Ein Konzertbericht von Lila Liechtenstein & Roland van Oystern
Høyem ohne Gott
Das Wichtigste im Leben ist, dass man immer satt, ausgeschlafen und trocken ist. Wenn das gesichert ist (und erst dann), kann man in ein Auto steigen, nach München in den Club Ampere fahren und mit anderen satten, ausgeschlafenen und trockenen Menschen einem Konzert beiwohnen. Der Anreise, samt aller Unwägbarkeiten, gilt es große Sorgfalt zuzuwenden. Die lückenlose Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sollte durch entsprechende mittel- bis langfristige Planung gewährleistet sein. Trotz des gegenwärtigen Standes der Produktivkräfte hat der Markt noch keine automobilkompatiblen Lebensmittelmaschinen hervorgebracht; das ist bedauerlich. Empfohlen sei deshalb die Befüllung eines Rucksackes mit ausreichenden Mengen an Verzehrbarem.
Der Club Ampere schreibt sich ohne Accent grave, der Club ist also nach der SI-Einheit benannt, nicht nach dem Menschen, denn die nach dem Menschen benannte SI-Einheit wird ohne Akzent geschrieben; dem liegt aber sicher keine generelle Richtlinie zugrunde, denn beim Ångström ist der noch viel exotischere Kringel sogar noch im Einheitenzeichen Å enthalten, aber da ergibt das ja auch Sinn, weil man es sonst ja gerade mit dem A für Ampere verwechseln könnte, womit wir wieder beim Thema sind:
Am 10. September 2014 spielte im Club Ampere Sivert Høyem mit seiner Band; Høyem schreibt sich übrigens bisweilen mit einem ö; das ist so auf dem Schriftzug, mit dem die T-Shirts bedruckt sind und der während des gesamten Auftrittes auf die Wand hinter der Bühne projiziert war, unterbrochen von überkritzelten Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Tieren und sonstigem Naturwüchsigem.
Dieser Bericht muss ohne photographische Belege auskommen, da die Konzertgemeinschaft nach dem ersten Lied in stiller Übereinkunft das Handy-Photographieren einzustellen beschlossen zu haben schien und wir unsere Apparate nicht mehr zu zücken wagten.
Zum Ausgleich haben wir versucht, die (bisweilen überbordende) Knusprigkeit des Sounds zeichnerisch festzuhalten (Abb. 1).
Wie sich die Auswahl und Reihenfolge der Lieder auf die verschiedenen Schaffensphasen bzw. Alben und Projekte verteilt, ist den Diagrammen zu entnehmen. Das durchschnittliche Lied stammt aus dem Jahr 2010 (Abb. 2).
Jedenfalls hatten Madrugada schon tolle Quasi-Gospelsongs, zum Beispiel »The Lost Gospel«, und Sivert Høyem hat sie auch (aber »without god, the way it should be«, wie er es selbst kommentierte). Das letzte Lied vor der ersten Zugabe ist eines davon, und Sivert Høyem kündigte an, es alleine vorzutragen (nur der Pianist begleitete ihn dennoch ebenso zuverlässig wie der Rest der Band davor die Bühne verlassen hatte). Es heißt »Prisoner of the Road« und wurde 2010 zugunsten des Norwegian Refugee Council aufgenommen, um Bewusstsein zu schaffen für jene, die es besonders schwer haben, immer satt, ausgeschlafen und trocken zu sein. Man kann das Lied bei iTunes für 99 Cent kaufen und den NRC auf diese Weise unterstützen oder sich das Video zum Lied auf dem youtube-Kanal des NRC kostenlos ansehen und gleich auf www.nrc.no ein bisschen was auf ein Konto überweisen.
Hier die Setlist:
1. Majesty
2. Give It a Whirl
3. Red on Maroon
4. Endless Love
5. What’s on Your Mind?
6. Blown Away
7. Ride On Sisters
8. Into the Sea
9. Görlitzer Park
10. Wat Tyler
11. The Hour of the Wolf
12. Prisoner of the Road
Zugabe I:
13. Return to Nothing Special
14. Where is my moon
15. The Kids Are on High Street
Zugabe II:
16. Moon Landing
Es war wunderschön.