Was macht ein Autor, der eine Regionalkrimi-Reihe ins Leben gerufen hat, nach dem vierten, fünften, sechsten Roman? Wenn man sich die internationalen Schwergewichte regional verankerter Krimireihen anschaut, wozu sicherlich neben vielen anderen Mankell, Camillieri, Leon, Walker zu zählen sind, so scheinen sich diesen Autoren an einem neuralgischen Punkt die Frage zu stellen:
– Aufhören?
– weiter im regionalen Dickicht bleiben – auch auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen und dann wirklich zu so etwas wie einem Seismographen der eigenen Region zu werden?
– oder seine Plots so aufblasen, dass die regionale Kulisse völlig verschwindet und es schier unglaublich erscheint, dass eine Häufung internationalen Kriminalismus und Terrors in einer Kleinstadt so präsent ist?
Mankell hat sich weise dafür entschieden, seinen Kommissar gerade noch rechtzeitig in Rente zu schicken, Martin Walkers Bruno-Reihe dagegen hat dank inflationären Auftretens internationaler Großkriminalität jeglichen Charme verloren und Camillieri sowie Leon haben sich entschieden, regional und damit aber leider auch zwangsläufig etwas langweilig, betulich und allzu vorhersehbar zu bleiben. Dem Rezensenten ist dies aber allemal lieber – kommt es hier doch immer mal wieder zu kleinen aber feinen Charakterstudien von – Achtung, Phrase! – Land und Leuten.
Und mitten hier hinein muss man auch Luc Bennelecs Bretagne-Reihe und Kommissar Dupin zählen. Geschenkt: Die Reihe ist maßgeschneidert für den deutschen otto-normalverbrauchenden Krimileser und eigentlich nicht wirklich einer Rezension wert: Seine Leser hat er und das Marketing und TV-Ausstrahlungen der Filme sorgen für Lesernachschub. Wer Zeit hat, soll die Bücher lesen, schadet nicht, dauert höchstens zwei Stunden, ein wenig Unterhaltung, Spannung auf jeder siebten Seite – was will man mehr von einem ‘Huch-ich-muss-spontan-Bahn-fahren-kauf-ich-mir-noch-schnell-ein-Buch-für-die-Reise’-Buch erwarten?!
Und doch, irgend etwas hat die Reihe – dem wollen wir uns mal ein wenig nähern. Wo andere Autoren den Terror auffahren, finden wir uns in ‘Bretonischer Stolz’ inmitten eines Versuchs, die Bretagne und ihre Einwohner greifbar zu machen, sie in ihren Eigenheiten darzustellen und eben auch das Verbrechen in einer solchen regionalen Eigenheit zu verankern. Vielleicht mag das dem ein oder anderen etwas despektierlich oder zu regional sein. Doch wenn ein Regionalkrimi seine Berechtigung hat, dann gerade in diesem Diskurs. Und so kreist vieles in diesem Roman um eine der in Frankreich vielerorts geführten Terroir-Diskussion. Terroir statt Terror quasi. Übersetzt und vereinfacht geht es hier vorrangig um Austern, ob man wohl schmeckt, wo und in welchem Wasser sie gezüchtet wurden. Dies wird sehr geschickt vermengt mit einer Prise Volks-Aberglauben, alten Riten und gar wunderlichen Feen. Nicht ganz so kunstvoll wie dies beispielsweise Fred Vargas immer wieder gelingt, was aber wohl daran liegt, dass unser guter Jean-Luc Bannalec ein Deutscher ist und die letzte Unbefangenheit und Souveränität im Umgang damit fehlt. Und natürlich gibt es die üblichen Wetterbeobachtungen, Landschaftsbetrachtungen und die immer wieder feinen und gut beobachteten Charakterskizzen.
Aber keine Sorge: Dieser Roman will keine große Literatur sein, kein Ideenkonstrukt, kein Diskursleader sein. Es ist gut gemachte Serienliteratur, durchaus mit Charme, und nach vier Bänden kann man wohl auch attestieren: mit soviel Substanz, dass man auch gerne noch einen fünften oder sechsten Band lesen würde!
Cover © Kiepenheuer & Witsch
- Autor: Jean-Luc Bannalec
- Titel: Bretonischer Stolz. Kommissar Dupins vierter Fall
- Teil/Band der Reihe: 4
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: 2015
- Einband: Broschur
- Seiten: 384
- ISBN: 978-3-46204-813-1
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Wertung: 10/15 dpt