Frank Schuster – Büchner Sixty-Nine (Roman)

Wir schreiben das Jahr 1969. In der Bundesrepublik rumort es. In vielen Städten begehrt die Studentenschaft gegen verkrustete Wertvorstellungen und restriktive Politik auf. Die Abrechnung mit dem Nazi-Regime und ihren ehemaligen Unterstützern, die noch immer zahlreiche Positionen in Verwaltung und Politik besetzen, ist in vollem Gange. Was viele heute nicht mehr erinnern – es waren nicht nur Studierende, von denen die Proteste ausgingen, auch aus der Schülerschaft schlossen sich viele junge Menschen an. So wie in Darmstadt. Davon erzählt Frank Schuster in seinem aktuellen Roman „Büchner Sixty-Nine“.

Schuster kleidet seinen historischen Roman in die Geschichte dreier befreundeter Jugendlicher. Michael, Thomas und Marion besuchen Darmstädter Schulen, die beiden Jungs sind auf der Georg-Büchner-Schule. Dort unterrichtet der beliebte Lehrer Heinz Lüdde, dessen Lehrmethoden einigen Eltern und Lehrkräften zu progressiv sind. Lüddes Engagement zielt darauf, kritisches und eigenständiges Denken zu fördern und sich gegen falsch verstandenen Obrigkeitsgehorsam zur Wehr zu setzen. Als Lüdde von der Schulleitung wegen angeblichen Fehlverhaltens entlassen wird, beginnen die Schüler, ganz im Geiste Georg-Büchners, eine Protestaktion, die sich bald über die Grenze der eigenen Schule ausweitet.

Sowohl Lüdde als auch seine Gegenspieler sowie zahlreiche die Protestbewegung tragende Figuren sind historisch belegt, die kleine Freundesgruppe hingegen ist fiktiv. Die an den Jugendlichen orientierte Handlung dient vor allem dazu, den Leser:innen ein gewisses Angebot an Identifikation zu bieten, um nicht nur faktsich sondern auch emotional die Ereignisse einordnen zu können. Zwar wird mit Michael, der erzählenden Hauptfigur, die Geschichte eines Outings miterzählt und in den Kontext der Erlebniswelt eines Pubertierenden gestellt, aber der eigentliche Schwerpunkt liegt auf der Darstellung der historischen Ereignisse.

Schusters Stil ist gradlinig und einfach. Lebendig wird der Text vor allem wegen der zahlreichen Dialoge. Inhaltlich protokolliert der Roman das Geschehen fast dokumentarisch. Schuster orientiert sich präzise an vorhandenen Quellen, die in einem Anhang auch zitiert werden. Sein Hauptverdienst liegt darin, seinem Lesepublikum einen sehr übersichtlichen und informativen Blick auf die turbulenten Abläufe zu gewähren.

Die offensichtliche Gefahr, die von autoritären, reaktionären Kräften für die freiheitliche Demokratie ausgeht, ist das Grundthema dieses Romans. Die Parallelen zwischen 1969 und den 2020-er Jahren werden dabei von Schuster regelmäßig herausgearbeitet.

„Die [NPDler] sitzen schon in sieben Landtagen“, hatte er in
der Nacht vor der Aktion zu Michael gesagt, „wenn die jetzt auch noch in den
Bundestag einziehen, na, dann gute Nacht!“

Seite 79

Um die Aktualität der Geschichte zu unterstreichen, packt er seine Haupthandlung in einen weiteren Rahmen: Er beginnt seinen Rückblick mit einem Verweis auf die Fridays-for-Future-Proteste, an denen Michael – nun als Michaela – teilnimmt. Die Transition der Hauptfigur, mal so nebenbei eingestreut, ist ganz sicher ein gut gemeintes Detail, erscheint mir an dieser Stelle jedoch arg konstruiert und daher wenig authentisch. Die politische Botschaft des Romans, der die demokratische Kraft der zivilen Gesellschaft feiert, kommt auch ohne diesen queeren Schnörkel hervorragend rüber.

Alles in allem ist Frank Schuster mit seinem Roman eine unterhaltsam erzählte und vor allem hochinformativ aufbereitete Geschichtsstunde gelungen. Schuster zeigt deutlich, wie unverändert aktuell die gesellschaftliche Relevanz der angesprochenen Themen noch immer ist.

Leseempfehlung nicht nur für Büchner-Fans!

  • Autor: Frank Schuster
  • Titel: Büchner Sixty-Nine
  • Verlag: Mainbook Verlag
  • Erschienen: Juli 2025
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 217 Seiten
  • ISBN: 978-3911008396

Wertung: 12/15 dpt

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