Carmen Korn – Töchter einer neuen Zeit (Buch)


Carmen Korn - Toechter einer neuen Zeit (Cover©rohwolt)Dieses Buch ist für Leser, die Geschichte und Hamburg gleichermaßen lieben und dafür eventuell auf Spannung verzichten mögen.

Carmen Korn erzählt in ihrem Auftakt einer Trilogie über das Leben von vier Frauen in Hamburg-Uhlenhorst von 1919 bis 1948, also vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Dabei werden immer wieder Passagen aus ihren Leben erzählt, meistens ein Tag oder wenige Stunden, zwischen denen jeweils Monate bis Jahre liegen.

Die Protagonistin Henny vertritt ein sehr emanzipiertes Frauenbild und fängt zu Beginn des Buches gemeinsam mit ihrer Freundin Käthe eine Ausbildung als Hebamme an. Auf einem Tanzabend lernt sie den jungen Träumer Lud kennen und heiratet ihn schließlich, als sie ein Kind von ihm erwartet. Über ihn lernt sie seine Schwester Lina kennen. Sie ist Lehrerin und vertritt die Ideen der Reformpädagogik. Später freundet sie sich noch mit Ida Bunge an, der Tochter eines ehemals reichen Geschäftsmannes, welche die Vorzüge des Geldes schätzt.

Obwohl das Buch eine gelungene Studie einer anderen Zeit ist, berührt es nicht. Die Figuren wirken steif und wie mit Bleistift skizziert, aber nicht mit Buntstiften ausgemalt. Dazu sind sie sehr fest in ihren Rollenschemata verankert. So kann der Leser relativ genau vorhersagen, in welche Richtung sich die Figuren entwickeln und welche Entscheidungen sie treffen werden. In diesem Buch zum Beispiel: Wer unterstützt die NSDAP? Und wer kämpft aktiv dagegen? Dadurch entstehen nur wenige Überraschungen, spannende Kehrtwenden oder Spannung, die ein solches Buch attraktiver machen würde.

Wenngleich die einzelnen Passagen jeweils aus Sicht einer Person erzählt werden, wirkt das Buch eher wie eine Sozialstudie. Doch da eine sehr gute. Die Autorin beobachtet ihre Figuren sehr genau und hat wahrscheinlich ausgiebig recherchiert. Leider sind hierbei häufig Stereotypen entstanden, die mit der Realität wenig gemein haben.

So ist es doch äußerst fraglich, ob es zu Beginn des 20. Jahrhunderts Frauen selbstverständlich möglich war, ihre Arbeit auch nach der Hochzeit und Geburt der Kinder fortzusetzen. Besonders Hennys Leben als angesehene und qualifizierte Hebamme, welche selbst kurz nach Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen kann, wirkt irgendwie utopisch.

In den letzten Jahren ist mit der Jahrhundert-Saga von Ken Follett ein monumentales Werk erschienen. Im Vergleich damit erzählt dieses Buch eine geradlinige, weniger komplexe und von Zufällen gespickte Geschichte. Dadurch verliert sie ein enormes Spannungspotential.

Dennoch ist das Buch für Hamburgliebhaber und Geschichtsbegeisterte eine interessante und aufschlussreiche Lektüre, die vielleicht keine europapolitischen Verwicklungen aufzeigt, aber den typischen Alltag von vier unterschiedlichen Personen. Der Autorin gelingt es zumindest durch einen Cliffhanger, die Neugier auf das nächste Buch zu erhöhen.

Cover © rowohlt Verlag/Kindler

  • Autor: Carmen Korn
  • Titel: Töchter einer neuen Zeit
  • Teil/Band der Reihe: 1 von 3
  • Verlag: Kindler (rohwolt)
  • Erschienen: 09/2016
  • Einband: gebunden
  • Seiten: 555 Seiten
  • ISBN: 978-3-40682-4
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten

    Leseprobe auf der Verlagsseite (Produktseite)

Wertung: 9/15 Fischbrötchen


3 Kommentare
  1. Auch für Berliner ist das Buch spannend. An manchen Stellen liefen mir die Tränen, an anderen schnürte es mir den Hals zu.
    Als Geschichtslehrerin war ich nach zwei Tagen durch und tief berührt.

  2. Ich finde die Bände, als Hamburgerin, sehr berührend. Die Geschichten sind “aus dem Leben gegriffen”. Über meine Heimatstadt erfährt der Leser so unglaublich viel. Wir haben das Buch/die Bücher im Literaturkreis gelesen und ich habe eine Stadtrundfahrt ausgearbeitet, so dass man sich alle Schauplätze in Hamburg ansehen kann und nebenbei noch Hamburger-Geschichtsunterricht erhält. Auch den 2. Band habe ich verschlungen. Spannenderweise fanden die jüngeren von uns den 1. Band interessanter und die Älteren den 2. Band. Was sicherlich daran liegt, dass die Orte alle bekannt sind, jeder so seine Erinnerungen an diese Orte in Hamburg hat. Wir werden Carmen Korn am 27.3. in Aumühle im Augustinum zur Lesung aus dem 2. Band haben (also kommenden Dienstag). Und ich freue mich schon sehr auf den 3. Band und bin sehr gespannt, wie es weiter geht!

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