Xanadu (Mediabook) (Spielfilm, Blu-ray + DVD)


Komm ins coole Xanadu, da geht es ziemlich übel zu! Als Aufschlag in die 1980er-Jahre ignorierte das Fantasy-Musical so ziemlich alle Elemente, die bewährtermaßen einen guten Film ausmachen, um sich lieber an einen kurzweiligen Trend zu hängen und unter Mithilfe von Stars wie Olivia Newton-John und dem gealterten Gene Kelly in seiner letzten Filmrolle einen zutiefst hohlen, total verkitschten und völlig misslungenen crowd pleaser zu produzieren. „Xanadu“ ist somit zur Blaupause für die Kritik an der blinden Profitmaximierung der Traumfabrik geworden, dem als völlig gerechtfertigtem Flop nur in Spurenelementen positive Aspekte abzugewinnen sind – und trotzdem reichte es zum Kultstatus.

Die Idee zur Produktion von „Xanadu“ war eine denkbar simple: Einen Rollerdisco-Film produzieren. Nicht dass Pionierstreifen wie „Roller Boogie“ oder „Skatetown, U.S.A.“ 1979 kreative Feuerwerke geschweige denn gute Filme gewesen wären, doch ein Jahr später glaubte man in Hollywood damit Reibach machen zu können. Zugunsten einer zeitnahen (und überhasteten) Umsetzung überarbeiteten die Verantwortlichen mehrfach den Hauch von Original-Drehbuch, ohne aber zu irgendeinem Zeitpunkt mehr als um die 50 Seiten zusammenzubekommen. Wichtiger als eine ausgeklügelte Story war die Produktion eines zum Trend der Rollerdisco passenden Kultfilms.

Wobei die Forderung nach einem ausgeklügelten Plot schon viel zu weit greift: „Xanadu“ hat schlicht keinen vorzuweisen. Es gelingt jedoch ein Auftakt nach Maß, zumindest nach SchleFaZ-Maßstäben von Kalkofe und Rütten: Ein Mann begrüßt den Sonnenaufgang am Meer mit schmierigen Klarinetten-Tönen und setzt den Ton für die kommenden 90 Minuten. Später wird klar, dass da der gealterte Klarinettist Danny McGuire (Gene Kelly) gegen seinen Bedeutungsverlust anspielte. Aber irgendwie geht es eher um Sonny Malone (Michael Beck), der eigentlichen Hauptfigur, die als Künstler in einer Schaffenskrise steckt und im boomenden L.A. in seinen alten Job zurückkehren muss, bei dem er Albumcover auf großformatige Werbeanzeigen überträgt.

Bevor er um eines müden Talers willen zu Kreuze kriecht, begegnet ihm eine blonde Schönheit auf Rollerskates (Olivia Newton-John), die ihm einen Kuss aufdrückt und anschließend einfach weiterdüst. Wir Zuschauenden wissen schon mehr, Kira ist eine Muse und, ja genau, Sonny ist nun von ebenjener geküsst. Statt seiner Arbeit nachzugehen, macht er sich auf die Suche nach seinem love interest und findet sie schließlich im verlassenen Auditorium – natürlich skatend. Bis dahin ist Sonny mehreren Personen begegnet, meistens ohne jede Auswirkung auf den Fortgang der Geschichte, beispielsweise als er sich am Strand eine Tüte Popcorn bestellt, nur um… Popcorn bestellt zu haben.

Es ist offensichtlich, dass „Xanadu“ ein purer Werbefilm für eine Lifestyle sein sollte. Das ist zwar alles ganz süß, naiv-positiv und quietschebunt aufgemacht und oberflächlich auch so gemeint, aber nur auf den ersten Blick ist in der heilen Welt alles unschuldig. Wie der junge Mann der jungen Frau hinterherjagt, das hat was von Stalking, der alte Mann, der die junge Frau begehrt (McGuire ist der Muse nämlich vor ein paar Jahrzehnten auch schon mal begegnet), das ganze Rumgezappel als Ausdruck von zurückgedrängter Lust. Natürlich endet das alles in einer großen, zuckrigen Explosion von Finale, das keine Fantasie auslässt, in die das unschuldige US-Mädel Olivia Newton-John sich nicht ausleben muss.

Am Ende symbolisiert die Muse den Traum von einem Club, in dem sich beide Männer wieder- und sich gegenseitig finden, warum auch immer das des Malers größter Traum sein soll. Ohnehin muss Michael Beck als Hauptdarsteller ein paar Enttäuschungen schlucken, denn im Mittelpunkt kann er zwischen den beiden Weltstars gar nicht stehen, alleine schon weil er weder tanzt noch singt. Deswegen wirkt es lange Zeit so, als verfolge Kira einen verführerischen Plan, den die Männer nicht durchblicken, doch eigentlich bringt sie nur das hervor, was tief in ihnen steckt. Jaja, die vernünftige Frau, die den verwirrten, nach Aufmerksamkeit heischenden Männern das In-Sich-Fühlen beibringt… Doch dann will Sonny Malone mehr, Zeus in einer lustig gemeinten, aber völlig peinlichen und furchtbar animierten Fantasy-Szene überzeugen, Kira in die Welt der Sterblichen und an seine Seite zu lassen. Der Höhepunkt einer Geschichte, die, wenn nicht genauso völlig banane, selbst als Beiwerk zum größeren Ganzen konsequent unlogisch ist.

Genauso nachdrücklich wird auf der technischen Seite am unkalkulierten Trash gewerkelt. „Xanadu“ meint das alles überspitzt und mit Augenzwinkern, aber den Ton trifft er deswegen nicht, weil seine Macher keinerlei Gefühl für das Medium Film hatten. Viel zu lange Einstellungen, ambitionierte, aber verdaddelte Animationen, Überblenden aus dem hinteren PowerPoint-Repertoire, zwischen den ausgiebigen Musical-Nummern machte man sich erst gar nicht die Mühe, einen Film zu machen. Es ist zu merken, dass hinter den Kulissen ziemliches Chaos herrschte, wie es im Bonus Material und im 20-seitigen Booklet der nun erscheinenden Mediabook-Special-Edition ausführlich beschrieben wird. Alles für das Musical und das wurde zu einem wilden Spielplatz an den Grenzen der Geschmackssicherheit.

Der Übergang zwischen 1970er- und 1980er-Jahre ist deutlich zu erkennen und wird im Film offensiv als Findungsphase gezeigt. Es werden ständig Kostüme gewechselt, je bunter und ausgefallener, desto besser, wobei „Xanadu“ im zügellosen Eklektizismus durchaus einen Look findet. Am wichtigsten wird es aber gewesen sein, dass über einen Film ein größeres Publikum für die Musical-Kunst gefunden werden sollte. Das ging zunächst ordentlich in die Hose, aber tatsächlich sind die Choreographien (abzüglich Elementen der übergroßen Leistungsschau wie Varieté und Drahtseilakten) das beste am Film und dienten als Sprungbrett für einige Tänzer*innen und vor allem für den Choreografen Kenny Ortega, der sich später als Regisseur von High School-Musical einen weltweiten Namen im Filmbusiness machen konnte.

Irgendwie soll „Xanadu“ dann auch noch ein Abbild der USA sein und Generationen verbinden, ohne dass vorher ein Konflikt schwelte. Die leichte Kritik an der dumpfen Arbeit der Vervielfältigung von Kunst zu Werbezwecken ist nur ein kleines subversives Element, das bei der Ausrichtung des Films auch nicht größer hätte ausfallen dürfen. „Xanadu“ war als Produkt gedacht, das mit Kitsch und heile Welt ein unschuldiges Publikum in den Bann des Kommerzes ziehen sollte (Paradebeispiel: Die ultrakitschige Fantasy-Animation à la Disney zur Mitte des Films) und daher verwundert es, dass der Film etwas später durchaus eine Fanbasis finden konnte, die ihn zum Kultfilm machte.

Am weitesten kommt man tatsächlich, wenn der Schauwert ins Zentrum des Schauerlebnissen gesetzt wird, dann ist in den teilweise vom Electric Light Orchestra geschriebenen Songs und den Tanzszenen (vor allem die 40er-Big-Band-meets-80er-Rock-Band-Melange ist unter dem gegebenen Rahmen gelungen) zumindest etwas, vielleicht sogar etwas Versöhnendes zwischen Vergangenheit und Zukunft zu finden, was sich Gegenwart nennt (und nein, bitte nicht Nostalgie!). Fans hätten noch mehr Spaß am Soundtrack auf einer weiteren Bonus-CD statt des Films zusätzlich noch auf DVD, ansonsten ist die vorliegende Edition umfassend, um sich dem Flop zu nähern. Welche Heuristik zur Bewältigung des Gesehenen dafür anzulegen ist, ist dabei jeder/m Zuschauenden selbst überlassen.

Fazit: „Xanadu“ ist zweifelsohne ein verdienter Flop, der sein Heil im Nachhecheln eines Trends, ausgiebigen Tanzeinlagen und einem Look an den Geschmacksgrenzen suchte und in seinen Ambitionen inklusive großer Schauspielnamen sein Unglück fand. Die Macher machen bis heute keinen Hehl daraus, dass es sich bei dem Film in erster Linie um ein Produkt für den Musical-Markt handelte, der sich der Roller Disco anbiederte und nur in zweiter Linie um einen Film. Nach einem logischen Plot braucht erst gar nicht gesucht zu werden und bei den meisten Animationen geht es nur darum, ihren Anblick zu überstehen, zumindest aber der Musik und den Tanzchoreografien ist etwas abzugewinnen. Ob nun als Fan, als Trash-Freund oder als überforderter Normalgucker, „Xanadu“ kann mit unterschiedlichen Augen geschaut und wertgeschätzt werden, einen guten Film wird aber kein Blick in ihm finden können.

Szenebilder und Cover © justbridge/Universal

  • Titel: Xanadu
  • Produktionsland und -jahr: USA, 1980
  • Genre:
    Musical
    Fantasy
  • Erschienen: 23.08.2019
  • Label: justbridge
  • Spielzeit:
    ca. 92 Minuten auf 1 DVD
    ca. 96 Minuten auf 1 Blu-Ray
  • Darsteller:
    u.a.
    Olivia Newton-John
    Gene Kelly
    Michael Beck
  • Regie: Robert Greenwald
  • Drehbuch: 
    Richard Christian Danus
    Marc Reid Rubel
  • Kamera: Victor J. Kemper
  • Schnitt: Dennis Virkler
  • Musik:
    Barry De Vorzon
    Electric Light Orchestra
  • Extras:
    20-seitiges Booklet von Christoph N. Kellerbach, Dokumentation: Going back To Xanadu (OV), Audiokommentar vom Cine Entertainment Podcast, “Songs zum Mitsingen”-Feature
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    16:9
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D, GB
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    16:9 (Full HD 1080p)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D, GB
  • FSK: 12
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

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