Wenske/Hyde – Black Eyes – Indonesier-Bands in Germany (Buch)

Auf der unterhaltsamen und informativen Website „everynoise.com“ kann man sich Beispiele aus den obskursten Musikgenres anhören. Kurze Soundschnipsel „Ukrainischen Post Punks“ gefällig? Oder „Turkce Kadin Rap“, „Bubblegum Bass“, „Balikpapan Indie“ und vieles mehr. Selbst „Indonesian Punk“ und „Indonesian Ska“ sind zu finden. Was fehlt, sind Einträge zu „Indo Rock“ (zumindest nach eigener Recherche). Was bedauerlich ist, denn zumindest für ein halbes Jahrzehnt (von 1959 bis 1964) war Indo-Rock eine heiße Nummer. Allerdings ausschließlich in Deutschland.

„Indo Rock“ ist die saloppe Bezeichnung für ein kulturelles Phänomen. Meist behütet aufgewachsen als Kinder „holländischer Kolonialherren und eingeborener Mütter“, wurden die späteren Musiker nach dem Umzug in die Niederlande mit Rassismus und daraus resultierender Gewalt konfrontiert, bis die Vermittlung des späteren BLACK DYNAMITE-Drummers Henny Heutink für einen brüchigen Frieden sorgte.

Nicht alle Musiker besaßen indonesische Wurzeln:

„Allerdings ist die Bezeichnung Indo Rock nicht eindeutig definiert […] Sobald ein, zwei Indos in ‘ner Band Musik machten, ist das für die Leute Indo Rock“. Egal ob die Pop, Reggae, Country oder Rock spielen. […] Die Musik der Indo-Bands war vor allen Dingen durch die kompakte Spielweise von Bass, Schlagzeug und Rhythmus-Klampfe geprägt.“

Kennzeichnend war auch die Besetzung mit zwei Leadgitarristen und die Verwendung neunsaitiger Gitarren. Gesang kam vor, war aber nicht essenziell.

Glücklicherweise gibt es den phantasievollen Künstler, legendären Covergestalter, Autoren und Rock’n‘Roller Helmut Wenske (wieder aka Chris Hyde), der dem Genre mit „Black Eyes – Indonesier-Bands in Germany“ ein maßgebliches Buch gewidmet hat. Ein wieder vorzüglich aufgemachtes Werk voller großformatiger Bilder, sowohl von Konzerten und on the road wie in privaten Momenten entstandene Schnappschüsse von beteiligten Musikern, Familien, Freunden und Weggefährten. Dazu Texte, die Entstehung und Weg des „Indo Rocks“ zeichnen, ergänzt um Anekdoten und biographische Skizzen. Eine wahre Fundgrube, die den wichtigsten Bands und ihren wechselhaften Geschichten anerkennenden Tribut zollt. Die wichtigsten Gruppen wie die TIELMAN BROTHERS, THE CRAZY ROCKERS, THE BLACK MAGIC, THE BLACK DYNAMITES und THE JAVALINS bekommen eigene Kapitel.

Wenske verweist darauf, dass es die explosiven Bühnenshows, die extraordinär große Zahl an Auftritten, das ausgefeilte Musizieren (mit Einflüssen der Gamelan-Musik und anderen Faktoren) im Verbund mit einem gehörigen Maß an Charisma, für den kurzzeitigen Ruhm sorgten. Vom Einfluss auf andere, später angesagte Bands aus England und den Staaten ganz abgesehen (anyone remember THE BEATLES oder Jimi Hendrix?). Was auf Platte landete, war leider nur ein müder Hauch, der bestenfalls eine vage Ahnung von der damaligen Strahlkraft des Indo Rocks vermittelte. Trotzdem sei zumindest eine Auswahl der zahlreichen Sampler wärmstens empfohlen.

Noch empfehlenswerter ist als Ergänzung der niederländische Film „Rocking Ramona“ (mit englischen Untertiteln), der
voller spannender Interviews mit beteiligten Musikern, bis hin zum eloquenten Jan Akkerman, ist und auch die musikalischen Besonderheiten des Indo Rocks aufzeigt. Zudem Auszüge von Konzerten zeigt, die ahnen lassen, warum die niederländischen Bands und ihre Musik in den frühen Sechzigern (zu Recht) für Aufsehen und mittleren Aufruhr sorgten. Oder, um es anders zu sagen, Hanau*, nur einen Schritt entfernt von einer wahren „Indomania“.

FAZIT: „Black Eyes – Indonesier-Bands in Germany“ von Chris Hyde/Helmut Wenske ist faszinierendes Zeitdokument und hochunterhaltsame Lektüre zugleich. Wer noch nie von Indo Rock gehört hat, weiß anschließend, warum das höchst bedauerlich ist, alle anderen können sich glücklich schätzen und sind nach dem Zuklappen des Buches noch glücklicher. Höchste Empfehlungsstufe, was Aufmachung und Inhalt angeht.


Das hochwertige Produkt gibt es mittlerweile für schlappe 20 Euro neu zu kaufen.

* Wer mehr zur Bedeutung der ehemaligen Garnisonsstadt Hanau als Rock’n’Roll-Metropole erfahren möchte, dem seien die Dokumentarfilme „Roll over Hanau“ und „Shakin´ all over: Helmut Wenske – ein Leben gegen den Strich“ empfohlen. Letztere widmet sich ausführlich dem Wirken des, im wahrsten Wortsinn von seiner Heimatstadt, ausgezeichneten Helmut Wenske.

    Cover   © Hirnkost-Verlag

    Wertung: 14/15 dpt

    Teile diesen Beitrag:
    Schreibe einen Kommentar

    Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Ähnliche Beiträge

    Du möchtest nichts mehr verpassen?
    Abonniere unseren Newsletter!

    Total
    0
    Share