Ian Rankin – Die dunkelste Stunde der Nacht (Buch)

Der legendäre Rebus sitzt vorerst lebenslänglich

Seit rund einem halben Jahr ist John Rebus quasi Gast Seiner Majestät im His Majesty’s Prison, dem HMP Edinburgh. Die Berufung ist noch immer in Vorbereitung, daher sitzt er weiter seine lebenslängliche Strafe wegen Mordversuchs ab. Seinen ewigen Widersacher Big Ger Cafferty hatte es erwischt, die Rolle von Rebus respektive die Auswirkung seines Handelns sind unklar. Immerhin genießt er im Gefängnis den Schutz von Darryl Christie, dem neuen Boss in der Unterwelt Edinburghs, denn dieser ist sicher, dass Rebus maßgeblich zum Ableben seines größten Konkurrenten beigetragen hat. Diese Hilfe ist für Rebus überlebenswichtig, denn nicht wenige der Insassen verdanken ihm ihre Haft und haben zudem eine recht kurze Zündschnur. Als in einer Nachbarzelle Jackie Simpson die Kehle durchgeschnitten wird, während dessen Zellenkollege Mark Jamieson völlig zugedröhnt nichts mitbekommen haben will, muss Rebus besonders aufpassen. Da die Tat nach Schließung der Zellen stattfand, gerät der Wärter Chris Novak ins Visier von DS Christine Esson, die den Fall für das CID übernimmt.

„Beherrschen Sie Fremdsprachen, John?“

„Wenn’s sein muss, kann ich mich auf Englisch verständigen.“

„Nicht mal Gälisch?“

„Ich weiß, was „Leck mich am Arsch“ auf Gälisch heißt, aber auf Irisch, nicht auf Schottisch.“

DI Siobhan Clarke ist derweil nach einem kurzen Intermezzo bei Police Standards auf der Wache St. Leonard’s eingesetzt, wo die vierzehnjährige Jasmine Andrews vermisst gemeldet wurde. Schon bald gibt es eine erste Spur, die in die Abgründe des Internets führt. Malcolm Fox von Police Standards versucht seinerseits, die Drogenschwemme in Edinburgh in den Griff zu bekommen, weswegen er Simpson auf Christie angesetzt hatte. Als wäre ein Mord im Gefängnis und eine verschwundene Jugendliche noch nicht genug, scheint in der Stadt bereits der harte Kampf um die Vorherrschaft im Milieu ausgebrochen zu sein. Cafferty ist tot, Christie sitzt, womöglich die große Chance für Shay Hanlon, den mysteriösen Gangsterboss aus Liverpool. Viel Arbeit für Rebus, Clarke, Esson und Fox, wobei letztgenannter mal wieder zeigt, dass er ein ebenso selbstgerechter wie schlechter Ermittler ist. Von dem Wort Kollege ganz zu schweigen.

Der 25. Fall für John Rebus und das ohne Big Ger Cafferty

Rebus ist krank und im Gefängnis, da fangen die ersten Abgesänge auf die legendäre Reihe an. Doch da Clarke, Esson und Fox ja draußen – in vermeintlich unterschiedlichen Fällen – ebenfalls ermitteln, ist die Spannungskurve ordentlich hoch, wobei die zahlreichen Personennamen – drinnen wie draußen – eine gewisse Konzentration erfordern. Ian Rankin, einer der Großmeister des Tartan Noir, geizt nicht mit Action und weiteren Opfern sowie zwischenmenschlichen Dramen. Als klar wird, dass die verschwundene Jasmine auf Abwege im Internet geraten ist, um dort das schnelle Geld zu verdienen, wird es unappetitlich, wenngleich es nicht zum Äußersten kommt.

„Du warst schon immer scheiße im Fragestellen, Malcolm. Wieso erzählst du mir nicht einfach, warum sich die Specialist Crime Division für den Tod eines Kleinkriminellen interessiert?“

„Inzwischen heißen wir OCCTU – Organised Crime and Counter-Terrorism Unit, Abteilung für Organisiertes Verbrechen und Terrorbekämpfung.“

„Wahrscheinlich verdient irgendein Studierter einen Haufen Schotter damit, dass er sich diese ganzen Bezeichnungen ausdenkt. Aber das erklärt nicht dein Interesse.“

„Mord ist immer interessant, John, und ganz besonders, wenn er in unmittelbarer Umgebung von jemandem wie Darryl Christie verübt wird.“

Edinburgh, die verschiedenen Polizeieinheiten und deren Zusammenarbeit werden intensiv beschrieben, ebenso wie das Leben hinter Gittern mit seinen alltäglichen Problemen. Rebus genießt einen Sonderstatus dank Christie, denn der einstige Topermittler des CID steht bei manchem auf der Abschussliste weit oben und wer lebenslänglich absitzt hat eh‘ nichts mehr zu verlieren. Könnte man sich wenigstens auf Christie verlassen, doch im Gefängnis gibt es zwei Lager und nur eines ist auf dessen Seite. Der Bandenkrieg im und außerhalb des Gefängnis droht erschreckende Ausmaße anzunehmen, jedoch folgen einige gelungene Pointen.

Ian Rankin unterstreicht mit dem vorliegenden Roman nachdrücklich, dass für seinen Helden noch kein Ende absehbar ist. Bleibt also abzuwarten, was die Berufung ergeben wird. So oder so, eine Fortsetzung ist alles andere als unwahrscheinlich.

  • Autor: Ian Rankin
  • Titel: Die dunkelste Stunde der Nacht
  • Originaltitel: Midnight & Blue. Aus dem Englischen von Conny Lösch
  • Verlag: Goldmann
  • Umfang: 432 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: September 2025
  • ISBN: 978-3-442-31726-4
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt

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