Chantal-Fleur Sandjon – Serienunikat (Buch)


Chantal-Fleur Sandjon – Serienunikat

Pharmazie studieren. Chantal-Fleur Sandjon - Serienunikat (Cover © script5)Es den Eltern recht machen. Irgendwann mit ihrem Freund Titus in eine gemeinsame Wohnung in Heidelberg ziehen und dort in die beruflichen Fußstapfen der Eltern treten. Ann-Sophie, 21 Jahre alt, funktioniert – oder hat zu funktionieren. Doch irgendwann legt sich in ihrem Inneren ein Schalter um, der ihr sagt: Raus aus der Nußlocher Einöde, raus aus dem spießigen Leben, studieren kann man auch im weit über sechshundert Kilometer entfernten Berlin mit über dreieinhalb Millionen Einwohnern.

In der Millionenmetropole, die von Kultur, Aktivismus und Multikulti nur so strotzt, will die unauffällige, zurückhaltende junge Frau ihren eigenen Lebensweg beschreiten und zu sich selbst finden – und ist erst einmal überfordert davon. Sie findet allerdings bald durch Zufall Freunde, mit denen sie eine WG gründet, um Sabine, bei der sie momentan wohnt, nicht länger auf den Geist zu gehen (und ihr nicht mehr hinterherputzen zu müssen). Bei einem kuriosen “WG-Casting” trifft sie auf die schrille, lebhafte, herzliche Catchy und flüchtet mit ihr aus diesem seltsamen Szenario, und beim Beschluss, doch zusammen weiterzusuchen, ruft sie noch zwei weitere Leute zu sich, den arbeitsamen Stefan, der ebenfalls studiert sowie den spirituellen, vegan lebenden und auch sonst einen alternativen Lebensstil pflegenden Monk, und trotz akuter Überrumpeltheit seitens Ann-Sophie ziehen beziehen die vier innerhalb kürzester Zeit eine bezahlbare, ganz nette Wohnung.

Die graue Maus aus dem Ländle wird von den WG-Nasen unterstützt und bekommt Stück für Stück etwas mehr von der Welt mit, und auch optisch bewegt sie sich aus ihrem Casual-Look-Mauseloch heraus und genießt besonders von Catchy einiges an Hilfe. Stefan redet gern mal Tacheles mit ihr, und durch Monk gewinnt sie zusätzliche Sichtweisen auf das Leben und die Umwelt an sich. Doch in der Ferne sind da immer noch die Eltern, die für sie weiterplanen, und auch Titus rechnet fest damit, dass Berlin nur ein Übergang ist und sie bald wieder nach Baden-Württemberg zurückkehrt, um dort weiterhin auf Standardfamilie zu machen. Das Billy-Regal des Lebens.

Der neu eingeschlagene Lebensweg sorgt für Konflikte. Überall. Innerliche, solche mit den Eltern und auch in Berlin. Und da ist dann noch der Mitstudent Lukas, der Ann-Sophie umwirbt. Es wird turbulent für sie, denn ihr Selbstfindungstrip bewegt sich in oftmals fürwahr sonderbare und zuweilen auch in destruktive Gefilde, doch wenn sie jetzt nicht beginnt, neue Wege zu gehen, wird sie auf ewig eine Provinznudel bleiben.

Grundsätzlich bietet der Debütroman der – wie es in der Klappe so schön heißt – afrodeutschen Kosmopolitin, die auch Ernährungswissenschaften studiert hat und heuer als Spoken-Word-Künstlerin und Aktivistin in Berlin lebt, eine spannende Geschichte, die das Erwachsenwerden, die Suche nach sich selbst und nach seinem Platz sowie ein wenig Unterhaltung miteinander vereint, und das “Serienunikat” liest sich auch recht zügig und flüssig. Man fiebert mit Ann-Sophie mit, schüttelt den Kopf über sie und die Leute um sie herum, gibt ihnen dann doch wieder Recht und ist selbst stets hin- und hergerissen, was nun das Richtige und was das Falsche für sie ist.

Allerdings gibt es, den wirklich schönen, beschreibungsreichen und doch klaren Stil mal außer Acht gelassen, so einige Kritikpunkte, die nicht ungenannt bleiben sollten.

Zum einen zeichnet die Autorin einen Teil der Charaktere ein wenig arg klischeehaft (Stichwort Monk) und auch nicht immer mit ausreichender Profilstärke, sodass sie stellenweise – wie die Protagonistin selbst – ein wenig blass und beliebig erscheinen. Auch wenn die Autorin sich schwer bemüht, den Leser in den Kopf der Hauptperson schauen zu lassen, bleibt eine gewisse Distanz zu den Akteuren des Buches im Raum, sodass man nie so wirklich komplett in die Story eintauchen kann.

Zum anderen wirken die Dialoge stellenweise zu theoretisch, zu “aufgeschrieben”. Oftmals denkt man sich: »Mensch, so reden Leute doch nicht miteinander, selbst die Gebildeten nicht!«, denn vieles liest sich wie einstudiert, wie abgelesen, manchmal gar wie ein schriftlicher Austausch oder ein schriftliches Interview  mit automatischer Grammatikkorrektur. Wenn jemand verkatert aufwacht oder emotional extrem aufgewühlt ist, spricht er keine semiphilosophishen achtzeiligen Sätze mit Verschachtelungen.

Wenn die Autorin diese beiden (wohlgemerkt subjektiv empfundenen) Mankos für zukünftige Werke ausbügeln kann, ist der Gedanke, dass sie sich in der deutschen Literaturlandschaft einen guten Namen erarbeiten könnte, keinesfalls abwegig. Denn in Chantal-Fleur Sandjon steckt zwischen all den Zeilen einiges an Potential – man spürt es schon zucken und zappeln.

Cover © script5

 

  • Autor: Chantal-Fleur Sandjon
  • Titel: Serienunikat
  • Verlag: script5
  • Erschienen: 10.03.2014
  • Einband: Klappenbroschur
  • Seiten: 320
  • ISBN: 978-3-8390-0168-4
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite beim Verlag

Wertung: 9/15 dpt


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