Carolyn Ives Gilman – Dunkle Materie (Buch)


Carolyn Ives Gilman - Dunkle Materie (Cover © Cross Cult)Die wichtigste Funktion der Literatur ist zu unterhalten. Was jedes Genre tut und dabei entsprechend jeden Geschmack bedient. Auch den von Lesern, die gerne etwas nachdenken wollen.

Science Fiction bedient ebenfalls diese Wünsche. Und nutzt dabei die Möglichkeiten, die es als literarische Kategorie hat, weidlich aus. Romane wie „Solaris“ oder Filme wie „Arrival“ funktionieren eben vor allem deshalb, weil das Fremde, das einen zum Denken anregt, nicht von der Erde kommt, bzw. der Reibungspunkt zwischen dem Irdischen und dem Außerirdischen entsteht.

Auch im Cross-Cult-Verlag erscheint jetzt mit „Dunkle Materie“ ein solches Buch. Geschrieben wurde es von Carolyn Ives Gilman, deren Werke mit den im SciFi-Bereich renommierten Nebula- und Hugo-Awards nominiert wurden. Dabei ist die Autorin hauptberuflich Historikerin. Sie arbeitet in Washington D.C. im National Museum of the American Indian und hat sich auf die nordamerikanische Geschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts spezialisiert. Ihre Romane beschäftigen sich mit Themen wie Geschlechterrollen oder der Dekonstruktion der Gesellschaft.

In der Zukunft ist das Erforschen des Alls einfacher und gleichzeitig schwerer geworden. Einerseits ist überlichtschnelle Kommunikation möglich und auch das Teleportieren von Materie über Lichtjahre selbst. Doch geschieht Letzteres eben nur lichtschnell, sodass viele Menschen manchmal jahrelang unterwegs sind, während die Gesellschaft sich verändert.

Saraswati Callicot hat sich für dieses Leben entschieden. Sie reist ungebunden von neu entdecktem Planeten zu neu entdecktem Planeten. Ein Freigeist, der eines Tages den Auftrag erhält, auf einer anderen Welt sicherzustellen, dass niemand die Expedition sabotiert. Denn dieser Sonnenkörper hat mehrere Besonderheiten: Zum einen besteht er aus dunkler Materie. Und zum anderen werden kurz nach ihrer Ankunft andere intelligente Lebensformen entdeckt. Allerdings geht es nicht mit rechten Dingen zu, als bald ein Crewmitglied ermordet wird. Niemand weiß, wer der Täter ist. Noch schlimmer ist es, als einer von ihnen auf der fremden Welt verschwindet. Ist die Mission zum Scheitern verurteilt?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist fast perfekt. Nur der Anfang verhindert eine Glanznote. Denn in den ersten Seiten meint Carolyn Ives Gilman eine Realität zu beschreiben, in der die Furcht vor dem Terrorismus die Gesellschaft in die absolute Überwachung getrieben hat, dies aber gleichzeitig mit der absoluten Freiheit verkauft wird. Es wäre sicher interessant gewesen, wenn die Autorin sich diesem Thema noch ein wenig ausgiebiger gewidmet hätte.

Doch schnell reist man mit der Protagonistin Saraswati auf die fremde Welt, in der nichts so zu sein scheint, wie man zunächst denkt. Es ist ein krasser Kontrast, der irgendwie nicht so recht zueinander passen will. Für einen Moment fühlt man sich wie verloren.

Bis die eigentliche Haupthandlung anfängt und man die verschiedenen Protagonisten kennenlernt. Man merkt den Genuss, mit dem die Autorin selbst die kleinste Nebenfigur ausgearbeitet hat. Jede von ihnen hat ihre Macken, ihre Ecken und Kanten. Sowas führt natürlich zu kleinen Reibungen, was jedoch nie eskaliert. Denn da ist ja noch diese fremde Welt mit einer ebenso fremden Zivilisation.

„Fremd“ ist wirklich alles, was man auf diesem Planeten vorfindet. Nicht alles wird auch erklärt. Oft genug muss man Dinge einfach so als gegeben akzeptieren, weil es nuneinmal so ist. Was allerdings in anderen Romanen frustrieren würde, funktioniert hier perfekt. Was vor allem an der Umgebung und an den drei wichtigsten, handlungstragenden Figuren liegt.

Saraswati Callicot ist dabei der zentrale Dreh- und Angelpunkt, der die Geschichte zusammenhält. Ein Freigeist, der sich in der für sich ungewohnten Rolle sieht, gleichzeitig der Forschung nachgehen zu können und insgeheim alles beobachten zu müssen, immer auf der Suche nach einem heimlichen Saboteur.

Thora Lassiter ist eine nicht minder faszinierende Figur. Eine unglaublich komplexe Frau, die einst auf einer fremden Welt als Göttin verehrt wurde, weshalb sie für geistig krank erklärt und behandelt wurde. Auch sie eckt überall an und ist doch diejenige, die die Anderen entdeckt und den Kontakt mit ihnen herstellt. Es ist interessant, ihre Gedanken zu lesen, in Rückblenden zu erfahren, was ihr widerfahren ist und warum sie so ist, wie sie ist.

Die Dritte im Bunde ist Motte, eine Einheimische. Durch sie und die Beobachtungen von Thora erfährt man die Besonderheit dieser Bewohner. Denn sie sind alle blind und nutzen ihre anderen Sinne, um sich zu orientieren. Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle die äußeren Eindrücke dabei spielen, wie man die Realität einschätzt und definiert.

„Dunkle Materie“ ist ein Buch, das einen immer wieder überrascht. Wiederholt lässt sich Carolyn Ives Gilman Sachen einfallen, mit denen man nicht gerechnet hat. Sie stellt die auf den Kopf, was man eben noch für gegeben hingenommen hatte. Und schneidet dabei gleichzeitig auch Themen an, mit deren Beschäftigung sie ganze Romane hätte füllen können, die hier aber nur gestreift werden. Was aber trotzdem nicht dazu führt, dass man frustriert oder Ähnliches ist. Man nimmt es hin, weil einen die ganze Atmosphäre und Handlung gefangen hält.

Trotz des miserablen Beginns sollte man sich dieses Buch zu Gemüte führen. Es ist aktuell einer der besten SciFi-Romane, die man im Cross-Cult-Programm finden kann.

Cover © Cross Cult

Wertung: 14/15 dpt

  • Autor: Carolyn Ives Gilman
  • Titel: Dunkle Materie
  • Originaltitel: Dark Orbit
  • Übersetzer: Markus Mäurer
  • Verlag: Cross Cult
  • Erschienen: 11/2016
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 384
  • ISBN: 978-3-95981-150-7
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeiten


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