
Der Roman beginnt mit einer Kollision. Autorin Karen Aydin lässt zwei Welten aufeinanderprallen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – und dies ist durchaus wörtlich zu nehmen: Diana, Kuratorin in einem Museum, vergisst beim Ausparken den Blick in den Rückspiegel und touchiert den obdachlosen Harry. Ein Fast-Unfall, aus der sich rasch eine intensive Beziehung entwickelt.
Das Ganze hat natürlich etwas von „bad boy meets good girl“. Und ja, diese extravagante Ausgangssituation ist ein sicherer Garant für die knisternde Atmosphäre der sich im Folgenden sehr rasant und leidenschaftlich entwickelnden Lovestory. Aber Aydin ist viel zu geschickt, um es bei dieser einen erzählerischen Dimension zu belassen. Denn es passiert sehr viel mehr in diesem Roman.
Aydin lässt uns teilhaben an Dianas Arbeitsalltag, wobei ihre eigenen Berufserfahrungen als Kuratorin in einem archäologischen Museum spürbar miteingeflossen sind. Darüberhinaus liefert uns Aydin neben dem interessanten, mit viel Insiderwissen ausgestatteten Setting einen weiteren spannenden Handlungsfaden, in dem es um verschwundene Exponate und eine intrigante Vorgesetzte geht.
Mit großer Erzählfreude werden alle Charaktere des Romans zum Leben erweckt. Auch für Nebencharaktere hat Aydin viel übrig und zeigt das auch. Dabei ist sie klug genug, ihre Hauptfiguren trotz der augenfälligen Gegensätze nicht zu überzeichnen. So entspricht Harry nicht dem „klassischen“ Obdachlosen. Er ist vielmehr ein Aussteiger mit künstlerischen Ambitionen, der sich selbstbestimmt „zwischen den Welten“ zu bewegen weiß. Und Diana ist keine naive Verliebte, die kopflos alle Konventionen über Bord wirft.
Durch Harry kommt Diana nun mit einem ihr bis dahin unbekannten Milieu in Kontakt. Aus anfänglichem Misstrauen wächst jedoch schrittweise Verständnis. Aydin lässt an dieser Stelle sogar ganz sachte auch konsum- und gesellschaftskritische Töne anklingen. Harrys Weggefährten werden sogar zu Freunden. Dennoch idealisiert Aydin das Leben der Obdachlosen nicht. Probleme werden offen benannt und die kritische Distanz bleibt immer bestehen. Die Beziehung der beiden wird nicht verklärt. Harrys Lebensweise ist nicht kompatibel mit den gutbürgerlichen Vorstellungen Dianas. Diese bleibt sich ihrer Vorurteile bewusst. Ihre Angst, sich durch die Beziehung mit einem Wohnungslosen ins berufliche Abseits zu bringen und gesellschaftlich geächtet zu werden, ist ebenso nachvollziehbar wie real.
Aydin verwebt die anfangs unabhängig voneinander verlaufenden Handlungsstränge sehr geschickt zu einem sehr schlüssigen und ausgewogenen Ganzen und krönt das Alles dann auch noch mit einem aufregenden Finale. Durch ihren lockeren Erzählstil erzeugt sie einen starken Sog, der mir persönlich sehr darüber hinweg half, die für meinen Geschmack etwas zu zahlreichen Liebesszenen zu „überstehen“.
„Sternkollisionen“ ist Unterhaltung auf richtig gutem Niveau. Mit frischen Ideen, authentischen Settings, viel Empathie, Humor und einer Prise Krimi erzählt Aydin eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die in bester Pageturner-Manier von Anfang bis zum Ende die Spannung hält. Wer Liebesromane mag, sollte hier unbedingt zugreifen. Wer keine mag, wird trotzdem auf seine Kosten kommen.
- Autorin: Karen Aydin
- Titel: Sternkollisionen
- Verlag: edition federleicht
- Erschienen: September 2024
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 400 Seiten
- ISBN: 978-3689350048

Wertung: 11/15 dpt







