1944 – Japanische Amerikaner in Chicago
Die junge Aki Ito lebt mit ihren Eltern und der älteren Schwester Rose in Tropico, Los Angeles, wo Vater Gitaro einen Gemüsemarkt leitet. Man lebt ein beschauliches Leben, doch dann kommt der 7. Dezember des Jahres 1941. Japan greift Pearl Harbor auf Hawaii an, eine Kriegserklärung der Amerikaner folgt prompt und das Leben japanischer Amerikaner verändert sich schlagartig. Ausgehsperren schränken das Leben der Menschen drastisch ein.
Im März 1942 folgt eine Ausschlussanordnung mit der Folge, dass Familie Ito mit zehntausend anderen Japanern in das Lager „Manzanar“ in Owens Valley, Kalifornien, gebracht wird. Erst rund ein Jahr später werden die ersten Menschen wieder in die Freiheit entlassen, es werden dringend Arbeitskräfte gesucht. So darf Rose im September 1943 nach Chicago reisen, um dort zu arbeiten und den späteren Nachzug ihrer Familie zu organisieren. Am 14. Mai 1944 ist es soweit, Aki erreicht mit ihren Eltern Chicago. Endlich in Freiheit, aber auf Rose warten sie vergebens. Am Abend zuvor ist sie von einer Subway an der Station Clark and Division tödlich erfasst worden.
Die Eltern versuchen sich in der fremden Stadt zurecht zu finden, vor allem neue Jobs müssen her. Mit Mühe findet der Vater einen Job als Putzkraft in einem schmierigen Nachtlokal, flüchtet zunehmend in Alkohol. Auch die Mutter geht putzen, während Aki einen Job als Bibliotheksgehilfin erhält. Doch über allem schwebt die Frage, warum sollte sich Rose umgebracht haben, denn davon geht der zuständige Coroner aus. Zeugen gibt es nicht, für die Polizei gibt es keinen Grund zu ermitteln. Und dann wäre da noch ein irritierender Punkt. Aki erfährt, dass Rose vor kurzer Zeit eine Abtreibung vornehmen lies, doch niemand aus Roses Umfeld kann sich erklären, wie es zu einer Schwangerschaft überhaupt gekommen sein soll; ganz davon abgesehen, dass eine Abtreibung illegal ist. Aki, inzwischen zwanzig Jahre alt, ist fest entschlossen, den Mörder ihrer Schwester zu stellen, aber wo mit der Suche anfangen, in der neuen, großen Stadt.
Mix aus historischem Roman und Familiengeschichte
„Clark and Division“ ist wahlweise eine Straßenkreuzung oder die gleichnamige Subway-Station. Ich-Erzählerin Aki findet sich zunächst nur mühsam zu Recht, allerdings kennt sie einige Leute aus dem Lager Manzanar. Neben dem Schmelztigel Chicago, bietet der Roman eher unbekannte Einblicke in die damalige politische Situation der in Amerika lebenden Japaner. Es sind die Issei und die Nisei, die den Roman prägen, also jene Japaner der ersten Generation, die nach Amerika umsiedelten und jene der zweiten, in Amerika geborenen Japaner. Da macht die Justiz feine Unterschiede, denn wer in Amerika zur Welt kommt besitzt automatisch höhere Rechte.
Die politische Lage ist weiter angespannt, wie Aki bei der Vorbereitung von Roses Beerdigung einmal mehr feststellen muss. Einäscherung in einer Urne ist möglich, eine Beisetzung auf einem Friedhof nicht. Japaner unerwünscht. So bleiben die japanischen Amerikaner unter sich, finden nur bedingt Anschluss an Einheimische wie zum Beispiel Aki in der Bibliothek. Die Lager sowie die Umsiedlungspolitik der 1940er Jahre sind ein zentrales Thema, welches gelegentlich den Todesfall von Rose in den Hintergrund schiebt. Man hat seine eigenen Sorgen, zumal die Polizei quasi nicht präsent ist. So erfährt Aki in den folgenden Monaten tröpfchenweise wie es Rose in ihren letzten Monaten ging, was es mit der Schwangerschaft auf sich hatte und wie es zu ihrem Tod kam.
Gefühlslastig, aber authentisch aus der Sicht einer jungen Frau beschrieben, die, es darf nicht fehlen, sich erstmals selbst verliebt, wird der Krimiplot beschaulich vorangetrieben. Die familiäre Situation darf ebenfalls nicht zu kurz kommen, denn die berufliche Lage der Eltern, aber auch die beengten Wohnverhältnisse sind belastend. Eher nebenbei, aber durchaus trickreich, werden einige Figuren in die Handlung aufgenommen, die durchaus als mögliche Täter in Frage kommen könnten, so es denn ein Mord war, wovon Aki beharrlich ausgeht. In der zweiten Hälfte nimmt die Handlung ein wenig Fahrt auf, rückt der Krimiplot zunehmend in den Vordergrund, ohne den Erzählstil grundlegend zu verändern. Wer einen Mix aus historischen Ereignissen, Krimi, Familie- und zarter Liebesgeschichte mag, dürfte hier interessante Einblicke in ein eher unbekanntes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkrieges erhalten.
- Autorin: Naomi Hirahara
- Titel: Clark & Division
- Originaltitel: Clark and Division. Aus dem amerikanischen Englisch von Karen Witthuhn
- Verlag: ars vivendi
- Umfang: 272 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: Oktober 2022
- ISBN: 978-3-7472-0422-1
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Wertung: 12/15 dpt