Düstere Zeiten in Niederschlesien

Mai 1921. In einem Waldstück nahe der Stadt Reinerz wird in einem Felsspalt eine verweste Leiche gefunden. Kommissar Wilfried Mott erkennt schnell, um wen es sich bei der toten Frau handelt. Im Februar 1916 wurde Sabine Hunfeld entführt und trotz Zahlung eines Lösegeldes nicht mehr gesehen. Eine große Suchaktion blieb erfolglos. Nun übernimmt sich Wachtmeister Franz Koschella den Fall, der seit einem Jahr die Kriminalabteilung für Gewaltverbrechen in Glatz leitet. Mott beauftragt seinen Mitarbeiter Klaus Bausch, dem Kollegen auf die Finger zu schauen, allerdings nicht einzugreifen, denn schon damals löste der Fall heftige Reaktionen aus.
„Ich weiß, wer das ist. Mach dich auf einen Tornado gefasst, Bausch. Er wird über unser Tal hinwegfegen, und ehe du dich versiehst, wird nur noch Schutt und Asche übrig sein.“
Sabines Stiefmutter Katherine macht Druck, denn die polizeilichen Ermittlungen wurden damals überraschend schnell eingestellt. Angeblich auf Intervention aus Berlin, die einen Ringverein verantwortlich sahen, der sich auf Frauenhandel spezialisierte. Ein anderer Verdächtiger war seinerzeit Franz Armand, ein Krimineller, der nur allzu oft seine Hände im Spiel hat. Für die Zeit von Sabines Entführung hat er allerdings ein perfektes Alibi, denn er saß zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis, da er am gleichen Tag in das Büro des Kurinspektors einbrach und festgenommen wurde.
Koschella ermittelt fieberhaft und wird nur wenig später selber verhaftet. In einer Badeanstalt soll er Bastian Rabe, den er für Sabines Mörder hält, ermordet und anschließend verbrannt haben, doch selbst im Gefängnis, wo er seines eigenen Lebens nicht sicher sein kann, sorgt er weiter für Unruhe. Hauptmann Wilhelm Klein, inzwischen Privatperson, arbeitete ein Jahr zuvor mit Koschella in Glatz zusammen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten fast in einer Art Freundschaft mündete. Nun ist Klein zurück, um ihm beizustehen. Derweil geht das Morden munter weiter. Offenbar sollen Zeugen des damaligen Vorfalls endgültig zum Schweigen gebracht werden.
Zweiter Teil der preisgekrönten Glatz-Reihe
Im Polente Verlag mit Sitz in Wien ist soeben der zweite Teil der Glatz-Reihe erschienen, in dem es noch düsterer zugeht. Ja, das ist möglich. Die Geschichte pendelt zwischen den Städten Reinerz (heute Duszniki) und Glatz (heute Klodzko) hin und her, was zu kleineren Reibereien zwischen den polizeilichen Behörden führt. Man ist sich nicht ganz grün, zumal vor fünf Jahren ordentlich geschlampt wurde. Zunächst gehört die Szenerie Koschella, Hauptmann Klein betritt erst nach hundert Seiten die Bühne, da sitzt der Wachtmeister bereits im Gefängnis und kämpft um sein Überleben. Franz Armand hat dort das Sagen und selbst die Wärter wollen ihren Spaß und prügeln kräftig mit. Es geht wild her im Herrgottsländchen, wie die Glatzer ihre Gegend gern bezeichnen.
„Unser Land wird Herrgottsländchen genannt. Und ich gebe zu, dass ich die Mündel oft daran erinnert hab. Und als ich das Wort wieder mal in einem Gespräch zu Franz erwähnt habe, bekam ich ein paar unschöne Worte als Antwort. Wissen Sie, was er gesagt hat?“
„Nein.“
„Er hat gesagt: Schwester Greta, Gott schert sich einen Dreck um sein Land. Der war schon lange nicht mehr hier.“
Man reibt sich verwundert die Augen, denn der Mord im Badehaus ist offensichtlich Fakt, Koschella ein Mörder. Aber was treibt ihn an, wie sind seine weiteren Pläne und worum geht es wirklich? Es geht (nicht nur) um die Vorherrschaft bei Glücksspiel und Prostitution. Irgendwer muss die Aktionen sprich Morde allerdings decken und Klein ahnt, wo dieser unbekannte Jemand zu finden sein muss: Bei der Polizei in Reinerz oder Glatz und dort an herausgehobener Stelle.
Es ist ein düster gehaltener Plot, bei dem nur selten zwischen Gut und Böse unterschieden werden kann, da nicht zuletzt mehrere Polizisten ihr kriminelles Süppchen kochen. Man muss aufmerksam lesen, denn gelegentlich folgen wichtige Hinweise eher beiläufig. Etliche Wendungen sowie die stetig steigende Zahl von Menschen, die keines natürlichen Todes sterben, halten den Spannungsbogen konstant hoch. Deren genaue Anzahl vermag man am Ende nicht zu nennen. Ebenso unklar bleibt die Figur des Wilhelm Klein, der kaum greifbar ist. Wohl ein genialer Ermittler, aber viel mehr erfährt man nicht über ihn. Vieles bleibt vor allem beim persönlichen Hintergrund im Ungefähren und wird womöglich im dritten Teil „Glatz – Rübezahl“ aufgeklärt, der für Mitte 2026 in Vorbereitung ist. Gute und zu Recht preisgekrönte Krimikost aus Polen!
- Autor: Tomasz Duszynski
- Titel: Glatz. Herrgottsländchen
- Originaltitel: Glatz – Kraj pana boga Aus dem Polnischen übersetzt von Markus Schnabel
- Verlag: Polente
- Umfang: 368 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Juni 2025
- ISBN: 978-3-9505744-1-8
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Wertung: 12/15 dpt







