T. Kingfisher – Was die Nacht verschweigt (Buch)


“Was die Toten bewegt” war eine zauberhafte Adaption von Edgar Allan Poes “Untergang des Hause Usher” und ich habe mich sehr gefreut, dass T. Kingfisher uns mit “Was die Nacht verschweigt” ein weiteres Mal mit Alex Easton, Angus und Miss Potter auf Gruselreise schickt. 

Alex Easton kehrt nach langer Zeit ins fiktive Gallazien zurück, um der Mykologin Miss Potter zu ermöglichen, die dort einzigartige Pilzvielfalt zu erkunden. Aber im alten Landhaus der Familie Easton ist nichts mehr wie es war – das Haus ist verlassen, der Hausmeister tot und im Dorf verhalten sich die Menschen äußerst merkwürdig. Niemand will das Grundstück mehr betreten und wenn sie es doch tun, dann nur abgesichert durch unzählige abergläubische Rituale. Alex hatte eigentlich die Nase voll von Abenteuer, Grusel und Folklore und gibt dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung, was sich aber eventuell als Fehler herausstellen könnte … 

Mit diesem zweiten Teil bedient T. Kingfisher sich an folkloristischem Aberglauben und erschafft so eine übersinnlich gruselige Geschichte. Leider fiel die schaurige Atmosphäre für mich aber, vor allem im Vergleich zum vorherigen Buch, etwas flach. Gallazien ist ein fiktives Land und hätte somit viel Potential das Worldbuilding auch dementsprechend auszubauen – tatsächlich ist es landschaftlich aber vielen mitteleuropäischen Landstrichen sehr ähnlich (viel Wald, viel sumpfiges Gelände, ein paar Berge drumherum) und das einzige besondere Merkmal der Gallazier*innen bleibt ihre besondere Sprache, die zum Beispiel unzählige verschiedene Pronomen aufweist. Auf diese wird im zweiten Band nicht mehr besonders eingegangen, weswegen es sich definitiv empfiehlt, den ersten Teil vorher zu lesen. Im ersten Teil wird erklärt, weswegen Alex das Pronomen “ka” verwendet und dass es sich bei them um eine nonbinäre Person handelt. Wer eine Abneigung gegen Neopronomen und korrektes Gendern im Allgemeinen hat, der sollte dieses Buch besser nicht lesen. Oder vielleicht genau dann doch – immerhin beweist es sehr eindrücklich, dass Neopronomen sich gut in eine Geschichte einfügen und man sich sehr schnell daran gewöhnt. Dies wird auch am Kniff in der deutschen Übersetzung deutlich, mit dem die Moroi zu einer weiblichen Gruselgestalt wird. 

Dadurch dass das Buch atmosphärisch für mich nicht viel tat, zog es sich zu Beginn leider auch ziemlich, da erstmal nicht viel geschieht. Das Tempo zieht im letzten Drittel des Buches dann aber deutlich an und es wird spannender. Da auch dieses Büchlein wieder recht dünn ist und es eine Unmenge an Illustrationen gibt, gelangt man glücklicherweise recht schnell an diesen Punkt. 

Großen Wert legt Kingfisher auf die Darstellung der vielfältigen Traumata, die die Hauptfigur während zahlreicher Kriegseinsätze als Soldat*in erfahren hat, und wie sie nach wie vor durch manche Erlebnisse getriggert wird. Angelehnt sind diese Ereignisse an die des serbisch-bulgarischen Kriegs 1885, was dem gesamten Buch auch wieder den Rahmen einer klassischen Gothic Horror Novelle gibt. 

“Falls das tatsächlich einem Märchen entsprang, dann wohl einem, in dem am Ende alle gefressen werden – als Warnung davor, durch den Wald zu streunen -, und nicht etwa einer dieser Kitschgeschichten, die mit einer Hochzeit endeten, sowie dem Sätzchen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.”

Alles in allem war das Buch für mich eine nette Ergänzung zum ersten Band, jedoch kein absolutes must-read. Das sympathische Nachwort hat aber wiederum dafür gesorgt, dass ich nach wie vor T. Kingfisher-Fan bleibe und mich auch auf weitere Bücher freue, auch wenn die Geschichte um Alex Easton für mich eher auserzählt scheint. “The Hollow Places”, was diesen Monat bei Eichborn erscheint, liegt bereits auf meinem Nachttisch und verspricht auch wieder schaurig-schräges Lesevergnügen. Bei Cross Cult erscheint mit “Dornenhecke” kommendes Jahr eine etwas andere Märchen-Adaption von Kingfisher, auf die ich auch wieder sehr gespannt bin. 

Auch wenn T. Kingfishers Bücher häufig ins Genre Gothic Horror fallen, sind sie auch für eher Zartbesaitete wirklich gut lesbar. 

  • Autor: T. Kingfisher
  • Titel: Was die Nacht verschweigt
  • Teil/Band der Reihe: 2/?
  • Originaltitel: What feasts at night
  • Übersetzer: Elena Helfrecht
  • Verlag: Cross Cult Entertainment
  • Erschienen: 11/2024
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 185
  • ISBN: 978-3-9866658-8-3
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite 
  • Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 9/15 dpt

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