Harald Gilbers – Luftbrücke (Buch)


Serienmörder in einer geteilten Stadt

Luftbrücke
© Knaur

Berlin, Sommer 1948. Nachdem spielende Kinder in einer Seitenbucht der Spree das rechte Bein eines Menschen gefunden haben, ahnt Kommissar Richard Oppenheimer noch nicht, dass ihm sein wohl brutalster Fall bevorsteht. Wenig später landen menschliche Innereien auf einem Schleppkahn, kurz darauf finden die Ermittler in einer Ruine einen skurril inszenierten Schauplatz. Ein Toter ohne Schädel, dafür aus mehreren Leichenteilen erstellt. Ein Serienmörder treibt sein schauriges Spiel und nutzt dabei das herrschende Chaos in der Berliner Polizei aus. Nach der erfolgten Währungsreform geht es drunter und drüber. Dem Osten droht die Planwirtschaft, dem Westen der Kapitalismus, nur hinter Berlin steht ein großes Fragezeichen. Die Sowjets sind über die neue Währung mehr als verärgert und schließen die Land- und Wasserwege, während die Westalliierten auf eine Luftbrücke zur Unterstützung der notleidenden Bevölkerung setzen. Gab es bislang nur eine Polizeizentrale im Sektor der Sowjetischen Militäradministration, wird am 28. Juli auch eine Polizei in den Westsektoren eingerichtet, womit die endgültige Spaltung der Stadt eingeleitet wird.

Jeder kocht sein eigenes Süppchen.“ „Und wer als Bewohner der Westsektoren dabei erwischt wird, dass er mit Ostmark bezahlt, wird strafrechtlich verfolgt. Ostmark, Westmark – womit wir auch bezahlen, alles illegal.

Weitere Mordfälle und Leichenteilfunde setzen Oppenheimer zu, der zudem mit Entsetzen erfährt, dass sein Kollege Wenzel entlassen wurde. Wenig später wird er selber suspendiert, kurz darauf findet man sich bei der neuen Polizeizentrale in Westberlin wieder. Immerhin muss Oppenheimer nun nicht mehr täglich in den Ostsektor pendeln, doch der geschickte Mörder operiert in beiden Bereichen und macht sich zunutze, dass eine Zusammenarbeit zwischen Ost- und Westpolizei politisch nicht gewünscht ist.

Währungsreform, Berlin-Blockade, Teilung der Stadt

Harald Gilbers schickt seinen bewährten Protagonisten Richard Oppenheimer in dessen sechsten Fall. Zunächst drückt die anstehende Währungsreform auf das Gemüt der Menschen, denn wie soll man sich verhalten? Das zunehmend wertlose Geld gegen Waren tauschen? Doch wozu, wenn es demnächst wieder Waren zu normalen Preisen gibt und sich ein Ende der Schwarzmarktgeschäfte abzeichnet? Dabei herrscht Mangel an allem: Vor allem Lebensmittel sind knapp, zumal die Sowjets die Zufahrtswege blockieren. Derweil wird das tägliche Stadtbild vom Lärm der zahlreichen Flieger der Westalliierten sowie der vielen zerstörten Häuser geprägt. Die Spuren des Krieges sind allgegenwärtig. Die Grenze zwischen Ost und West ist für die Bürger noch offen, für die Polizisten wird es jedoch gefährlich. Selbst zu Entführungen von Polizisten durch die Sowjets im westlichen Sektor kommt es, eine Zusammenarbeit scheint nicht mehr möglich.

Wer ist jetzt zuständig? Die Kripo im Westen oder die im Osten? Die sterblichen Überreste wurden im britischen Sektor gefunden. Aber es ist wahrscheinlich, dass die Morde im Sowjetsektor geschahen. Hier bahnt sich ein albtraumhaftes Kompetenzgerangel an.

Oppenheimer muss „unter dem Radar“ arbeiten und nutzt Kontakte zu früheren Kollegen. Dennoch ist ihm der gesuchte Serienmörder stets mindestens einen Schritt voraus. Die spannende Jagd mit einigen unnötig brutal erscheinenden Szenen wird durch die geschilderte Notlage der Menschen zusätzlich lebendig. Selbst für Oppenheimer und dessen Frau Lisa, die bei ihrer Retterin Hilde von Strachwitz einen Unterschlupf gefunden haben, ist das Leben hart. Trockenkartoffeln und Muckefuck als Kaffeeersatz gehören zum Alltag.

Wie bereits gehört, fehlte der Kopf. Stattdessen steckte eine umgedrehte Bierflasche in dem Hals. Der leblose Körper saß auf der rechten Tischseite, direkt im diffusen Licht des hohen Kellerfensters. Eine Hand umklammerte den Griff eines Bierkruges. Es wirkte auf Oppenheimer wie eine Momentaufnahme, als wollte der Mann den Krug von der Tischplatte heben, wäre ihm nicht der Tod dazwischengekommen.

Wie schon bei den Vorgängern gelingt Harald Gilbers eine gute Kombination aus actionreichen Kriminalfall und informativer Geschichtsstunde; hier über die Nachkriegsjahre. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein!

  • Autor: Harald Gilbers
  • Titel: Luftbrücke
  • Verlag: Knaur
  • Umfang: 464 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Oktober 2021
  • ISBN: 978-3-426-46015-3
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite 


Wertung: 13/15 dpt


1 Kommentar
  1. Bin ich der einzige, dem das Buch nicht gefallen hat?
    Die Story wäre ja noch interessant. Allerdings ist alles viel zu langatmig erzählt, praktisch auf jeder Seite wird die Zubereitung eines Muckefuck erwähnt, also ohne Uebertreibung 100 mal reicht nicht.
    Dann beobachtet er andauernd die anfliegenden Flugzeuge, auch das weiss man nach 2-3 mal Lesen.
    Dann empfinde ich die Personen samt und sonders als äusserst unsympathisch. Zudem sind es zuviele Personenen, die zwar häufig nur erwähnt werden, aber nicht wirklich charakterisiert.
    Es ist auch überhaupt nicht klar, warum Reimann im Osten bleibt und sich nicht Oppenheimer anschloss, wo er doch so gerne und gut mit ihm zusammen gearbeitet hat.
    Auch das Handeln der Mörderin wird zu einerseits sehr detailliert beschrieben und analysiert, jedoch anderes wird x-mal erwähnt aber nicht analysiert (die umgedrehten Bilder).
    Fazit: Die Idee eines Krimis im historischen Kontext der Sektorengrenze, der Kappung der Ressourcen durch die Sowjets wäre sehr interessant. Dadurch dass der Autor jedoch mit unsäglichen Wiederholungen immer wieder das gleiche schreibt, verkommt das ganze nur zu einem langatmigen und dadurch laschen Roman. Um einer historischen Erzählung standzuhalten , ist er dann doch zu ungenau und für einen Krimi fehlt der Spannungsbogen, bzw. er fällt immer wieder in sich zusammen.
    Für mich ein typischen Bespiel von “Weniger wäre Mehr”.
    Ich werde keine weiteren Bücher mehr aus dieser Serie lesen.

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