Rheinisches Bildarchiv (Hrsg.), Evelyn Bertram-Neunzig – Chargesheimer fotografiert Jazz (Buch)


Rheinisches Bildarchiv (Hrsg.), Evelyn Bertram-Neunzig – Chargesheimer fotografiert Jazz (Buch)

Chargesheimer fotografiert Jazz
© emons:

Weit mehr als nur „Begleitband zur Ausstellung“ – Eine Vorbemerkung

Das Rheinische Bildarchiv Köln zeigt aktuell die Ausstellung „Chargesheimer fotografiert Jazz“, die noch bis zum 4. September 2022 besucht werden kann. Foto- und Jazzfans sollten sich diese nicht entgehen lassen, der Eintritt ist zudem kostenlos. Das hier besprochene Werk ist der offizielle Begleitband zur Ausstellung und doch viel, viel mehr. Informationen zur Ausstellung

Jazz-Impresario trifft Starfotograf der Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die Besatzungsmächte neben mehr Swing auch den Bebop nach Deutschland. Dabei wurde Köln zu einer Jazz-Hochburg, in der sich nationale wie internationale Stars, wie man so sagt, die Klinke in die Hand gaben. Angefangen hatte alles mit Pierluigi „Gigi“ Campi (1928-2010), dessen stadtbekanntes Eiscafé auf der Hohe Straße zum Mittelpunkt der Kölner Jazzszene aufstieg. Der Jazz-Impresario gründete 1954 das erste unabhängige Jazz-Label Europas namens Mod Redcords, in der die faszinierende Kompilation „Mod Records Cologne-Jazz in West Germany 1954-56“ erschien. Schwerpunkt des Labels war vor allem der Cool Jazz europäischer Prägung mit Stars wie dem österreichischen Saxophonist Hans Koller oder der Pianistin Jutta Hipp, die als erster europäischer Jazzmusiker und als einzige weiße Frau einen Vertrag beim legendären US-Jazz-Label Blue Note Records bekam.

Campi holte die Stars nach Köln, sein Freund Karl-Heinz Hargesheimer, der sich den Künstlernamen Chargesheimer gab, lieferte die Fotos. Und was für welche! Der am 19. Mai 1924 geborene und vermutlich in der Silvesternacht 1971 aus dem Leben geschiedene Chargesheimer studierte einige Semester Fotografie und Grafik bevor seine Künstlerlaufbahn richtig durchstartete. Es entstanden zahlreiche Mittelformatnegative (6×6, 6×9) oder Negativstreifen, die wiederum als Negativ oder Positiv gezeigt werden. Hinzu kamen zahlreiche Vintage Prints (Originalabzüge) und Konzeptbögen. Bekannt wurde Chargesheimer, der zu den herausragensten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit zählt, auch durch seine intensive Arbeit in der Dunkelkammer, wo er mit diversen Techniken beeindruckende Effekte erzielt. Teils wurden die Negative so stark bearbeitet, dass sie nur bei genauem Hinsehen noch erkennbar sind, so etwa beim Plattencover von „Sax No End“ der Kenny Clarke – Francy Boland Big Band aus dem Jahr 1967, welches auf einer der seltenen Aktaufnahmen Chargesheimer basiert.

Abgesehen von seinem guten fotografischen Gespür für Situationen und Zusammenhänge entstand seine Kunst zu weiten Teilen erst in der Dunkelkammer, durch starken Beschnitt der Negative, Betonung des Lichteinfalls, Konzentration auf Kopf, Hände und Instrumente. Vereinzelt spiegelt er sogar seine Motive im Abzug. Bei der Bearbeitung kam er den Musikern sehr nah und modellierte gnadenlos jede Falte und jeden Tränensack in den vom Leben gezeichneten Gesichtern heraus. Durch intensive Nachbelichtung erzeugte er seine starken Hell-Dunkel-Kontraste. Besonders deutlich veranschaulichen das die Vintage Prints von Josephine Baker, Billie Holiday und Sidney Bechet, die als Ikonen der Fotografiehistorie besondere Aufmerksamkeit erlangten.

Kölner Jazzszene der 1950er und 1960er Jahre

Neben Einblicken in die Arbeit des Rheinischen Bildarchivs Köln und die Sammlungsgeschichte „Chargesheimer“, ist das Werk in zeitliche Abschnitte unterteilt, welche den Bogen der Kölner Jazzszene von den Anfängen in der Nachkriegszeit bis hin zu den Kölner Big Bands der 1960er Jahre spannen. Die diesen insgesamt vier Abschnitten zuzuordnenden Künstler sind auf teils bislang unveröffentlichten Fotos zu sehen.

  • Auftakt Swing und Bebop in der Nachkriegszeit: Hier wird die Chic Combo um Bandleader George Maycook in Szene gesetzt.
  • Cool Jazz in Köln – Die Kölner Jazzszene 1954-1956: Neben den bereits erwähnten Hans Koller und Jutta Hipp sind Fotos mit Gigi Campi sowie weiteren Stars wie Lee Konitz, Rudi Schring, Johnny Fischer, Lars „Lasse“ Gullin und Attila „Schiwi“ Zoller zu sehen.
  • Gastkonzerte – Internationale Stars 1953-1959: Stars, die jeder zumindest namentlich kennt, sofern man sich für Musik interessiert. Louis Armstrong, Josephine Baker, Woody Herman, Billie Holiday, Chet Baker, Sidney Bechet, Duke Ellington und – natürlich – Ella Fitzgerald.
  • Kölner Big Bands in den 1950er/60er Jahren: Kenny Clarke – Francy Bolan Big Band, Harald Banter Ensemble sowie das Orchester Kurt Edelhagen mit der italienischen Sängerin Caterina Valente, die erst später zum Schlager wechselte.

Der imposante Bildband im Format 29,5 x 31,5 cm ist nicht nur aufgrund der ausdrucksstarken Fotos von Chargesheimer lohnenswert, sondern bietet zudem eine musikalische Zeitreise in die Nachkriegsjahre, in der die Menschen wieder Musik hören und tanzen wollten.

Wie schon zur eingangs erwähnten Ausstellung geschrieben, gilt auch für das Buch: Foto- und Jazzfans sollten sich dies nicht entgehen lassen.

  • Autorin: Rheinisches Bildarchiv (Hrsg.), Evelyn Bertram-Neunzig (Kuratorin der Ausstellung)
  • Titel: Chargesheimer fotografiert Jazz
  • Verlag: emons:
  • Umfang: 220 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Format: 29,5 x 31,5 cm
  • Erschienen: Mai 2022
  • ISBN: 978-3-7408-1515-8
  • Produktseite  


Wertung: 15/15 dpt

 


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