat die erste Staffel “Narcos” ebenfalls gesehen. Er soll so gar nicht von dem Gezeigten entzückt gewesen sein und hat dem Streaminganbieter einen Brief zukommen lassen, in dem er die Umsetzung als ungenau bis falsch beschrieb. Für die zweite Staffel bot er sogar seine fachliche Unterstützung an – für den Kleckerbetrag von einer Milliarde Dollar, die er früher mit seinem Bruder in einer Woche verdiente. Ob Netflix auf das Angebot eingegangen wäre, kann nicht mehr geklärt werden, da Roberto Escobar seinen großzügigen Vorschlag erst nach dem Dreh der zweiten Staffel einreichte.

Cover und Stills © Polyband

  • Titel: Narcos
  • Staffel: 1
  • Episoden: 10
  • Originaltitel: Narcos
  • Produktionsland und -jahr: 2015
  • Genre:
    Thriller; Drama
  • Erschienen: 01. September 2016
  • Label: Polyband/WVG
  • Spielzeit:
    500 Minuten auf 4 DVDs bzw. auf 3 Blu-rays
  • Darsteller:
    Wagner Moura
    Boyd Holbrook
    Pedro Pascal
    uvm.
  • Regie:
    Andreas Baiz u. a.
  • Drehbuch: Eric Newman u. a.
  • Extras:
    Audiokommentar; Making Of;
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    16:9 – 1.77:1
    Sprachen/Ton
    :
    D/GB (Dolby Digital 5.1)
    Untertitel: 
    D
  • Technische Details (BD)
    Video: Full HD (1,78:1)
    Sprachen/Ton: D, GB (DTS-HD 5.1)
    Untertitel: D
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite Blu-ray & DVD

Wertung: 12/15 Unzen


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