Kai Meyer – Die Bibliothek im Nebel (Buch)


Nach “Die Bücher, der Junge und die Nacht”, welches im November 2022 erschien, entführt Kai Meyer uns erneut in die Welt des graphischen Viertels in Leipzig – und darüber hinaus nach Südfrankreich, Paris, St. Petersburg und Karelien, ein Landstrich der durch die finnisch-russische Grenze geteilt wird. Dabei begegnen wir als Nebenfigur auch wieder einem alten Bekannten (den ich auf Grund seiner skurrilen Art sehr ins Herz geschlossen habe), trotzdem lassen sich beide Bücher unabhängig voneinander lesen und haben inhaltlich nur zwei Gemeinsamkeiten: die Liebe zu Büchern und die Faszination für das graphische Viertel.

Wie auch das Vorgängerbuch spielt “Die Bibliothek im Nebel” auf mehreren Zeitebenen, die letztendlich alle miteinander zusammenhängen. 1917: Der junge russische Bibliothekar Artur flieht aus St. Petersburg vor der tobenden Revolution nach Leipzig, und findet Unterschlupf bei der zukünftigen Schwiegerfamilie seiner großen Liebe Mara. Côte-d’Azur 1928: Die kleine Liette findet auf dem Dachboden eines Hotels die Habseligkeiten russischer Touristen, die diese nach dem Krieg nie abgeholt haben. Darunter auch ein geheimnisvolles, mit einer Kette verschlossenes Buch. 1957: Liette ist mittlerweile erwachsen und Besitzerin des Hotels in Südfrankreich. Sie beauftragt den zwielichtigen Thomas Jansen, die rechtmäßige Besitzerin des verschlossenen Buches ausfindig zu machen. Doch auch Liette hütet ihre eigenen Geheimnisse …

Das Genre dieses Buches (oder besser, dieser Buchreihe, denn Kai Meyer schreibt schon an einem dritten Teil) ist nicht mit einem Wort zu fassen. Historischer Roman, Familiensaga (aber ohne den üblichen Kitsch und die teilweise schlechte Recherche), Kriminalroman mit schaurigen und okkulten Elementen und zusätzlich noch Liebesgeschichten, die die Zeiten überdauern und eine allumfassend spürbare Liebe zu Büchern im Allgemeinen – all das vereint er in nur einem Buch. Gleichzeitig erschafft Herr Meyer durch eindrückliche Vergleiche beim Lesen Bilder im Kopf, die zumindest mich nicht so schnell wieder loslassen. Hin und wieder fühlte ich mich an den Stil von Carlos Ruiz Zafón erinnert, allerdings wird es nie kitschig und bringt einen stattdessen hin und wieder eher zum Schmunzeln. Kai Meyer schreibt auch in diesem Buch nahbare Figuren, die Fehler haben, die man manchmal nicht so richtig leiden kann, ganz fürchterlich findet oder die einem, mit all ihren teils merkwürdigen Eigenarten, ans Herz wachsen.

Wenn ein Buch auf verschiedenen Zeitebenen spielt, kann es schnell verwirrend werden. Nicht so in diesem. Die Geschichte und die Geheimnisse von Artur, Mara und Liette setzen sich Stück für Stück für die Lesenden zusammen und warten mit einigen Plottwists auf. Teilweise wissen die Lesenden mehr als die aktuell handelnden Protagonist*innen, die gerade versuchen, die Vergangenheit zusammenzupuzzlen, das nimmt der Geschichte aber nie die Spannung.

Im Epilog erhascht man dann noch einen Rückblick auf den Beginn von “Die Bücher, der Junge und die Nacht” und erfährt so, wie es mit einer bestimmten Person weitergeht.

Kleine Abzüge in der B-Note gibt es für mich dafür, dass Südfrankreich im Februar so beschrieben wird, als würden dort hochsommerliche Temperaturen herrschen, die kurze Kleidung, Sonnenbaden und Cabriofahrten ermöglichen – die Höchsttemperaturen liegen auch dort durchschnittlich bei zwölf Grad und ich bezweifle, dass das im letzten Jahrhundert anders war. Auch, dass man an Fußspuren das Geschlecht eines Menschen erkennen kann und die in einer kleinen Szene reproduzierten Vorurteile gegenüber fahrendem Volk haben sich mir (auch nicht hinsichtlich des viel beschworenen Zeitgeistes) nicht erschlossen.

Das ist letztendlich aber Jammern auf ganz hohem Niveau – ich habe das Buch nämlich innerhalb von wenigen Tagen verschlungen und kann es absolut weiterempfehlen! Mir hat es sogar noch besser gefallen als “Die Bücher, der Junge und die Nacht” letztes Jahr und ich bin sehr gespannt auf das dritte Buch!

  • Autor: Kai Meyer
  • Titel: Die Bibliothek im Nebel
  • Verlag: Knaur
  • Erschienen: 2023
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 556
  • ISBN: 978-3-426-22808-1
  • Sonstige Informationen:
  • Erwerbsmöglichkeiten


Wertung: 13/15 dpt


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