Markus Heitz: Die schwarze Königin (Buch)


Markus Heitz war mir bisher nur durch seine “Die Zwerge”-Reihe bekannt. Gelesen habe ich diese bisher aber nicht. Als nun ein Buch von ihm über Vampire angekündigt wurde, stand meine Entscheidung schnell fest, dass das mein erster Heitz werden sollte.

Es handelt sich im Buch teils um historische Fantasy, teils um Urban Fantasy, wobei beide Erzählstränge miteinander verwoben werden.

1400: Barbara von Cilli lernt Vlad, den Vater des späteren Pfählers Vlad II. (der als Vorlage für Bram Stokers Graf Dracula gilt) kennen. Die beiden verbindet der Kampf gegen die Strigoi, grausame blutsaugende Wesen, die in Städten unter der Erde ihr Unwesen treiben.

2023: Len tritt, in Vertretung für seine erkrankte Großmutter, eine Busrundreise in ihre alte Heimat Siebenbürgen an. Unter anderem behauptet seine Großmutter, dass Len ein direkter Nachfahre von Vlad II. und somit ein Draculesti sei. Len glaubt nicht daran. Nach ebenso mysteriösen wie furchteinflößenden Ereignissen in Prag beginnt er aber zu zweifeln. Gemeinsam mit einer Historikerin macht er sich auf Spurensuche.

Markus Heitz ist (unter Anderem) studierter Historiker, dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass die historische Grundlage seines Buches extrem gut recherchiert erscheint (erscheint, weil ich als Nicht-Expertin das natürlich nicht allumfassend beurteilen kann). Seine Recherche endet aber nicht bei der Kleidung des Mittelalters und dem Leben von Barbara von Cilli und Vlad I. Genauso hat er sich mit alchemistischen Grundlagenwerken der damaligen Zeit auseinandergesetzt und diese in sein Buch eingewoben. Für andere eher nebensächlich, für mich aber auffällig, da es in anderen Fantasywerken häufig nicht beachtet wird und von einem “Pferdemädchen” natürlich bemerkt wird: auch korrekte Reitweise und das Verhalten eines Pferdes wurden gut recherchiert und dementsprechend im Buch richtig beschrieben. Zusätzlich gab es noch einige Infos über Vampire, die mir bisher nicht bekannt waren. Z. B. wusste ich nicht, dass der Zählzwang von “Graf Zahl” aus der “Sesamstraße” Theorien und Mythen über Vampire entspringt.

Der imposante Schreib- und Sprachstil der historischen Abschnitte hat mich schon auf den ersten Seiten gefangen genommen und eine regelrechte Sogwirkung erzeugt. Markus Heitz ist es dort bereits gelungen, eine gruselig, mystische Atmosphäre aufzubauen. Auch im Prag der Gegenwart gelingt ihm das gut, wobei ich sagen muss, dass die Urban-Fantasy-Abschnitte für mich deutlich abfielen. Das mag aber auch daran liegen, dass ich persönlich immer Schwierigkeiten habe, mich auf Urban Fantasy einzulassen. Ich habe aber auch die ständig neu auftauchenden Antagonisten in der Gegenwart häufig nicht zuordnen können – vor allem nicht wenn diese dann auch noch Gestaltwandler waren oder sich einen Decknamen gaben, der im Buch schonmal auftauchte. Die Vampirjagd in der Gegenwart hat ein wenig was von Zombie-Apokalypse. Kann man mögen, muss man aber nicht.

Markus Heitz baut mit den zwei Handlungssträngen eine hoch komplexe Welt mit vielen Nebenschauplätzen auf. Allgemein konnte ich der Handlung teilweise nicht folgen oder habe mich gefragt, ob ich etwas überlesen habe. So z. B. wenn eine Vampirin plötzlich doch wieder normales Essen genießt, obwohl vorher betont wurde, dass sie nichts schmeckt. Oder wenn ein Wesen ein Artefakt nicht anfassen kann, jemand der sein Blut in sich hat, aber schon. Oder wenn aus Halbschuhen zwei Seiten weiter Stiefel werden … Ob das nun tatsächliche Plotholes und Lektoratsfehler sind oder ob ich zu unaufmerksam gelesen habe, lässt sich hier nicht beantworten.

Interessant fand ich, dass keiner der Charaktere (außer Klara vielleicht, die aber bis kurz vor Schluss nur eine Nebenrolle spielt) als wirklicher Sympathieträger geschrieben wurde bzw. ich nicht mit ihnen warm wurde.

Len ist eigentlich ein klassischer Antiheld: eher schmächtig und ängstlich, gefangen in Schuldgefühlen und Traumata. Mir überwindet er diese dann aber zu schnell und trifft immer wieder dumme Entscheidungen, bei denen die Lesenden schon von vorneherein wissen, dass das nicht gut gehen kann.

Die Professorin ist mir persönlich zu mysteriös. Hätte man mehr über ihre Vergangenheit erfahren, wäre sie u. U. nahbarer geworden.

Barbara von Cilli ist zwar, was man heute wohl als “Power-Frau” bezeichnen würde, allerdings ist sie auch ein bisschen obsessiv und steht den Strigoi, die sie jagt, in punkto Grausamkeit in nichts nach. Gegen sie wirken die Strigoi (zumindest die männlichen) und auch Dämonen alle ein wenig tumb und naiv und handeln unüberlegt. So richtig hassen lernt man sie auch nicht, da ihre grausamen Taten nur vage umschrieben oder angedeutet werden. Sehr interessant fand ich aber Barbaras Forschungen zu Astronomie und Alchemie.

Mein liebster Charakter war tatsächlich Malphas, der dämonische Rabe. Auch wenn dieser Barbara genauso wenig entgegenzusetzen hat wie alle anderen.

Sehr gut gefallen hat mir, dass es Markus Heitz ein Anliegen gewesen zu sein scheint, nicht die männliche Sicht der Geschichtsschreibung zu reproduzieren. Im Buch ist es immer wieder Thema, dass Barbara von Cilli den mächtigen Männern zu klug ist und deswegen eine Gefahr für sie darstellt und dass das zu Gerüchten und Verleumdnung führt. Auch gendert er im Buch ganz natürlich (ohne Genderstar oder Doppelpunkt) und positioniert sich durch seine Figuren gegen Antisemitismus und die Vorurteile, die gegen diese teilweise heute noch bestehen. Dass einem Muslim im Buch jedoch Schweinefleisch untergejubelt wird, kann vermutlich eher kritisch gesehen werden.

Allgemein hat mich das Buch gut unterhalten und ich werde definitiv auch andere Bücher des Autors lesen. Allerdings lässt es mich auch mit vielen offenen Fragen zurück und dem Ende nach, wäre eine Fortsetzung als Reihe auch nicht ausgeschlossen.

  • Autor: Markus Heitz
  • Titel: Die schwarze Königin
  • Verlag: Knaur
  • Erschienen: 08/2023
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 537
  • ISBN: 978-3-426-22781-7
  • Sonstige Informationen:
  • Erwerbsmöglichkeiten

 


Wertung: 9/15 dpt

 


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