Nathan Larson – Zero One Dewey (Buch)


Nathan Larson - Zero One Dewey (Buch) Cover © Polar Verlag„Zero One Dewey“ von Nathan Larson  – ein Noir-Krimi im apokalyptischen New York. Im Mittelpunkt steht ein kybernetisch optimierter Ex-Soldat und selbsternannter Menschentöter. Auf welcher Seite der neuen Gesellschaft wird Dewey Decimal stehen?

Die Apokalypse fand am 2/14, also am Valentinstag statt. Bombenanschläge, Börsencrash und eine Super-Flu Epidemie zerstörten die Stadt, legten die Infrastruktur lahm und dezimierten die Bevölkerung auf ein Zehntel. Verbrechersyndikate haben die Stadt unter sich aufgeteilt: Chinesen, Dominikaner, Russen und  eine Gruppe, die sich die Koalition nennt und sich aus verschiedenen Ethnien und Nationalitäten zusammensetzt. Einer ihrer Repräsentanten ist der Ex-Senator Howard und er hat jemanden, der die Drecksarbeit erledigt.

Dewey Decimal tötet nicht ausschließlich, um Jobs zu erledigen oder zu überleben. Zum Einstieg in „Zero One Dewey“ exekutiert er einen ehemaligen Kollegen, der seinen Freund ermordete. Selbstjustiz in einer Welt, die keine andere mehr hat. Kniffliger gestalten sich die Aufträge, die Dewey Decimal von seinem Boss erhält. Er soll ein Hippie-Camp im profitversprechenden Central Park räumen und ein Geschwisterpaar der saudischen Königsfamilie beschützen, das den hoheitlichen Genpool weiterkultivieren soll. Der Fortbestand der königlichen Linie scheint anderen tötungswilligen Parteien nicht in den Kram zu passen. Gerade dieser Einsatz ist für Dewey Decimal alles andere als Routine, sondern erfordert ein System jenseits seiner Überlebensstrategien: moralische Grundsätze.   
 
Apokalyptischer Noir auf der Zielgeraden

„Zero One Dewey“ ist der dritte und finale Teil der Reihe um den Ex- Soldaten Dewey Decimal, der sich im postapokalyptischen New York als Mann fürs Grobe verdingt. Die ersten beiden Bücher „2/14“ und „Boogie Man“ sind in Deutschland im Diaphanes-Verlag erschienen, dieser letzte Band beim Polar-Verlag. Da fragt man sich, ob es ohne Verständnisverlust möglich ist, „Zero One Dewey“ zu lesen, wenn die Vorgängerbände nicht gelesen wurden. Die Aufträge, mit denen sich Dewey herumschlägt, werden in jedem Buch abgeschlossen. Und gerade dieser Band geht ausführlich auf die Rahmenhandlung um den Protagonisten ein. Wie Dewey zu dem wurde, was er ist, ist klar nachvollziehbar. Die Lektüre des letzten Dewey-Romans funktioniert also unabhängig von den ersten beiden Bänden.

Dewey Decimal Classification bezeichnet ein System, mit dem im anglo-amerikanischen Sprachraum Bibliotheksbestände inhaltlich erschlossen werden. Danach hat sich Dewey benannt, denn die Bestände der NewYork Public Library zu erhalten, sieht er als seine Bestimmung an. Dort lebt und arbeitet er, wenn er sich nicht gerade mit der Knarre im Anschlag durch die zerstörten Straßenschluchten der Stadt bewegt. An seine Vergangenheit erinnert er sich nicht, für ihn gibt es nur die Welt nach dem großen Knall. Was Dewey einzigartig macht, ist die Polarisierung zwischen dem, was er tut und wie er denkt und fühlt. Einerseits hat er eine beträchtliche Anzahl an Menschenleben auf dem Gewissen, andererseits zeichnen ihn Ehrlichkeit und Empathie aus. Auf seine Weise glaubt Dewey an Gerechtigkeit und eine höhere Instanz.

Zur Literaturgattung Noir gehört eine gesellschaftskritische Komponente, die sich in „Zero One Dewey“ nicht wie bei vielen US Vertretern des Genres retrospektiv, sondern zukunftsweisend präsentiert. Die Menschheit hat sich am 2/14 selbst an den Rand des Abgrunds gebracht und der Wiederaufbau folgt der Gier der Verbrechersyndikate, die sich als Machtfaktor etablieren. Es existiert kein Mitleid für die Mittellosen, sie haben die Wahl zwischen ausweichen und ausradiert werden. Zynischerweise im Auftrag eines Mannes, der sich auf das Wort Jesus Christus’ beruft

Anspruchsvoller Stil exzellent übersetzt

Der Noir-Krimi steht nicht gerade für einen epischen Erzählstil, seine Sprache beschränkt sich auf das Wesentliche. Der vielseitige Künstler Nathan Larson, neben Schriftsteller ist er Musiker und Komponist, macht da keine Ausnahme. Er hat für seinen Ich-Erzähler eine besondere Sprache zwischen Trash- und Bildungssprache gewählt, die genauso widersprüchlich ist, wie Deweys Charakter. Leicht und flüssig lesbar ist dieser Stil nicht, doch er vermittelt perfekt die Atmosphäre von einem Leben für den Moment im Ausnahezustand. Hart, prägnant und von brutaler Kreativität:

»Ja, ich weiß, ich bin ein Monster. Die Frage ist, ob ich ein Monster bin wie viele – dass ich getan habe, was ich getan habe, um nicht drauf zu gehen? Oder trage ich trotz meines Ehrenkodex, trotz meines Systems ein riesiges schwarzes Geschwür in mir, wo meine Seele sein sollte, fiebrig brennend, infektiös eiternd?« S. 144

Ein Blick in die amerikanische Originalausgabe „The Immune System“ verdeutlicht, welchen schwierigen Job die Übersetzerin Andrea Stumpf gemeistert hat, um aus Larsons Prosa eine deutschsprachige mit gleicher Sprachgewalt zu zaubern. Man möchte ein ganzes Hutsortiment vor ihr ziehen.

Es wird viel geballert, geblutet und getötet in „Zero one Dewey“. Wir begegnen falschen Heiligen, Sadisten, Opfern und Verlierern. Dewey Decimal ist einer von ihnen und doch anders. Nathan Larson schickt Dewey in ein Gefecht, das ihm vor allem den Mut, sich der Vergangenheit zu stellen, abverlangt und zugleich Neues und Ungewöhnliches wagen lässt. Dewey Decimal auf diesem Trip zu begleiten, ist nicht immer schön, dafür nachhaltig fesselnd und faszinierend.

Cover © Polar Verlag

  • Autor: Nathan Larson
  • Titel: Zero One Dewey
  • Teil/Band der Reihe: Dewey Decimal Roman 3
  • Originaltitel: The Immune System
  • Übersetzer: Andrea Stumpf
  • Verlag: Polar Verlag
  • Erschienen: Juni 2016
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 308
  • ISBN: 978-3-945133-33-0
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite bei Polar
    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 schwarze Löcher


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