Hellmuth Klöckner – Verrat in höchsten Kreisen (Buch)

Standesdünkel wohin man blickt

Im Deutsch-Dänischen Krieg wurde Major Dirk von Marun bei der Erstürmung der Düppeler Schanzen angeschossen und hat seither ein lahmes Bein. Bei der Kriminalpolizei will man den vermeintlichen Krüppel nicht haben und so wird er in den normalen Dienst versetzt, wo er in zivil als Polizeimajor arbeiten soll. Ein Uniformierter mit lahmen Bein, das geht für die Preußische Polizei nun wirklich nicht. Sein Vorgesetzter Polizeioberst von Kusche macht keinen Hehl daraus, dass er Marun gern schnellstmöglich wieder loswürde, sein Vertreter Reuter hofft bereits auf dessen Nachfolge. Allerdings ist Marun entgegen seinem Umfeld hoch intelligent und dementsprechend erfolgreich. So wird Staatsanwalt von Bucher auf ihn aufmerksam und bittet Marun um Hilfe.

Es geht um Hochverrat. Aus dem engsten Umfeld des Ministerpräsidenten Otto von Bismarck werden immer wieder streng vertrauliche Dokumente weitergereicht, die wenig später in Sankt Petersburg am Hof des Zaren auftauchen. Fünf hochrangige Mitarbeiter kommen als Verräter in Frage, doch sie sind nicht zuletzt wegen ihres Standes quasi sakrosankt. Allen voran Gottfried von Runkwitz, ein persönlicher Freund des Kronprinzen Friedrich. Von Bucher soll den Verräter finden, darf aber an die genannten Verdächtigen nicht herantreten. Auch Marun soll lediglich die Aktenlage studieren, um dort entscheidende Hinweise zu finden.

Marun las Reuter diese Gedanken von der Stirn ab. Seiner Einschätzung nach war der Mann durchaus diszipliniert und sehr ehrgeizig. Das mochte für einen Soldaten gut und ausreichend sein, doch bei einem Polizeioffizier war auch Verstand vonnöten. Und der zeigte sich nicht darin, dass man die Vorschriften auswendig konnte. In erster Linie musste man den eigenen Kopf zu benutzen wissen. Davon schien Reuter noch weit entfernt.

Marun taugt nicht zum Schreibtischtäter, muss aktiv ermitteln, wenngleich ihm dies verboten ist. Aber ein wenig beobachten ist erlaubt und so findet er schnell heraus, dass Luise, die Zofe der Ehefrau von von Runkwitz, sich weit entfernt von ihrer Arbeitsstätte mit einem jungen Mann trifft. Ob hier geheime Dokumente übergeben werden? Wenig später wird ihre Leiche aus der Ostsee gefischt und Reuter findet schnell den vermeintlichen Mörder. Ein Arbeiter, der Luise heiraten wollte und sich von dieser womöglich gehörnt fühlte, da Luise für sich besseres erhoffte. Marun fühlt sich derweil von Reuter übergangen und ermittelt auch in diesem Fall, in dem einmal mehr die Spuren in jene Kreise führen, die nicht gestört werden dürfen.     

Auftakt der Major-Marun-Reihe

Einen Spitzenplatz für das spannendste Buch des Jahres wird „Verrat in höchsten Kreisen“ nicht erhalten, denn die Suche nach dem Verräter erscheint doch arg überschaubar. Dieser ist, jedenfalls für den Leser, bald gefunden und selbst für Marun gibt es nur wenig Auswahl, wer es sein könnte. Allerdings drängt sich die Frage auf, wie ein Herr aus höchsten Kreisen, der direkten Zugang zu von Bismarck hat, als Spion enttarnt werden kann, wenn man diesen nicht einmal befragen darf? Und warum und für wen spioniert er und setzt damit seine gesellschaftliche Stellung auf’s Spiel? Bleibt noch die Frage, was es mit dem Mord an Luise auf sich hat und welche Konsequenzen dieser für die Beteiligten hat?

Es gibt also durchaus offene Fragen und über allem steht der allgegenwärtige Standesdünkel. Während man die hohen Herren trotz mehrerer Indizien nicht einmal befragen darf, so kann ein einfacher Arbeiter auch ohne stichhaltige Beweise problemlos verhaftet werden. An vielen Stellen in dem kurzweiligen Roman tritt die gesellschaftliche Ordnung des Jahres 1864 in den Vordergrund. So findet Marun, der überraschend ein großes Haus erbt, partout keine Angestellten, die ihm den Haushalt führen. Lediglich eine junge Frau erscheint passend, doch wie soll diese für einen Junggesellen arbeiten dürfen? Marun könnte heiraten, doch irgendeine Frau zu ehelichen, nur um über diesen Weg an ein Dienstmädchen zu kommen, ist offensichtlich abwegig. Immerhin gelingt eine Lösung, wenngleich das neue Dienstmädchen Frieda gegenüber Männern überaus vorsichtig geworden ist, da sie wegen ihrem letzten Dienstherrn ihre Stellung verlor, nachdem dieser übergriffig wurde. Stattdessen soll sie ihn verführt haben; eine absurde Verdrehung der Fakten, aber für eine Entlassung ohne Lohn reicht es allemal.

Die Handlung gibt gute Einblicke in die damalige Zeit, deren gesellschaftliche Konventionen sowie in die Ermittlungsarbeit der Preußischen Polizei. Nach oben buckeln, nach unten treten, ist hier eines der vorherrschenden Motive. Als geplanter Serienauftakt ist „Verrat in höchsten Kreisen“ ansprechend, wenngleich man über den Protagonisten doch gern ein wenig erfahren würde, außer dass er bei der entscheidenden Kriegsschlacht gegen die Dänen angeschossen wurde. Marun, von Bucher und nicht zuletzt die zunehmend forscher auftretende Frieda, sind sympathische Figuren, die man unbedingt wiederlesen möchte. Bei der Polizei, so viel darf vorweggenommen werden, wird der Kriegsheld Marun dann nicht mehr arbeiten. Von Bucher hat jedoch bereits den nächsten Auftrag für ihn parat.

  • Autor: Hellmuth Klöckner
  • Titel: Verrat in höchsten Kreisen
  • Verlag: Knaur
  • Umfang: 336 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: August 2025
  • ISBN: 978-3-426-53050-4
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt

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