Mariana Travacio – Ein Mann namens Loprete (Buch)  

Beeindruckende wie verstörende Rachegeschichte

In ein kleines, staubiges Dorf irgendwo in Argentinien kommt ein Mann namens Loprete in die Bar von El Tano und fragt nach Pepa. Sie sei ihm weggelaufen. El Tano, Manoel und Juancho können nicht helfen, Loprete nimmt fünf Drinks, sodann kommt es zum Streit und am Ende ist der Fremde tot. Die blutige Leiche wird vergraben, die Sache vergessen, jedoch hat der Mann eine ebenso reiche wie große Familie. Drei der acht Brüder stellen zwei Wochen später El Tano zur Rede, schneiden ihm ein Stück seines Ohres ab und wollen am nächsten Tag wiederkommen. El Tano und Manoel ergreifen die Flucht in Richtung Norden, während Juancho mit seiner Familie zurückbleibt. Ein tödlicher Fehler.

„Seine Augen waren offen gewesen, als hätte er den Augenblick nicht verpassen wollen, in dem das Leben ihn verließ.“

El Tano und Manoel lassen sich Zeit, gehen über Monate einer Arbeit nach und suchen schließlich die Hilfe von Miranda, einem Freund von El Tanos Vater. Dieser stellt zehn Männer zur Verfügung, um einen Rachefeldzug starten zu können, denn El Tano hat zwischenzeitlich Manoel anvertraut, dass der älteste der Loprete-Brüder für den Tod von Manoels Eltern verantwortlich ist.

Debütroman in Deutscher Erstausgabe

Mariana Travacio wuchs in Argentinien und Brasilien auf, studierte unter anderem Kreatives Schreiben und veröffentlichte 2016 ihren Debütroman „Como si existiese el perdón“, der jetzt in Deutscher Erstausgabe bei Pendragon erschienen ist. Ein schlanker Roman, von dessen Umfang man sich nicht täuschen lassen sollte. Travacio schreibt gekonnt, verzichtet auf überflüssigen Schnickschnack. Knappe hundertzwanzig Seiten reichen für stolze zweiundsechzig Kapitel; kein Wunder, besteht ein Hauptteil des Romans aus der großen Kunst des Auslassens.

Wir erinnern uns: Pepa wird gesucht und ist quasi der Stein des Anstoßes, aus dem eine gänzlich aus dem Ruder laufende Racheaktion wird. Wer Pepa ist und warum sie weggelaufen ist, erfährt man nicht. Störende Details, wie es so schön heißt. Und wo wir gerade dabei sind: Wo und wann spielt die Geschichte eigentlich? Es darf geraten werden. Irgendwo in Argentinien, das steht fest (beziehungsweise auf dem Buchrücken). Die Menschen sind zu Fuß oder zu Pferd unterwegs, die Geschichte könnte sowohl in der Gegenwart oder in der Vergangenheit spielen. Es bleibt im Ungefähren und so erinnert man sich, nicht zuletzt aufgrund des Handlungsablaufs, an den einen oder anderen Western.

Erzählt wird die Geschichte von Manoel, ein Ich-Erzähler, der dummerweise auch nicht alles weiß. Früh verlor er seine Eltern und wuchs bei seinem Ersatzvater El Tano auf, der ihm erst jetzt die Geschichte seiner Familie erzählt. Auch erfährt man in sauber eingearbeiteten Rückblenden, Aufmerksamkeit ist hier gefordert, wie der zu Beginn auftauchende Loprete und später Juancho starben. Blutig wird es zudem im Finale, welches in einer Gewalteskalation mündet. Detailliert geht es auch hier nicht zu, dafür sind die wenigen expliziten Darstellungen eindringlich, wobei die Autorin letztlich konsequent auf das Kopfkino ihrer Leser abzielt. Wer gerne Horrorfilme oder Psychothriller sieht, weiß, dass am Schlimmsten jene Szenen sind, die es gar nicht gibt, sondern in der eigenen Fantasie stattfinden.

Das Buch endet mit folgendem Satz:

„Und dann kommt die helle, durchscheinende Luisa, von der nie ein Wort des Vorwurfs kommt., Luisa, mit den klaren Augen, die schlichte, siegreiche Luisa, die starke, und umarmt mich, als wäre ich ein Heiliger, sieht mich an, als gäbe es Vergebung.“

Vergebung gibt es so wenig wie Erlösung angesichts des stattlichen Blutbads, dessen Opfer nicht zu zählen sind. „Ein Mann namens Loprete“ ist ein sprachgewaltiges wie außergewöhnliches Werk, auf das man sich einlassen muss. Dann wird man mit einer klaren Sprache und vielen Lücken, die man gedanklich selber füllen darf, entlohnt. In seinem lesenswerten Nachwort empfiehlt Booknerds-Kollege Jochen König übrigens als „ergänzende und erweiternde Lektüre“ Juan Rulfos Meisterwerk „Pedro Paramo“.

  • Autorin: Mariana Travacio
  • Titel: Ein Mann namens Loprete
  • Originaltitel: Como si existiese el perdón. Aus dem argentinischen Spanisch von Kirsten Brandt. Mit einem Nachwort von Jochen König
  • Verlag: Pendragon
  • Umfang: 128 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: September 2025
  • ISBN: 978-3-86532-910-3
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt

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