Books and the City #1 – Die Buch-Raum-Korrelation (Kolumne)


Books & The City Logo © booknerds.deDie Literatur, die Großstadt – das gehört zusammen, und zwar nicht erst, seit Fotos von Buch- und Kaffeekunst zu den beliebtesten Motiven auf Instagram gehören. An dieser Stelle gibt es künftig Geschichten aus der Kulturstadt, von ihren Menschen und Büchern zu lesen.

Es war einmal an einem sonnigen Freitagmorgen in der urbansten, weil engsten Espressobar der Kulturstadt, als sich ein Mann und eine Frau zufällig begegnen.

Er, sagen wir, er ist Anwalt, trägt ein schickes blaues Sakko mit geschmackvoll gemustertem Einstecktuch. Alles an ihm strahlt Höflichkeit und Distinktion aus. Sie, wir wissen, dass sie Architektengattin ist und vermuten, dass sie was mit Medien macht, ist legerer gekleidet; auch an ihr schreit alles, Wohlstand und Elbhang. Beide beherrschen die Kunst der höflichen, intelligenten und völlig nichtssagenden Plauderei (Kinder, Ausgehen, kennst du diese oder jenen?).
Schließlich bestellt der Anwalt, von der Sonne albern geworden, zu seinem Espresso ein Zitronentörtchen. Die schlanke Medienfrau warnt ihn vor den möglicherweise negativen Konsequenzen für seine ebenfalls nicht eben üppige Figur, was er mit einem Lächeln abtut.
  »Meine Schneiderin will auch mal Porsche fahren.« sagt er mit ironiefreien Lächeln.

Ich komme nicht umhin, mich zu fragen: Gibt es die perfekte Übereinstimmung von Ort und Buch?

Nehmen wir das Werk eines durchaus amüsanten Thomas-Mann-Epigonen über einen Schriftsteller, der einen Teufelspakt eingeht; ein beliebter literarischer Topos zumal in Deutschland. Dieses Buch könnte man in Weimar, Lübeck oder im Fernbus nach Berlin lesen.

Der Teufel im Jahr 2010 ist natürlich weder Mephisto noch der Versucher Adrian Leverkühns, sondern ein Dandy (oder Meryl Streep, allerdings aus Vertragsgründen niemals Anna Wintour). Er ist eine empfindsame und völlig zu Unrecht dämonisierte Seele mit ausgeprägtem Formsinn.

Zu einem solchen Teufel braucht es die Fashion Week (nicht die in Berlin), eine Galerie in Schöneberg (durchaus in Berlin) oder eben die Espressobar im Schatten des Elbhangs.

Es ist nämlich so, dass einem nach 250 Seiten die Thomas-Mann-Goethe-und-ich-kenne-mich-in-der-Literatur-ebenso-gut-aus-wie-in-der-High-Society-Anspielungen des Autors auf die Nerven gehen.
Wenn man dann meint, es könne diese völlig abgehobenen, elitären und versnobten Menschen gar nicht geben (ob Literatur bei aller Fiktionalität realistisch sein muss, besprechen wir ein anderes Mal). Wenn einem die Ablehnung der Hölle aus ästhetischen Gründen absurd erscheint, genügen ein Anwalt und eine Medienfrau in einem knallengen Coffeeshop, um die perfekte Buch-Raum-Korrelation zu erzeugen. Dann verschwindet der Groll und zurück bleibt ein zartes, koffeingestütztes Lesevergnügen.

Bild © booknerds.de/Verwendung der Buchseite (ISBN 978-3-442-371259) für die Häuser mit freundlicher Genehmigung des blanvalet Verlags


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