The Prosecutor (Film, DVD/BluRay)

Ursprünglich war „The Prosecutor” wohl als profanes Gerichtsdrama geplant, was man dem Endprodukt auch ansieht. Doch wenn man einen Film gerne mit Donnie Yen und einer Gerichtsperücke besetzen möchte, wie geht man am besten vor? Genau, man lässt ihn Regie führen, was er seit 1994 mehr als ein halbes dutzendmal getan hat, und erlaubt ihm das dialoglastige Geschehen ordentlich mit Action aufzupeppen.

Und das ist auch gut so, denn die Gerichtsszenen sind zwar solide ausgestattet und gefilmt, bieten aber nur stereotype Standardkost, mit großen Gesten und verwirrenden Einsichten ins chinesische (noch stark von „Rule Britannia“-geprägte) Justizsystem versehen.

Yen spielt den Ex-Cop Fok Chi-Ho, der nach dem unbefriedigenden Ende eines Großeinsatzes, Jura studiert, um fortan als Staatsanwalt die Strafverfolgung effektiver umsetzen zu können. Nach sieben Jahren ist es soweit, er bekommt seinen ersten Fall vorgesetzt und legt sich gleich mit dem verantwortlichen Richter und den gegnerischen Anwälten an. Doch nicht, weil er den Angeklagten mit der vollen Wucht des Gesetzes bestrafen will, sondern weil er diesen für ein Opfer gerichtlicher Willkür und unlauterer Machenschaften hält. Womit er völlig richtig liegt, aber erst einmal den vorsitzenden Richter gegen sich aufbringt. Denn ein Staatsanwalt, der eher als Verteidiger arbeitet, ist eine gewöhnungsbedürftige Angelegenheit.


Doch für Fok gilt: „Üb immer Treu und Redlichkeit“ oder wie es im Film heißt: Sei „stark und treu„, egal auf welcher Seite man vorm Richtertisch steht. Das ist gut für den jungen Ma Ka Kit, der aus schwierigen Verhältnissen stammt, bei seinem Großvater lebt und bei der Annahme eines Paketes aus Brasilien verhaftet wurde. Dessen Inhalt sich als ein Kilo Kokain entpuppt. Zunächst erklärt er wahrheitsgemäß, dass er nur einem Bekannten einen Gefallen bei der Paketübernahme getan und seine Adresse zur Verfügung gestellt hat. Doch ein windiges Anwaltspaar rät ihm zu einem Schuldeingeständnis. Das würde das Verfahren und die Untersuchungshaft beschleunigen, und als reuiger Täter gäbe es eine milde Strafe, die schneller abgesessen wäre als ein langwieriger Prozess bei Unschuldsbehauptung dauern würde. Der naive Ma geht darauf ein und sieht sich alsbald mit einem Urteil von 27 Jahren konfrontiert.


Doch da spielt der redliche Anwalt nicht mit, vor allem als der nette Großvater von bösen Schergen aus der Unterwelt massiv bedroht wird. Natürlich entlarvt er eine weitreichende Verschwörung, in die auch das Anwaltspärchen verwickelt ist und macht Jagd auf die wahren Drahtzieher. Und das ist der Punkt, an dem die wohldosierte, brachial und stark inszenierte Action einsetzt. Denn Donnie Yen aka Staatsanwalt Fok Chi-Ho hat seit seinen Polizei- und Ip man-Tagen nichts verlernt. Und so zerlegt er Widersacher um Widersacher, um am Ende einen malträtierten Entlastungszeugen vor Gericht präsentieren zu können.


Die Actionsequenzen sind, bei der vorhandenen Kompetenz erwartbar, wuchtig und erstaunlich knackig. Fok legt sich zwar mit zahlreichen Gegnern gleichzeitig an, räumt sie zahlreich aus dem Weg, muss aber selbst auch ordentlich einstecken. Die Kämpfe ufern, wie sonst so gerne im Hongkong- und artverwandten Kino, nicht in breit ausgedehnte Haudrauf-Choreographien aus, was sehr wohltuend ist. Selbst brechende Knochen und tödliche Wunden bleiben die Ausnahme.
Ungewöhnlicherweise steht am Ende – Vorsicht SPOILER! – kein letales Finale, sondern eine Verhaftungswelle mit langjährigen Gefängnisstrafen. Hier setzt sich das Justizdrama durch.

Das der Schwachpunkt des Films ist. Zwar ist der Gerichtssaal innenarchitektonisch schön gestaltet, worauf das Making of begeistert hinweist, und die Perücken sehen knuffig aus. Doch der zugrundeliegende Konflikt ist verworren bis unglaubwürdig, die sich daraus ergebenden Rededuelle sind plakativ, pathetisch und reichlich platt. Das Versagen der Gerichtsbarkeit ist keine systemische Angelegenheit, sondern der Bequemlichkeit, Sturheit und merkwürdigen Rechts-Interpretationen der Beteiligten geschuldet. So wird zwar die Divergenz zwischen Recht und Gerechtigkeit bemüht, aber nur oberflächlich abgehandelt.

Die Rolle der jeweiligen Funktionsträger bleibt mysteriös. So vertreten die beiden Anwälte, die unseren jungen Angeklagten schlecht beraten, ihn nicht vor Gericht, der anwesende Robenträger bleibt nahezu untätig. Letztlich übernimmt Staatsanwalt Fok die Verteidigung. Was natürlich nicht seine Aufgabe ist und den anwesenden Richter brüskiert. Der per se eine eigentümliche Rechtsvorstellung hat und sich lieber lange darüber auslässt, wer ihn „großer Richter“ statt einfach „Herr Richter“ nennen darf (gilt nur für Personen, die den Richter vor 1997 kannten. Bis dahin war die „große“ Anrede üblich).


Das ist alles ganz solide gespielt, vermittelt aber kaum Intensität und Spannung. Was auch daran liegt, dass die Charakterzeichnungen ziemlich holzschnittartig sind. Die Guten sind richtig gut, die Bösen elende Triebmenschen, der unschuldig Angeklagte ist ein liebenswerter Loser, ansonsten herrscht selbstzufriedene Mittelmäßigkeit. Lediglich der kriminelle Anwalt Au Pak Man bekommt ein paar widersprüchliche Facetten spendiert, die sein Darsteller Julian Cheung effektiv auslebt. Seine ebenso schändliche Kollegin Lee Sze Man (Shirley Chan) wird indes vom Skript vergessen und verschmort im Abseits.

So ist „The Prosecutor“ ein professionell gefilmtes Hochglanzprodukt, besonders in den Actionpassagen visuell einfallsreich (wie beim Ego-Shooter-Effekt zu Beginn, der glücklicherweise nicht überreizt wird), dessen intellektuell eher tieffliegenden Gerichtspassagen durch die sportiven Einlagen ausgeglichen werden. Hält bei Laune und man kann ja die Justizveranstaltung mit kleinen heimischen Teezeremonien auflockern. Oder so.

Wie üblich heißt der größte Pluspunkt Donnie Yen, der auch mit fast 60 noch jungenhaften Charme besitzt und dessen Darstellung (meist) ohne Overacting á la Jackie Chan auskommt. Man nimmt ihm sogar ab, sieben Jahre lang die Universitätsbank zu drücken, bevor es als Berufsanfänger weitergeht.


Spannender als der Film ist allerdings die Frage, ob es nach dem „Ballerina“-Flop das angekündigte John Wick-Spin-off mit Yens Figur Caine auf die große Leinwand schaffen wird. Bis dahin bleiben wir unverbrüchlich stark und treu.

Cover+ Bilder  © Plaion Pictures

  • Titel: The Prosecutor
  • Originaltitel: Ng poon
  • Produktionsland und -jahr: Hongkong/China
  • Genre: Gerichtsdrama, Polizeifilm, Action
  • Erschienen: 28.08.2025
  • Label: Plaion Pictures
  • Spielzeit:
    ca. 117 Minuten auf 1 BD
    ca. 112 Minuten auf 1 DVD
  • Darsteller: Donnie Yen
    Michael Hui
    Julian Cheung
    Francis Ng
    Kent Cheng
    Michael Hui
    Bao Ding
  • Regie:  Donnie Yen
  • Drehbuch: Pak Wai Lam
    Edmond Wong
  • Kamera:  Man Nok Hong
  • Schnitt: Ka Wing-Li
  • Musik: Choi Chul-Ho
  • Extras Making Of, Behind The Scenes, Teaser, Trailer, Trailershow
  • Technische Details (DVD)
  • Video: 2.39:1 (16:9)
  • Sprachen/Ton:  Deutsch, Englisch, Dolby Digital 5.1
  • Untertitel: Deutsch
  • Technische Details (Blu-Ray)
  • Video: 2.39:1 (16:9)
  • Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS-HD Master Audio 5.1
  • Untertitel: Deutsch
  • FSK:  16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

Wertung: 8/15 dpt

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