Die Sex-Flüsterer – verraten ihre Geheimnisse zum Online-Dating (Buch)


„Die Sex-Flüsterer verraten die Geheimnisse des Online-Datings. Das unentbehrliche Erotik-Handbuch. Insider Wissen von Poppen.de“. Ja, Steffen Hafenmayer, Joachim Christian Huth und Christoph Streicher haben sich mit ihrem schmalen Ratgeber tatsächlich eine Menge vorgenommen. Sex aus seinem anrüchigen Schattendasein zu ziehen, bildet den Kern des Vorhabens, denn eigentlich könnte durch die Möglichkeiten des Internets alles so einfach sein. Ist es aber scheinbar nicht, und eben darum gibt es einen Ratgeber wie den vorliegenden, der Banales, aber auch Wissenswertes wortgewandt zu vermitteln weiß, dem aber – gemäß des eigentlichen Anliegens – eine größere Diversität und noch mehr selbstbewusste Seriosität gutgetan hätte.

Es ist das bekannte Paradoxon aus den Möglichkeiten des Internets und den gesellschaftlichen Grenzen, die sich die Menschheit trotzdem setzt. Wir haben online Zugang zu schier unendlichen sexuellen Potenzialen und doch bleibt der Kontakt zumeist im und um den Hinterzimmercharakter des Internets hängen. Dass beim Thema Sex noch immer der offene Umgang gescheut wird, ist an der im besten Fall augenzwinkernden Gesprächskultur abzulesen, die doch von einer gewissen Verklemmtheit zeugt, die wiederum Chancen auf sexuelle Erfüllung nimmt. Das geht gar soweit, dass auch das Online-Dating Spielregeln folgt, die mit denen aus der realen Welt eng verwoben sind.

An dieser Stelle hakt das Autorentrio Hafenmayer, Huth und Streicher ein, das aus den Warten von Humanwissenschaftlern, Kulturschaffenden und Wirtschaftlern auf die Sexwelt blickt. Als Manager lenken sie die Online-Plattform „Poppen.de“, die 2003 von drei gerade volljährigen Brüdern auf die Beine gestellt wurde und haben sie zu einer Marke im Erotikbereich ausgebaut, die mittlerweile mehrere Websites und Apps mit einer mehrere 10.000 User zählende Community umfasst. Die Strategie wird nun durch ein Buch ergänzt, das zur Steigerung der Erfolgsquote beim Partnerfang mithilfe ihrer Dienste beitragen soll. Dafür schlüpfen sie in die Rolle der „Sexflüsterer“, die die dazugehörigen Geheimnisse verraten.

Es muss scheinbar also immer noch geflüstert werden, wenn es um Sex geht, zum einen aus einem Geschäftssinn heraus, zum anderen weil der Geschlechtsakt weiterhin auch verbal im Alltag ausgespart wird. Wie der Flirt oder gar die Verführung gelingt, bleibt eine Expertise, die als Teil der Attraktivität des Gegenübers konstruiert wird. Damit lässt sich Geld verdienen, es werden aber zugleich Machtstrukturen und gesellschaftliche Ungleichheiten reproduziert. Das Versprechen des von Anonymität geprägten Internets, gesellschaftliche Zwänge hinter sich zu lassen, scheint sich nicht immer einlösen zu lassen.

Schlussendlich geht es weiterhin darum, sich verkaufen zu können, was erst mal nicht verwerflich ist. Gerade die sexuelle Anziehungskraft generiert sich aus Charakterzügen wie Sicherheit, Humor und Charisma, doch gleichermaßen werden gewisse Konstruktionen nicht in ausreichendem Maße hinterfragt. Gerade die heterosexuellen Spielarten sind mehrheitlich von starren Männer- und Frauenbildern dominiert, die wenig Platz für andere Formen von Attraktivität und ihrer Artikulation lassen. Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, dass Frauen wieder häufiger zur Bedingung machen, dass der Mann sportlich zu sein und über eine ordentliche Ausstattung zu verfügen hat und Männer nur einer formschönen Frau eine Chance geben.

Das soll nun nicht heißen, dass wir nicht allen unseren persönlichen Schönheitsvorstellungen nachhängen dürfen, doch häufig überlappen sich gesellschaftliche und individuelle Ideale, obwohl das Internet eigentlich genug Freiräume bietet, um auf individueller Ebene zu experimentieren. Den Sexflüsterern zufolge ergibt sich aber auch online eine Marktlogik, die sich im Falle einer Großplattform wie „Poppen.de“ nicht wesentlich von der Partnersuche offline unterscheidet. Das Profil muss stimmen, darf nicht zu lang und nicht zu kurz sein, das Profilfoto sollte bestimmten Normen entsprechen und ohne Flirttricks geht sowieso nichts. Lieber nur mal auf dem Profil der Angebeteten vorbeischauen, aber nicht anschreiben. Bei Interesse wird sie schon von selbst kommen.

Die Sexflüsterer schließen zwar nicht explizit den anderen Weg aus, doch auch sie gehen in ihrem Fokus auf heterosexuelle Bekanntschaften davon aus, dass ein Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau besteht, was den ersten Schritt angeht. Daraus ergibt sich, dass sich die meisten Dating-Tipps an das männliche Geschlecht richten. Das mag der mehrheitlichen Praxis entsprechen, doch hier hätte die Perspektive einer Autorin sicher einige spannende Einsichten geliefert. Zudem fehlt der Blick über den Tellerrand und die Frage an die Community, ob es denn nicht anders sein darf oder eben sollte.

An den Befragungen, auf denen der Ratgeber aufbaut, haben sich zwischen ca. 12.000 und 43.000 User von „Poppen.de“ beteiligt, was in der soziologisch motivierten Erforschung der Sexualität ein unschätzbares Potenzial darstellt. Allerdings räumen die Autoren selbst ein, dass aufgrund der Funktionsweisen des Forums und des Internets nur schwer zu beurteilen ist, wie belastbar die Daten schlussendlich sind. Ferner erheben sie keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, sondern versuchen sich an einem kurzweiligen, locker geschriebenen, aber durchaus ernst gemeinten und ansprechend artikulierten Ratgeber. Insofern gelingt es mit „Die Sexflüsterer verraten…“, den schmuddeligen, teils peinlichen Literaturversuchen zum Thema Sex etwas Seriöses entgegenzusetzen.

Doch das Buch hätte noch viel mehr zum Auftauen der Thematik beitragen können, wenn es sich noch mehr auf seine Inhalte verlassen und sich noch stärker an einer selbstbewussten Ernsthaftigkeit gehalten hätte. Die Idee hinter „Poppen.de“ ist ja, den Umgang mit Sex zu entkrampfen und diese Idee in die Gesellschaft zu tragen. Diese teilweise Normalisierung sollte auch mit einer Normalisierung der Sprache einhergehen, die irgendwann ohne Schutzmechanismen wie das obligatorische Ironisieren auskommen kann.

Zwar nimmt im Online-Bereich das Niveau auch gerne mal stark ab, doch dass dumme Anmachsprüche à la „Ficken?“ und das ungefragte Rumschicken von „Dickpics“ genauso selten funktionieren wie im analogen Leben, ist doch ein allzu trivialer Ratschlag. Wer nicht selbst zu dieser Erkenntnis gelangt, dem dürfte auch dieser Ratgeber nicht helfen. Statt diese Hinweise mehrfach zu unterstreichen, sollte sich das Buch verstärkt auch an diejenigen wenden, die sich trotz allem nicht trauen, sich in den umkämpften Markt zu begeben.

Zwar werden anregende Alternativen wie BDSM und Outdoorsex beleuchtet, doch bis dahin muss man ja erst mal kommen. Einzig das Kapitel zu realen „sexpositiven Parties“ schneidet an, dass es eigentlich in den richtigen Situationen egal ist, wer du bist und wie du aussiehst, du aber trotzdem auf andere attraktiv wirken kannst. Genau das Potenzial des Internets. Ansonsten herrscht im Ratgeber ein Fokus auf die Mehrheit und ihre Vorlieben vor, der sicher nicht ausschließend gemeint ist, der bisweilen jedoch einschüchtern auf diejenigen wirken kann, die noch anderen Praktiken nachhängen, als den im Buch als teilweise extrem konstruierten Altersunterschieds- und Wifesharing-Fantasien. Irgendwie – so wirkt es bei der Lektüre von „Die Sex-Flüsterer verraten…“ – darf man bei all der Vielfalt, die geboten wird, eben auch im Internet doch nicht so sein, wie man ist. Eine durchaus spannende Erkenntnis, die an anderer Stelle intensiver auch aus wissenschaftlicher Perspektive nachgegangen werden sollte. Im Ratgeber fehlen aber die wichtigen Hinweise auf Unterforen, in denen sich die Minderheiten tummeln.

Nun bildet das Buch vermutlich einen ersten Aufschlag, sich dem Thema Sex etwas nüchterner zu nähern und das gelingt den Sex-Flüsterern durchaus. Der Ratgeber zur Anbahnung ist nach 43 von 159 Ratgeberseiten abgefrühstückt, danach vertiefen sich die Autoren in verschiedene Sexpraktiken, geben durch informative Tipps, liefern ein ABC sowie interessante Statistiken, die im Anhang nachvollzogen werden können. Vom eher handelsüblichen Blowjob über BDSM-Praktiken bis schließlich zu mehr oder weniger aufregender Zukunftsvisionen bieten die Sexflüsterer einen kurzweiligen Abriss über ausgewählte Möglichkeiten, wie Sex auch anders zu denken ist.

Für den Durchschnittsuser dürfte das genug sein, um einen Kaufanreiz zu sehen, der wahrscheinlich weiterhin auch am „verbotenen Charakter“ festzumachen ist. Für die Sexflüsterer ist es ja auch nun mal ihr Geschäft, möglichst viele potenzielle Lesende anzusprechen und mit ihrem Ratgeber Geld zu verdienen. Einer fundamentalen Kritik der Verhältnisse und einem Wunsch nach Revolution müssen die Autoren auch nicht nachgehen, doch trotzdem wäre das Ausleuchten von mehr weniger verbreiteten Spielarten lohnenswert gewesen – und wenn es nur der Anregung der eigenen Fantasie dient. Aber vielleicht kommt es in möglichen Folgebänden zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung, für die die Sex-Flüsterer hier eine solide Basis schaffen.

Fazit: „Die Sex-Flüsterer verraten…“ gibt dem Otto-Normal-Sexaktiven einige Ratschläge und Anregungen an die Hand, um sich in der bunten Erotik-Welt des Internets zurechtzufinden. Manches ist banal, anderes orientiert sich an fragwürdigen Zielgruppen, doch die Mischung aus lockerem Schreibstil und ernstem Anliegen weiß zu gefallen. Als ein erster Aufschlag, um den Umgang mit Sex zu entkrampfen, kann der Ratgeber punkten, doch ein noch selbstbewussteres Buch hätte dabei noch mehr erreichen können. Hafenmayer, Huth und Streicher zeigen sich daran interessiert, die User ihrer Angebote rund um „Poppen.de“ zu verstehen, orientieren sich aber zu stark an der Mehrheit, an Männern und an heterosexuellen Beziehungen. Ein kommender Ratgeber sollte darauf vertrauen, dass auch aus den Minderheiten mindestens Interessantes und für die Betreffenden Befreiendes zu ziehen ist.

Cover © lebe.jetzt Ratgeber

  • Autor: Steffen Hafenmayer, Joachim Christian Huth, Christoph Streicher
  • Titel: Die Sex-Flüsterer – verraten ihre Geheimnisse zum Online Dating. Das unentbehrliche Erotik-Handbuch.
  • Verlag: lebe.jetzt Ratgeber
  • Erschienen: 09/2018
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 192
  • ISBN: 978-3964770387
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: 8/15 dpt


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