So! „Olaf Schubert, der Gedankengigant unserer Gegenwart, der Bundesolaf und Zentralschubert, der Vergewaltiger des Bösen…“ – mit diesen und noch viel mehr Attributen wird Olaf Schubert an diesem Abend in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen unter lauten Gitarrenriffs von Herrn Stephan angekündigt. Wie immer begleitet von Jochen Barkas. Die Luft im Saal ist etwas zu stickig, um genießbar zu sein, und der Applaus, der das Wunder im Pullunder empfängt, ist wohl als verhalten zu beschreiben. Doch Olaf wäre nicht Olaf, wenn er sich von so etwas beeindrucken ließe. Noch kurz ein Foto von den Fans in der ersten Reihe machen lassen, und schon kann ein Abend beginnen, in dem sonderbare Worthülsen und Satzdrechselarbeiten wie gewohnt keine Seltenheit sind.
„Sexy Forever“ heißt das neue Programm, mit dem Schubert und Band seit ein paar Wochen durch die Lande tingeln. Wobei die Programmnamen bei ihm nie viel aussagen und nur dazu dienen, sich alle zwei bis drei Jahre vom vorherigen Programmnamen abzugrenzen und um eine neue CD auf den Markt zu bringen. Er kümmert sich stets um die aktuellen Probleme des Landes und arbeitet diese humoristisch auf, und da ist eben so ein Programmname zweitrangig. Seien es die Probleme bei der Bundeswehr, die immer noch aktuelle Flüchtlingskrise oder die Steilvorlage aus Amerika schlechthin – Präsident Donald Trump. Aber auch Privates wird preisgegeben, zum Beispiel wie Herr Stephan beim Klavierunterricht den kleinen Flüchtlingskindern die ersten Anschläge beibringt oder Jochen, in den Programmen als ewiger Running Gag installiert, immer runtergeputzt wird. Das Grundgerüst des Programms hat eine klare Ausrichtung. Das Ziel ist der amerikanische Markt oder zumindest der rumänische, und dafür hat man diesmal sogar mit einer Kulisse gearbeitet.
Selbst ein englischsprachiger Titel wird im Laufe des Abends gesungen, in welchem Olaf Schubert seine Sprachgewandtheit offenbart, wobei der Rezensent nicht alle Wortanspielungen mitbekam, da er spätestens bei „ a train on the cigarette“ unter dem Stuhl lag. A propos Lieder: Waren diese in der Vergangenheit mehr Krücke und Lückenfüller, sind diese im neuen Programm recht eingängig und laden zum Mitschunkeln ein.
Wenn man sich auf einen Abend mit Olaf Schubert einlässt, dann muss man sich auf geplanten Nonsens mit Verstand gefasst machen und ein dickes Fell mitbringen, denn die Gegend, in der er Auftritt, bekommt auch immer ein paar Seitenhiebe ab. Jedoch spart er nicht mit Eigenwitz, zum Beispiel indem er auf sich selbst, seinem Dialekt oder seiner Heimatstadt Dresden herumreitet, welche er als Gravitationszentrum für braunen Feinstaub bezeichnet. Er pflückt das alles auseinander und setzt es in seinem Sinn wieder zusammen. Doch der Funke springt an diesem Abend nur zum Teil auf den Saal über. Liegt das an der Mentalität der Franken, nicht aus sich heraus gehen zu können/wollen? Gehen manche Anspielungen zu weit? Werden diese nicht verstanden?
Aus der Erfahrung des Verfassers dieser Zeilen heraus ist es für Schubert immer schwierig, außerhalb seiner Heimat Sachsen euphorische Begeisterung auszulösen. Ist er in Dresden und anderen sächsischen Städten fast immer in seinem Element und gibt da noch ein paar Prozent extra, so nimmt er sich an anderen Orten sichtlich zurück (Ausnahme Berlin und Umgebung). Es ist zwar nicht so, dass die Leute nicht über seine Zoten und Verhaspelungen lachen würden, aber viele scheinen auch beschämt angesichts der Dinge, die da aus seinem Mund sprudeln. An diesem Abend war das wieder einmal zu spüren, dass eine kleine Kluft zwischen Publikum und Künstler lag. Einen Anteil wird sicher auch die Luft in diesem Saal getragen haben, die so elend schlecht war, dass einem schon vom Nichtstun der Schweiß auf der Stirn stand, doch kann das bei weitem nicht die Unlust des Publikums erklären, Olaf Schuberts Gedankengänge frenetischer zu feiern.
Ein Erklärungsansatz, der ebenfalls funktionieren dürfte, ist, dass seine enorme Medienpräsenz („Olaf macht Mut“ bei der ARD, „heute show“ beim ZDF und Auftritte in diversen Sendungen) mehr schadet, denn er verbrät in diesen genannten Sendungen auch ein Stück weit seine Gags aus den Shows, so dass man sie vielerorts schon vor dem Auftritt sicher herbeten kann, sofern man genannte Fernsehsendungen sieht. Doch auch die politische Seite Schuberts stellt ein Problem dar. Obwohl er keine Stellung im eigentlichen Sinne bezieht und jede Seite durch den Kakao zieht, wird ihm vom Gefühl her zur Last gelegt, dass er überhaupt Politik ins Spiel bringt, obwohl es das grundeigene Wesen des Kabarett ist.
Doch das größte Problem ist die Größe der Säle. Wenn Olaf Schubert vor weniger Publikum, sagen wir maximal 200 Menschen, auftritt, wird in jeder Ecke Deutschlands lauter gelacht als üblich. Überschreitet die Zuschauerzahl eine gewisse kritische Menge (Ausnahme in Sachsen – siehe oben), ist es so, dass es immer einen Teil im Publikum geben wird, der aus schon genannten oder auch unbekannten Gründen keine Lust hat, den verschwurbelten Gedankengängen vollends zu folgen. Die Summe aus alldem machte Olaf Schubert an diesem Abend das Leben schwer, was man ihm auf der Bühne auch anmerkte. Haut er manchmal innerhalb von zwei Minuten ein Feuerwerk aus abstrusen Wörtern und Schlussfolgerungen heraus, sodass man vom Lachen Bauchschmerzen bekommt, war an diesem Abend öfter Flaute am Segelmast und man hatte oft das Gefühl, dass er einfach seinen Standard abfährt, während andernorts die Flachsraketen im Minutentakt gezündet werden (Anmerkung: Flachsraketen sind in seinem Programm die Gags, die meist sehr spontan passieren und nicht in den eigentlichen Vortrag zu passen scheinen).
Gute Unterhaltung bietet Olaf Schubert aber immer noch, und langweilig wird es selten. Er packt wie gewohnt die aktuellen Probleme des Landes an, streichelt den Intellekt, und man geht ein Stück weit schlauer aus der Show, als man hineinging. An diesem Abend war leider zum größten Teil nur Standardware zu sehen, und der Improvisationsolaf trat nur selten in Erscheinung. Nach über fünf Jahren Sichtungsabstinenz seiner Bühnenprogramme (das letzte war So! im Jahr 2011 in der Nürnberger Tafelhalle), da sich ein gewisser Überdruss einstellte, tat es gut, den Landsmann mal wieder live auf der Bühne zu sehen. Das Programm ist allgemein sehr zu empfehlen und wieder sehr lustig geraten. Eine Empfehlung sollte zum Schluss ausgesprochen werden. Wenn man auf eine Liveshow von Olaf Schubert geht, sollten alle TV-Auftritte vermieden werden, um die Gags in der Show besser genießen zu können. Und nun auf in eine der Shows und lasst euch erklären, wie man mit Bremsen am weitesten fahren kann und was es mit dem Stehschrauber auf sich hat.
Pics © Amac Garbe (offizielle Pressebilder ais der Pressemappe der Olaf Schubert-Website
Wertung: 13/15 Kunstpalmen
(Wer das Programm sieht, weiß was gemeint ist.)