Kaja Evert – Flügel aus Asche (Buch)


Kaja Evert - Flügel aus Asche (Buch(Manche Bücher sind in sich so zerrissen, dass man kaum sagen kann, wie viele Autoren tatsächlich daran beteiligt waren. Sie sind vergleichbar mit einem überproduzierten Musik-Album, bei dem sich die Aufnahmetechnik vor die Töne schiebt. Im Hintergrund kann man noch das händische Spiel der Band erahnen, aber eigentlich schallt es kalt und unzugänglich aus den Boxen. “Flügel aus Asche” ist Kaja Everts Debütroman und weist eine solche Zerrissenheit auf. Der generische Fantasy-Thriller “schafft” den Hirn-Spagat zwischen einem sterilen, redundanten Magie-Spektakel und lesenswerten, literarischen Spekulationen über die Kraft der Kunst.

Die Turnübung am Leser beginnt in der faschistisch regierten, fliegenden Stadt Rashija. In ihr gibt es keine Kunst und keine Farben, die der Herrscher nicht toleriert. Andere Bilder werden vernichtet, Künstler verfolgt. Außerdem herrscht Krieg mit der Welt am Boden. Die Stadt und ihre fliegenden Inseln bekommen zwar kaum etwas von den Kämpfen mit, jedoch leiden die Bewohner trotzdem unter dem Konflikt. Im Grunde sind sie Gefangene ihrer Heimat. Lediglich die Kampf-Magier der Akademie in den Diensten des Herrschers bekommen im Kriegseinsatz die Gelegenheit, Rashija zu verlassen. Wie schon oft zuvor geht auch gerade das Gerücht um, bald würde die Stadt landen. Die Bewohner wünschen sich wieder einmal das Grün der Bäume und die Farben der Erde herbei.

Auch Adeen, der junge Held der Geschichte, träumt beinahe zwanghaft von Vögeln, von Federn und riesigen, schwarzen Schwingen. Zudem wird er von einem Bedürfnis getrieben, diese Bilder auf Papier zu bannen. Das aber wäre ein Verbrechen. Also unterdrückt Adeen seine kreativen Impulse, was ihm vor allem bei seiner monotonen Arbeit schwer fällt. Er ist Schreiber in der Magier-Akademie und muss im Akkord Zauber-Schriftrollen kopieren, die von den Kampf-Magiern als Waffen eingesetzt werden. Nicht nur dieses Problem treibt Adeen zu dem ebenfalls verbotenen Wunsch, die fliegende Stadt verlassen zu wollen. Adeen ist zudem ein gesellschaftlicher Außenseiter, eine sogenannte “Krähe”. Mit seiner schwarzen Haut ist er gestempelt als das Produkt einer verbotenen Verbindung zwischen einem Erdenbewohner und einer Draquerin. Letztere stellen die höchste Schicht der Gesellschaft Rashijas dar, genießen aber gleichzeitig auch nur Privilegien, weil sie als menschliche Brutmaschinen zur Zeugung von Magiern dienen. Das freie Leben der Draquer endet mit der Hochzeit.

Durch seinen Ziehvater kommt Adeen nun mit einer Gruppe von Rebellen in Kontakt, die den Plan verfolgen, aus Rashija zu fliehen. Während er nun für diese Meschen beginnt, Schriftrollen abzuschreiben, ahnt Adeen aufgrund immer stärker werdender Eingebungen, denen er nun nachgehen darf, dass vielleicht doch etwas Magie in ihm steckt und, dass seine Zeichnungen Kraft besitzen. Unter Kämpfen dringen die Rebellen nun in geheime Forschungslabore der Magier vor und Stück für Stück erkennt Adeen den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Menschengruppen und Magien.

Interessant zu verfolgen ist dabei die moralisch unsaubere Darstellung der Rebellen, die sowohl Adeen als auch eine Draquerin eher ausnutzen und als Waffen verdinglichen. Ansonsten bleiben die Handlungen der Figuren farblos, mechanisch und ohne Tiefe. Vielleicht ist das ja ein Ergebnis des kunstlosen Lebens in der fliegenden Stadt? Doch auch der Protagonist wird nicht authentischer und wandelt sich nicht, als sich seine vertraute Umwelt ändert. Sprachlich ist die Story direkt und basal abgehandelt, sodass keine rechte Charaktersprache zustande kommt, wie es im Kontrast der verschiedenen sozialen Schichten möglich gewesen wäre. Es wird sich dabei keine Zeit genommen, in die unterschiedlichen Personengruppen einzuführen, ihre Lebensgewohnheiten, Weltanschauungen und sozialen Interaktionen zu erzählen. Wie wohnen Magier? Was erzählen sich Draquer in ihrer Stammkneipe? Damit wird dann auch der fundamentale Unterschied zu etablierteren Werken aus dem Bereich der “High Fantasy” deutlich, zu dem “Flügel aus Asche” zählen soll.

Anlehnungen an den Games-Sektor, die diesem Buch beigeschrieben werden, sind in Aktionen der Charaktere ebensowenig zu finden wie im Plot. Es reicht nicht aus, sich eine handvoll Magie-Klassen auszudenken und in Kampfhandlungen einzusetzen, um eine gute Mischung aus Erzählung und Rollenspiel zu erhalten. Vielmehr müssen dann wirklich spielerische Elemente, Taktiken und Spielzüge erzählt werden; es muss ein implizites Regelwerk durch die Charakteristika der Erzähl-Welt mitgeliefert werden. Nur zu sagen, dass Reittiere anfällig gegen Eis-Zauber sind, lässt im Leser lediglich die Fremdscham-Hormone tanzen.

Abschließend kann man vielleicht denken, dass “Flügel aus Asche” ein mittelmäßig spannendes Buch für Freunde des Genres ist, die von einer Fantasy-Welt nicht mehr Komplexität erwarten, als es die Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde hergeben. Summa summarum macht das vier hoch vier Konflikte. Wenn man es etwas differenzierter sieht, dann hält man mit Kaja Everts Debüt jedoch eine Erzählung in den Händen, die sich im Nachturnen der Genre-Vorlagen krampfhaft abmüht, während ein wirkliches Interesse an den eigenen Bewegungen und Ideen, die fraglos vorhanden sind, kaum durchscheint.

Cover © Droemer Knaur

 

 

Wertung: 6/15 dpt


1 Kommentar
  1. Ich bin zufällig auf diesen Artikel gestoßen und war sehr verwundert da ich Flügel aus Asche ebenfalls gelesen habe. Der Autor dieses Artikel muss ein anderes Buch gelesen als ich, den ich kann mich in keinem Kritikpunkt auch nur Ansatzweise anschließen.

    Es ist ein mehr als nur ein wenig unrealistisch in einem einzelnen Roman umfassende Beschreibungen von Wohnverhältnissen von Nebenfiguren zu erwarten oder ob Draquer eine Stammkneipe haben oder sie sich Witze erzählen denn das ist für die Geschichte völlig irrelevant. Sowas kann man in eine Saga von mehreren Bänden packen aber doch nicht in ein Buch.

    Was mich auch fasziniert wo kommt denn die Information das Flügel aus Asche Elemente aus Rollenspielen enthalten soll her?

    Wer erwartet ernsthaft “spielerische Elemente, Taktiken und Spielzüge, ein implizites Regelwerk oder ausgefeilte Charakterklassen” in einem Roman der der Unterhaltung dienen soll?

    Ich kenne nun doch mehrere verlegende Autoren, kein Einziger hat sich ein Rollenspiel zu seinen Romanen ausgedacht, aber einige haben schon Romane zu bestehenden Rollenspielen geschrieben und selbst in solchen befasst sich keiner mit einer Mischung aus Erzählung und Rollenspiel sondern alle mit einer Geschichte.

    Ob es einem gefällt das der Held völlig realistisch nicht innerhalb weniger Tage von einem Hänfling in einen Zauber schleudernden Kampfmagier mutiert ist Geschmacksache. Das die “Helden” einfach nur menschlich sind auch.

    Ganz ehrlich, ich würde gern einen Roman von Christian Bischopink, den Autoren dieser Kritik lesen, nur leider habe ich auf Amazon keinen finden können.
    Ich lese ja wirklich gern Rollenspiel Regelwerke, vielleicht wäre dann ein Roman von ihm was für mich. Nur bitte nichts wo ich würfeln und blättern muss, diese Bücher konnte ich nie ab.

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