Rules of Engagement (Spielfilm, DVD/Blu-ray)


Rules Of Engagement (Cover © Planet Media Home Entertainment/Eurovideo)William Friedkin gehört nicht gerade zu den Shooting-Stars unter den Regisseur*innen. Bekannt geworden mit Filmen wie French Connection, The Exorcist und Live and Die in L.A. kennt man den Namen Friedkin eigentlich nur noch aus Filmgeschichtsbüchern; wenn man dann sieht, dass ein Film von ihm aus dem Jahr 2000 über amerikanische Kriegsverbrechen im Nahen Osten mit Tommy Lee Jones, Samuel L. Jackson, Guy Pearce und Ben Kingsley wiederveröffentlicht wird, kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufen: Das ist nicht nur spannend, das ist ein Stück Zeitgeschichte.

Leider ist es genau das, was den Film schwer verdaulich macht: Er macht die amerikanische Paranoia um 9/11 verständlich – noch vor dem Anschlag selbst. Die Abgründe menschlicher Moral hat Friedkin schon in seinen frühen Filmen bis in die dunkelsten Ecken ausgeleuchtet. Das Beeindruckende daran war allerdings nicht die Krassheit oder die Gewalt seiner Filme, die heute auch als FSK12 durchgehen könnten, sondern die erzählerische Struktur: Was als gutes Pendant zum bösen Helden eingeführt wird, kann nach dem Tod des Helden deutlicher fieser werden als der Held selbst. Das ist bei Rules of Engagement nicht ganz anders – weil auf politischer Ebene angesiedelt, ist das hier allerdings etwas abstrakter und eine Spur perfider.

Samuel L. Jackson spielt den Colonel Terry Childers, der einen amerikanischen Botschafter und dessen Familie aus dem Jemen evakuieren muss, wo ein Aufstand, unter anderem gegen die Botschaft der USA im Gange ist. Dabei rettet Childers nicht nur das Kind des Botschafters, sondern auch die amerikanische Flagge – gerät jedoch in eine Sackgasse, in der das Team um Childers nicht nur von bewaffneten Kämpfern angegriffen, sondern auch von einem zivilen Aufstand mit Steinen beworfen wird. Weil Childers im Aufstand bewaffnete Kämpfer vermutet, schießen die Amerikaner alle nieder, darunter auch Kinder. Hier schreckt Friedkin einerseits nicht davor zurück, die Spuren eines Gemetzels eindrücklich, fast dokumentarisch, zu filmen – andererseits zeigte er in der Szene davor einen wütenden arabischen Mob, der keine Individualität zulässt und insofern rassistisch gesehen werden, wenn nicht, wie Noel Murray in The Dissolve plausibel vorschlägt, dieser Shot als Produkt der Unübersichtlichkeit und Unvorhersehbarkeit von Kampfszenen gesehen wird.

Was als Kriegsfilm beginnt, entpuppt sich als Gerichtsfilm: Childers muss sich vor dem Militärgericht verantworten, nimmt sich allerdings keinen Anwalt, sondern den mittlerweile alkoholsüchtigen Vietnam-Veteranen und Kameraden Colonel Hayes Hodges (Tommy Lee Jones), der sich den Ablauf der “Rettungs”-aktion noch einmal genauer ansieht. Das Bild des amerikanischen Kriegsverbrechers beginnt daraufhin zu brechen – vor Gericht wird um Gerechtigkeit und Wahrheit gestritten, wobei alle Register von Fragen der Überwachung, Informationsbeschaffung und natürlich des richtigen Patriotismus (der an und für sich nicht hinterfragt wird) gezogen wird. Hier entsteht allerdings auch eine Kontroverse, wie der Film politisch anzusiedeln ist: Es wird versucht, das Handeln Colonel Childers’ zu legitimieren.

Das kann so gesehen werden, als würde die amerikanische Politik kritisiert werden, die seit dem Vietnamkrieg weniger auf eine Kursänderung in der Außenpolitik gesetzt hatte, als auf die Beeinflussung der Kriegsberichterstattung – dass der Golf-Krieg geführt wurde, war nicht die Frage; die Frage war, wie über ihn berichtet wurde und auf welcher informativen Grundlage logistische Entscheidungen getroffen wurden. Man kann den Golf-Krieg auch als ersten digitalen Krieg betrachten, der im Zweifelsfall einen Colonel der Öffentlichkeit opfert, um den Krieg moralisch zu rechtfertigen; das ist zwar eine konservative, patriotische Aussage, aber immerhin kritisch.

Die andere Sichtweise ist, dass es sich um ein beinhartes konservatives, fast nationalistisches Machwerk handelt, das keine Diskussion innerhalb des Films zulässt: Die Rollen sind, anders noch als in Friedkins frühen Filmen, klar verteilt. Das macht den Film, der als Thriller ein paar deutliche Längen hat, als Gerichtsfilm aber unterhalten kann, selbst zum Diskussionsgegenstand. Nicht die Figuren sind böse, der Film selbst ist eine Erklärung moralischen Scheiterns – und dabei unangenehm selbstgefällig. Wenn etwa vor Gericht Videoaufnahmen herangezogen werden, geht es nicht darum, wie die Kamera Wahrheit darstellt, sondern dass der unsympathische Sicherheitsberater die Bänder verschwinden lässt; in Zeiten nach Edward Snowden ist man sensibler geworden, was Wahrheit durch Überwachung betrifft. Und gerade Friedkin als großartiger Regisseur hätte sich bewusst sein können, dass das Videoband kein Emblem der reinen Wahrheit ist.

Je weiter der Film fortschreitet, desto klarer wird, dass die Spannung nicht aus der moralischen Diskussion gezogen wird, sondern aus der zunehmend deutlicher werdenden “Erkenntnis”, dass die Kriege der USA gute Kriege sind und von feindlichen, terroristischen Medien verfälscht werden – oder eben den eigenen Politiker*innen. Aus europäischer Sicht ist das keine Erkenntnis, sondern ein Glaube, der die Bush-Ära eben so erklärlich macht: Wenn die Kriege nicht mehr gerechtfertigt werden können, müssen die Medien und die informative Freiheit reduziert werden – denn der “Feind” agiert ebenfalls auf medialer Ebene. Leider ist das nicht nur Zeitgeschichte, sondern auch noch Gegenwart; die konsequente Weiterführung dieser Entwicklung kann bei Good Kill – Tod aus der Luft beobachtet werden, in dem übrigens auch der großartige Bruce Greenwood mitspielt; allerdings nicht mehr als Sicherheitsberater, der Informationen verschwinden lässt,  sondern als Colonel. Eigentlich auch bezeichnend – Zeitgeschichte als Filmgeschichte.

(Cover © Planet Media Home Entertainment/Eurovideo)

Wertung: 6/15 dpt

  • Titel: Rules of Engagement
  • Originaltitel: Rules of Engagement
  • Produktionsland und -jahr: USA, 2000
  • Genre:
    Gerichtsfilm
  • Erschienen: 21.10.2015
  • Label: Planet Media Home Entertainment
  • Spielzeit:
    22 Minuten
  • Darsteller:
    Samuel L. Jackson
    Tommy Lee Jones
    Guy Pearce
    Ben Kingsley
    Bruce Greenwood
    Anne Archer
  • Regie: William Friedkin
  • Drehbuch: Stephen Gaghan
  • Kamera:
    William A. Fraker
    Nicola Pecorini
  • Schnitt: Augie Hess
  • Extras:
    TV Spots, Trailer, Interviews, Featurette
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    2.40:1 (16:9)
    Sprachen/Ton
    :
    Deutsch Dolby Digital 5.1, Englisch Dolby Digital 5.1
    Untertitel:
    Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch, Audiokommentar
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    2.40:1 (16:9)
    Sprachen/Ton
    :
    Deutsch DTS HD Master Audio 5.1, Englisch DTS HD Master Audio 5.1
    Untertitel:
    Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch, Audiokommentar
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten

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