In “Only Margo” wird witzig und gnadenlos mit Stereotypen gebrochen – egal ob es um Klassenaufstieg durch Bildung, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, betrügende Partner oder um den Alltag von Sexworkern geht.
“Only Margo” von Rudi Thorpe wurde 2025 durch den Ecco Verlag veröffentlicht und thematisiert, wie kompliziert Erwachsenwerden ist und dass es kaum Situationen im Leben gibt, die nur schwarz oder weiß sind.
“Only Margo” war für mich dabei nicht immer so unterhaltsam zu lesen, wie es die Inhaltsangabe zunächst glauben lässt: Die junge Studentin Margo wird von ihrem Literaturdozenten geschwängert (den sie nicht mal wirklich mag) und fängt aus finanzieller Not an Only Fans-Content zu posten, während sie von ihrem Ex-Wrestler Vater gemanaget und sie von ihrerer nerdigen Mitbewohnerin kostümiert wird. Während Margo lernt sich in dem Dschungel aus Algorithmen und Cross-promotion zurechtzufinden, wird sie immer öfters mit ihren eigenen Erwartungen und Sexworker-Feindlichkeit konfrontiert: So lernt sie, dass es bei Betrügen nicht unbedingt um sexuelle, sondern um emotionale Befriedigung gehen kann und dass Sexworker immer noch nicht als arbeitende Menschen, sondern weiterhin als verachtenswerte Wesen angesehen werden. Margo wächst dabei mit jeder Seite über sich hinaus – was als die Geschichte einer naiven und mittellosen Studentin anfing, steigert sich zu der Erzählung einer reflektierten Frau, die die Welt um sich herum verstanden hat und lernte, sich in dieser zu bewegen, ohne ihre Herzlichkeit und glauben an Menschen zu verlieren.
Man kann das Buch durchaus oberflächlich lesen und eine wunderbare Zeit haben. Stellenweise waren die augenscheinlich witzigsten Passagen für mich aber Horrorstellen. Zu lesen wie der Dozent konsequenzlos Margo schwängert und Margo sich wegen keinem anderen Grund weigert abzutreiben, als einfach endlich einen Antrieb in ihrem Leben zu haben, hat mich fertig gemacht. An diesen Stellen musste ich sogar das Buch pausieren, um es nicht abzubrechen. Ich konnte gar nicht nachvollziehen, wieso Margo aus keinem anderen Grund entschieden hat, ihren Sohn Bodhi auszutragen als kindliche Naivität. Dabei wird sie von der Realität wie Kindertagesstättenplätzen, inflexiblen Arbeitgebern und einer nicht unterstützenden Mutter mit der kalten Schulter begrüßt wird.
An diesem Tiefpunkt – frische Mutter ohne eine Ausbildung, nennenswerten finanziellen Ressourcen oder sogar Freundeskreis – erwischte ich mich oft dabei, ihr die Schuld für ihre Situation zu geben und mich in dieser Meinung durch ihre Naivität gerechtfertigt zu sehen. Ein fehlendes Sozialsystem und der übergriffige Professor kamen bei mir fast schuldfrei davon.
Erst als ihr Ex-Wrestler Vater zu ihr kommt, um bei ihr an seinem Suchtproblem zu arbeiten und Margo OnlyFans für sich entdeckt, dreht sich die Situation langsam zum Guten – und zeigt, dass die Welt nicht so simple ist wie naiverweise gedacht. Margo navigier mit ihrer wachsenden Menschenkenntnis notgeile Typen und Unterhaltsverhandlungen mit ihrem Ex-Professor und erfährt am eigenen Leib, dass man mit einem Frauenkörper in unserer Gesellschaft sich ständig für jede noch so kleine Entscheidung rechtfertigen muss – sei es wegen der Berufswahl, Schwangerschaft oder im Rechtssystem, dass nach jeder noch so kleinen Schwäche sucht.
Was bei dem Lesen immer wieder deutlich wurde, war aber, dass Margo nicht dumm ist. So ganz und gar nicht. Aber sie musste sich ständig in einem Umfeld behaupten, dass gegen sie setzte – sei es ihre Mutter, die ihr Potential nicht förderte oder ihrem Professor, der sich gerade von diesem Potential angezogen fühlte. Sie musste zu einem mittelmäßigen College, während ihre Freundinnen die Welt entdecken durften. Während ihre Freundinnen träumen durften, musste sie sich mit der Realität eines mittelmäßigen Lebens anfreunden. Aber Margo – die in ihr neues Leben hineingeworfen wurde – hat in kürzester Zeit verstanden, wie die Welt um sie herum tickt, sich beeindruckend schnell reflektiert und Wege für Erfolg und Glück gefunden.
“Only Margo” ist ein Buch, das Eindrücke hinterlässt und einen beim Lesen nachdenklich macht. Margos Erfahrungen machen deutlich, dass Menschen um einiges komplizierter sind, als man zunächst denken mag und man niemals aufhören kann, sich überraschen zu lassen. Beim Lesen wurde knallhart deutlich gemacht, dass unsere Welt noch immer Frauen klein halten möchte und von ihrem verschwendeten Potential in Form von sexueller Befriedigung und Machterhalt profitiert.
“Only Margo” ist deswegen für mich ein Must Read!
- Autor: Rufi Thorpe
- Titel: Only Margo
- Originaltitel: Only Margo
- Übersetzer: Heike Reissing
- Verlag: Ecco Verlag
- Erschienen: 2025
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 352
- ISBN: 978-3-7530-0103-6
- Sprache: Englisch, Deutsch
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 13/15 dpt
