Terry Pratchett – Lords und Ladies – Ein Scheibenwelt-Roman (Buch)


Terry Pratchett - Lords und Ladies - Ein Scheibenwelt-Roman (Buch)Das soll jetzt keine Bequemlichkeit sein, wirklich nicht… Aber mit “Scheibenwelt”-Romanen ist es doch immer ein wenig wie mit einem neuen Bad Religion-Album: Banausen und Ungläubige verblöden in großer Gemütsruhe weiter mit Justin Bieber. Kenner hingegen würden das jetzt gegebenenfalls schon gar nicht mehr weiterlesen, weil sie sich bereits nach Erkennen der Reizwörter mit Warp 7 auf den Weg zum Plattenhökerer ihres Vertrauens gemacht haben, um die neue Devotionalie anzulanden. Beiden Zielgruppen braucht man also nicht viel zum Thema zu erzählen…

Doch nehmen wir einfach mal an, dass es noch eine Zielgruppe “dazwischen” gibt, die mal von so etwas wie der Scheibenwelt gehört hat, aber noch nie den letzten Kick bekam, es wirklich mal mit einem der mittlerweile beängstigend vielen Titeln zu versuchen. Weltbeste Zielgruppe: Tut es! Lest “Lords und Ladies”!

Zehn Argumente dafür:

  1. Ihr verpasst sonst gleich drei schnuckelige Liebesgeschichten, die dadurch noch schnuckeliger werden, dass zwei der weiblichen Hauptpersonen vielhundertjährige Hexen sind (auch die dritte ist übrigens eine Hexe, aber eine junge).
  2. Hier gibt es auch #CatContent zu entdecken, und zwar, neben Gastauftritten von Schrödingers Katze, vor allem in Gestalt von Greebo, dem »stinkendsten und bösartigsten Kater der Welt«. Er ist der »unumstrittene König der Katzen von Lancre und Vater der meisten von ihnen. Wölfe verkrochen sich vor ihm, Bären flüchten sich auf Bäume«.
  3. Dieses Buch ist mit mehr prallen Actionszenen gesegnet als zwanzig Folgen von “Fast And Furious” zusammen – allerdings mit weniger brennenden Autokadavern.
  4. Dennoch kann man hier quasi nebenher sein Smalltalk-Arsenal mit unnützem Wissen aufrüsten, unter anderem zur Unschärferelation, generell zur Teilchenphysik und dazu, was man bei der Verwendung von Trockenfroschpillen beachten sollte.
  5. Statt Rückständigkeiten wie Beamen beherrscht eine der Protagonistinnen, Esmeralda Wetterwachs, die Kunst des “Borgens” – ein »in Gedanken mitreisen« bei anderen Wesen. Sie kommt sozusagen “per Geistes-Anhalter durch die Galaxis”.
  6. A propos – Pratchett ist unvergleichlich, der teils lachtränige Spaß, den “Lords und Ladies” bereitet, kann aber vielleicht mit einer Mischung aus Shakespeares “A Midsummernight’s Dream”, Adams’ “Hitchhiker’s Guide” (vor allem, wenn es um die Beschreibung der beklagenswerten Folgen von Alkohol und anderen Drogen geht) sowie aus Ruffs “Fool On The Hill” angenähert werden.
  7. Der Autor ist ein Meister der schillernden Vergleiche und hat auch in “Lords und Ladies” nicht damit gespart. Kostproben? »… ein Schloss mit so vielen Räumen besitzt, dass sich die Spinnen darin im Einklang mit den strengen Auslesegesetzen der Evolution bereits zu unterschiedlichen Arten entwickelt haben«. Oder: »Es roch wie in der Umkleidekabine von Füchsen«.
  8. Gerüche sind ohnehin von besonderer Bedeutung für diesen Autor – und er räumt mit diversen Mythen gnadenlos aus: Einhörner stinken hier bestialisch und sind zutiefst bösartig, genau wie ihre Herren, die Elfen.
  9. Die Technik des in der dritten Person und von einem auktorialen Erzähler geschilderten Werkes ist die der schnellen Szenenschnitte zwischen Handlungssträngen. Dadurch entstehen fast filmische Effekte – dennoch würde man das Buch eigentlich ungern verfilmt sehen, wie so oft, wenn einem ein Roman sehr gefallen hat.
  10. Das bereits aus dem Jahr 1992 stammende Opus wurde für diese Ausgabe neu übersetzt und mit neuem Umschlagmotiv versehen. Letzteres ist sogar in aufwändigem Prägedruck hergestellt, sodass man beispielsweise den Brustpanzer der Heldin Magrat Knoblauch… doch lassen wir das!

Ist denn wirklich alles perfekt an dieser Edition? Fast. Wie schon Pratchetts “Macbest” zeigt sich auch “Lords und Ladies” von “Macbeth” beeinflusst und zitiert die berühmte Hexenszene. Eine bewährte Übersetzerregel lautet: Wenn es zu einem berühmten Zitat oder Anspielung eine quasi kanonische Ausgabe in der Zielsprache gibt, dann nimmt man diese. Das wurde hier versäumt. So heißt es auf Seite 84 merkwürdig schlapp: »Wann kommen wir zwei uns wieder entgegen«, statt beispielsweise »Wann treffen wir uns das nächste Mal / Bei Regen, Donner oder Wetterstrahl?« oder »Sagt, wann treffen wir drei zusammen: Wenn Donner krachen oder wenn Blitze flammen?« (vergleiche: Karl Kraus).

Das war’s aber auch schon an Gemecker. Wer gerne ein wildes Garn liest und sich bald mal wieder eine schlaflose Nacht wünscht, sollte sich unter “Lords und Ladies” begeben.

Wertung: 12/15 dpt


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