Patricia Koelle – Wenn die Wellen leuchten (Buch)


Patricia Koelle - Wenn die Wellen leuchten (Cover © Fischer Verlag)«Die Geschichten zu den Dingen und den Menschen sind das wahre Geschenk.» 

Diese Geschichte ist wirklich ein Geschenk. Patricia Koelle schenkt uns das Meer, uralte Sagen, nordische Weisheiten und ein warmes Gefühl im Herzen. Ihre Bücher sind wie Urlaub. Beim Lesen verliert man sich, kann das Meer fast rauschen hören, das Salzwasser fast auf der Zunge schmecken, den Sand fast unter den Füßen spüren – kurzum, während des Lesens IST man an der See. Kaum ein anderer Autor schafft es auf so wundervolle Weise, den Alltag für ein paar Stunden in weite Ferne rücken zu lassen.

Schon mit der Ostsee-Trilogie hat die Autorin ihre Leser entführt. Entführt ins Örtchen Ahrenshoop, das sie so lebendig beschrieben hat, dass man zum Schluss das Gefühl hatte, tatsächlich dort gewesen zu sein und nach einer Reise voller glücklicher Momente nach Hause zurückzukehren. Nach einem Einzelband hat es die Berlinerin nun für ihre neue Trilogie in den ganz hohen Norden, auf die Insel Amrum, verschlagen.

Hier lernen wir Rhea kennen, die mit viel Liebe eine Minigolfanlage führt. Die einzelnen Bahnen hat sie so gestaltet, dass jede von ihnen eine Geschichte von der Insel erzählt. Auf Amrum hat Rhea alles, was sie braucht und sich wünscht. Sie liebt es, dort zu leben. Obwohl sie nie woanders war, fühlt sie sich zwischen Meeresrauschen, Strandkrabben und Wind im Haar herrlich frei. Nur eines fehlt ihr: Sie weiß nicht, wer ihr Vater ist. Nicht einmal ihre Mutter kennt seinen richtigen Namen. Alles, was Rhea von ihm hat, ist ein Satz. Ein so besonderer Satz, dass sie die Hoffnung nicht aufgibt, ihren Vater irgendwann mit Hilfe dieser Worte finden zu können.

Der Leser begleitet Rhea in drei Handlungssträngen auf ihrem Weg. Abwechselnd erleben wir sie als Kind und als Erwachsene, dazwischen erfahren wir die Geschichte ihrer Mutter Filine. Jeder dieser Stränge ist am Ende entscheidend für Rheas Leben und ihre Suche. Denn auch Filines Vergangenheit ist eng mit Rhea verbunden. Zeitlich erstreckt sich die Handlung dabei von den 1940er Jahren bis in die 90er Jahre. Zwischen geschichtlichen Hintergründen (wie hat sich der Krieg auf Amrum gezeigt?) erfahren wir, was es bedeutet, ein Inselkind zu sein. Und es scheint, als gäbe es nichts Schöneres, als zwischen Dünen, Watt und Meer aufzuwachsen. Dazwischen streut die Autorin immer wieder norddeutsche Sagen und Mythen ein. Bereits in ihrer Ostsee-Trilogie hat sie ein ganz besonderes Händchen für solch magische Geschichten bewiesen und auch in ihrer neuen Reihe, gelingt es ihr wieder, wunderschönes Seemannsgarn zu spinnen. Diese Geschichten – gemeinsam mit den eindrücklichen, bildhaften Inselbeschreibungen – machen „Wenn die Wellen leuchten“ zu einem Buch zum Träumen.

Geschichten sind aber auch der rote Faden des Romans. Erst die Geschichten zu Menschen oder Dingen machen diese wirklich lebendig und wertvoll. Deshalb schenkt Filine ihrer kleinen Tochter zu jedem Geburtstag eine neue Geschichte. Mal etwas aus ihrer eigenen Kindheit, mal etwas über Rheas Vater. So erschließt sich mit jedem Kapitel nach und nach ein vollständiges Bild von Rheas Leben, Liebe, Freundschaft und Familie. Rhea gibt diese Geschichten ihrerseits an Menschen, die ihr im Verlauf ans Herz wachsen, weiter. Auf diese Weise überdauern sie Jahrzehnte und werden immer wieder aufs Neue lebendig. Und so wandern sie sogar hoch in die Berge. Denn Rhea wagt es eines Tages doch, die Insel zu verlassen und findet sich in Österreich wieder. Hier beweist Patricia Koelle, dass sie nicht nur die schönsten Gemälde von Strand und Meer zeichnen, sondern ebenso mühelos Berg und Tal in den schillerndsten Farben auf ihre wortgewaltige Leinwand bannen kann.

Komplettiert wird das Bild aber erst durch die Charakterzeichnung. Und auch hier zeigt die Autorin ihr unvergleichliches Talent. Ob Rhea, Filine oder jeder andere Insulaner – man möchte sie am liebsten alle kennenlernen, sich mit ihnen anfreunden und von ihnen an ihre Lieblingsorte auf Amrum geführt werden. Koelle beschreibt hier keine unnahbaren, kühlen Nordlichter, sondern warmherzige, offene, kreative und positive Menschen, die man einfach gern um sich haben möchte. Dabei lässt sie es sich nicht nehmen, einen bereits bekannten Charakter aus Ahrenshoop nach Amrum zu führen und so für ein kleines Wiedersehen zu sorgen. Dies ist nicht die einzige Parallele zur Ostsee-Trilogie und doch ist diese neue Geschichte ganz anders.

Fazit: Mit „Wenn die Wellen leuchten“ schafft es Patricia Koelle einmal mehr, ihre Leser zum Träumen zu bringen. Die Autorin hat ein wundervolles Talent dafür, ihre Geschichten spürbar zu machen. Man fühlt sich beim Lesen an die liebevoll beschriebenen Orte versetzt und kann sich ganz und gar im Buch verlieren. Die märchenhafte Handlung und die warmherzigen Charaktere zaubern dem Leser immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und verbreiten ganz tief im Inneren ein wohlig warmes Gefühl. Wer einfach eine schöne Geschichte lesen möchte, die glücklich macht und den täglichen Trott aussperrt, ist mit den Büchern der Autorin bestens beraten. Und wer dazu noch Nord- und Ostsee liebt, wird auch diese Romane lieben.

Liebe Patricia Koelle, vielen Dank für ein kleines bisschen Meeresrauschen im Alltag!

Cover © Fischer Verlage

Wertung: 15/15 geschenkte Geschichten


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