Der booknerds Jahresrückblick 2023 von Frederike


Das Jahr 2023 war für mich das erste Jahr, in dem ich durchgehend Vollzeit gearbeitet habe. Klingt vielleicht erstmal unspektakulär, war für mich aber doch eine sehr spannende und auch anspruchsvolle Zeit. Anspruchsvoll vor allem dadurch, dass ich mir wirklich gut überlegen musste, wie ich denn verdammt nochmal eine gute Work-Life-Balance zustande kriegen soll?

Wie schaffe ich es, genügend Sport zu machen, meinen Hobbies nachzugehen, mir irgendwie ein soziales Umfeld in einer neuen Stadt aufzubauen, eine Fernbeziehung zu führen und dabei noch genug Zeit für mich freizuschaufeln, die ich unbedingt zum Energie Aufladen brauche?

Die Suche nach der perfekten Kombination wird auch im Jahre 2024 fortgeführt werden, es bleibt also spannend.

Dennoch habe ich mit Ach und Krach natürlich Zeit für mein größtes Hobby gefunden: Das Lesen. Ich habe zwar weniger Bücher gelesen als letztes Jahr, dennoch gab es einige Fundstücke, die ich euch gerne vorstellen möchte, in keiner besonderen Reihenfolge:

 

I’m Glad My Mom Died von Jennette McCurdy

Jennette McCurdys Memoiren, die von ihrem Leben als Schauspielerin erzählen. Dieses Leben ist geprägt von ihrer kontrollierenden, sie bis zum Ende ausnutzenden Mutter, die sie in die Schauspielerei drängt (was Jennette selbst gar nicht wirklich wollte), sämtliche Arten von Grenzen überschreitet und sogar gezielt eine Essstörung in ihr auslöst. Brutal ehrlich schont Jennette McCurdy niemanden – auch nicht sich selbst – schafft es aber trotzdem, ihre Geschichte humorvoll zu verpacken. Als kleinen Tipp kann ich euch auch das Hörbuch sehr ans Herz legen, das von der Autorin selbst hervorragend gelesen ist.

 

Our Wives Under The Sea von Julia Armfield

Dieses Buch hat mich beim Lesen komplett in seinen Bann gezogen. Der subtilen, mysteriösen aber trotzdem total bodenständigen Erzählweise konnte ich mich einfach nicht entziehen. Es geht um Leah und Miri, ein verheiratetes Paar, das eigentlich eine glückliche Ehe führt. Bis Leah auf einer Forschungsreise mit dem U-Boot verschwindet und erst Monate später wieder auftaucht. Doch Leah ist nicht mehr die Leah, die Miri kennt und liebt, und sie weiß beim besten Willen nicht, wie sie damit umgehen soll.

 

Daisy Jones & The Six von Taylor Jenkins Reid

Nachdem ich ungefähr der einzige Mensch auf der Welt war, der nicht total von “The Seven Husbands of Evelyn Hugo” umgehauen wurde, wollte ich Taylor Jenkins Reid doch nochmal eine Chance geben. Und es hat sich gelohnt! “Daisy Jones & The Six” ist ganz ungewöhnlich im Interviewstil geschrieben. Dieser Stil wird aber genial für die Geschichte eingesetzt und genutzt. “Interviewt” wurden hauptsächlich die Mitglieder der namensgebenden Band, was gar nicht so wenige sind. Trotz der vielen Charaktere, die es zu porträtieren gilt, schafft es die Autorin, jeder Person eine eindeutige Stimme und vor allem nachvollziehbare Motivation zu geben. Im Prinzip haben wir es ohne Ausnahme mit unzuverlässigen Erzählern zu tun, denn sie nehmen viele Situationen unterschiedlich wahr und geben sie auch entsprechend wieder, was sie extrem menschlich und interessant macht.

 

Someone Who Will Love You in All Your Damaged Glory von Raphael Bob-Waksberg

Eine Kurzgeschichtensammlung voller Witz, Ironie, Biss und Hoffnungslosigkeit. Es geht um das schnelle und überwältigende Leben in New York und in der allgemeinen modernen Welt und die abstumpfende Wirkung, die es haben kann. Dabei sind manche Geschichten kurz, andere lang, manche realistisch und andere fantastisch, aber alle auf ihre Art und Weise kreativ und experimentell.

 

The Very Secret Society of Irregular Witches von Sangu Mandanna

Auch an mir ging dieses Jahr der “Cozy Fantasy” Trend nicht vorbei und dieses Buch hat mir dabei besonders gefallen. Die Protagonistin Mika ist eine Hexe – und zwar eine sehr einsame Hexe. Einerseits muss sie nämlich ihre Fähigkeiten vor nicht magischen Mitmenschen geheim halten, andererseits muss sie wegen eines alten Fluchs auch Abstand zu anderen Hexen halten. Als sie dann die Einladung erhält, drei junge Hexen in Magie zu unterrichten, ist sie sich des Risikos bewusst, kann der Versuchung aber nicht widerstehen. Die Familie, die sie dadurch findet, ist einfach nur herzerwärmend.

 

Belohnungssystem von Jem Calder

Noch eine Kurzgeschichtensammlung über unsere aktuelle Gesellschaft. “Belohnungssystem” ist geprägt von Entfremdung, Hoffnungslosigkeit, sich irgendwie durchs Leben treiben lassen. Und doch oder vielleicht gerade deswegen fühlte ich mich beim Lesen irgendwie gesehen. Meine ausführliche Rezension zum Buch findet ihr hier.

 

On Earth We’re Briefly Gorgeous von Ocean Vuong

Wundervoll lyrisch, sanft und nachdenklich, manchmal aber auch brutal ehrlich, ist dieses Buch stark an Ocean Vuongs eigenes Leben angelehnt. Geschrieben als Brief an seine Mutter erzählt das Buch vom “Anderssein” und den Reaktionen darauf. Anders durch Herkunft, Sprache, Geld, Sexualität. Dabei fällt immer wieder auf, wie respektvoll und verständnisvoll er über andere Menschen schreibt, auch wenn sie sich ihm gegenüber schlecht verhalten haben.

 

As Long As The Lemon Trees Grow von Zoulfa Katouh

Dieses Buch erzählt vom Krieg in Syrien. Salama arbeitet im Krankenhaus ihres kleinen Dorfes, das gerade noch so den Bomben standhält. Sie spürt die Verantwortung auf ihren Schultern, und das obwohl sie nicht einmal fertig ausgebildete Ärztin ist. In ihr tobt ein Konflikt: Soll sie standhaft bleiben und auf ihre Art die Revolution unterstützen? Oder fliehen und sich und ihre schwangere Schwägerin in Sicherheit bringen? Und welche Rolle spielt bei der Entscheidung der Junge, der plötzlich in ihr Leben tritt und der sich schnell zu einer der wenigen kraftspendenden Dinge in ihrem Leben entwickelt?

 

Small Things Like These von Claire Keegan

Mit seinen knapp 100 Seiten kann man dieses Buch eher als kleinen literarischen Snack betrachten, der es aber in sich hat. Claire Keegan beschreibt eine kleine verschneite irische Stadt kurz vor Weihnachten im Jahre 1985. Was idyllisch scheint, wird aber schnell durch verdächtige Umstände in einer nahegelegenen Magdalenen-Wäscherei (einer kirchlichen “Besserungsanstalt” für junge Frauen) durchbrochen. Eine bewegende Geschichte mit einem bodenständigen, herzensguten Protagonisten.

 

Young Mungo von Douglas Stuart

Mungo lebt in einem Arbeiterviertel im Glasgow der 90er Jahre – und passt da überhaupt nicht rein. Um ihn herum sind die Menschen rau, abgebrüht bis hin zu gewalttätig. Seine Mutter vernachlässigt ihn, sein Bruder ist ein gefürchteter Bandenführer. Nur seine Schwester steht ihm bei, sie will aber vor allem raus und auf die Universität. Und Mungo steht irgendwie zwischen allem. Er ist zu lieb, zu hübsch, zu sanft, zu naiv. Er möchte mit den Menschen um sich herum klarkommen, wenn möglich sogar helfen, doch er wird immer wieder zurückgestoßen. Als er sich dann in einen Nachbarsjungen verliebt, erfährt er vielleicht zum ersten Mal eine Art Glück und Akzeptanz. Aber wie lange kann das gut gehen? Mungo ist ein Charakter, den man so sehr ins Herz schließt, dass es weh tut.


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