Der Vinyl-Terrorist: Ouvertüre


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An dieser Stelle möchte ich mich kurz vorstellen: My name is not Peter, but I’m old.

Ich werde Sie, liebe Hörerschaft, siezen. Es geziemt sich nicht anders. Zumindest heute nicht. Den Grund werden Sie erfahren. Und nun schieben Sie ihren Kneifer nach oben, um zu erfahren, was ich Ihnen zu bieten habe.

Können sie sich an diese alten, scheibenförmigen und schwarzen Tonträger erinnern? Sie hatten das Aussehen schwarzer Lakritzschnecken, aber größer. Und dünner. Und weniger lecker (vorausgesetzt man mag Lakritz). Wer es weiß, ist in den 1980er Jahren oder davor geboren. Dennoch ist das Medium Vinyl nach wie vor präsent auf Flohmärkten, Omas Dachboden oder eBay. Für wertvolle Auflagen zahlt der Vinyl-Liebhaber viel Geld und das Aufsetzen des Plattendiamanten in die Schallrille versetzt ihn in ein orgiastisches Rauschgefühl, obwohl die seltenen Aufnahmen natürlich nicht häufig den luftfeuchtigkeitsregulierten Plattenschrank verlassen (und wenn, dann begleitet von einem schweren und teuren Cognac). Wahre Kenner können ihre Schätze nicht nur bei 33 und 45, nein auch bei 78 Umdrehungen pro Minute abspielen. Letzteres ist selten, aber wenn Sie zum Kreis der wahren Musikenthusiasten gehören, sind Sie einer von Ihnen.

Mit Einführung der CD passierte dann etwas Merkwürdiges. Die Schallplatte sollte vom Markt verdrängt werden. Aber eine konservative Kraft hielt dagegen, verschmähte die CD als liebloses Marketingevent, das der Musik die Seele raubt. Und nachdem der Verkauf der Schallplatte zunächst abebbte, ist das Schwarze Gold heute in jedem Saturn oder MediaMarkt zu haben. Während sich aber heute Musik und Covergestaltung an das Medium CD angepasst haben – auch wenn dieses bereits seinem Untergang entgegen geht – manifestiert sich manch altes Schmuckstück erst auf der Platte. Früher haben sogar renommierte Künstler das Medium Schallplatte gesucht, um eine Verschmelzung von Musik und Kunst heraufzubeschwören – ein Plattencover wie Andy Warhols Reißverschluss zum Stones Album „Sticky Fingers” sucht man heutzutage vergeblich (Finger weg von der Google-Bildsuche, dieses Cover entfaltet seine Magie nur durch den echten Reißverschluss aus Metall, der – in geöffnetem Zustand – den Blick auf den herrlichsten Männerschritt des Rock’n’Roll präsentiert).

Hat man einmal dieses Medium für sich erschlossen, löscht man seine MP3-Dateien und sucht fortan nach guten Aufnahmen. Mir selbst ging es so vor etwa 18 Jahren – okay, MP3 gab es noch nicht, aber ich begann, Flohmärkte nach dem begehrten Stoff zu durchforsten. Das entpuppte sich sehr schnell als Suche nach der Nadel im Nadelhaufen – Platten an allen Ecken und Enden. Aber wer will sich die ganzen Phil Collins und Jennifer Rush-Alben anhören? Und wo sind sie, die herrlichen Andy Warhol-Reißverschlüsse und -Bananen (The Velvet Underground & Nico). Wo finde ich Miles Davis’ “Kind of Blue” (und nicht “You’re under arrest”, ein Spätwerk, auf dem er Michael Jackson und Cyndi Laupers “Time after time” covert)?

Diese Frage sollten Sie lieber nicht mir stellen, denn in meinem Plattenschrank finden sich Aufnahmen wie “Ich schieß den Hirsch” (Jagdsignale), “Die Strassentour mit den Orig. 4 Tiroler Buam” (signiert von Emil, Helmut, Alois und Rudi höchstselbst) und “Die beschwipste Hit-Parade – Es spielt der schräge Otto”. Möchten Sie jemanden zum Freund haben, der derartigen geschmacklichen Sprengstoff in seiner Wohnung hortet? Ja, schon klar, also bleiben wir beim Sie.

Wenn Sie einen Hang zum Perfiden haben, wird es Sie jedoch interessieren, dass ich mein akustisches Waffenarsenal von Zeit zu Zeit auffülle. Ich betätige mich als Minenräumer, ich entferne geschmackliche Verirrungen aus den Plattenläden und rüste mich für die auditive Apokalypse. Herzlich willkommen im Plattenschrank des Grauens. Freuen Sie sich an dieser Stelle in Zukunft auf Turntable-Futter, das tierisch abturnt – Bert Kaempfert und James Last, Ricky King und Kenny G… ich mache vor nichts halt, solange es den Preis von 2 € nicht überschreitet. Verehrte Akustik-Voyeuristen (= Ecouteuristen), seien Sie meine Gäste!

Foto © privat


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