Die Tage des Wallace Avery (Colin Firth) sind gezählt – Tage, in denen er zwar gutes Geld verdient, aber einen extrem langweiligen Job ausübt. Tage, in denen er sich immer wieder mit nervtötenden Auseinandersetzungen mit seiner Ex-Frau konfrontiert sieht. Tage, in denen ihn sein Teenagersohn Kevin mit Desinteresse bestraft. Tage, in welchen selbst die aktuelle Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Mina ungefähr so prickelnd ist wie ein stehengelassenes Bier am nächsten Morgen. Für ihn steht fest: Bis hier hin und nicht weiter. Er verschafft sich eine neue Identität und schlüpft fortan in die Rolle des Golfprofis Arthur Newman, lässt sich einen neuen Ausweis anfertigen, kehrt seinem eingefahrenen Leben den Rücken und inszeniert letztendlich seinen eigenen Tod.
Auf der Flucht vor sich selbst und der Suche nach seinem neuen Ich trifft er in einem Motel auf die völlig neben der Spur liegende Michaela (Emily Blunt) – und während Ex-Wallace und Jetzt-Arthur der jungen Frau zu helfen versucht, offenbart sie ihm, dass auch sie vor ihrer Vergangenheit davonläuft, unter falschem Namen unterwegs ist und eigentlich Charlotte heißt. Zwischen den beiden entwickelt sich ein kompliziertes und wechselhaftes Miteinander, doch sehr bald finden die beiden riesigen Spaß daran, durch die Staaten zu fahren, in fremde Häuser einzusteigen und für kurze Zeit das Leben der normalerweise dort wohnenden Menschen nachzuleben. Während dieses sehr schrägen Road-Trips lernen die beiden viel voneinander und über sich selbst.
Eine allzu originelle Idee wurde vom debütierenden Regisseur Dante Ariola und Drehbuchautorin Becky Johnston nicht gerade aufgegriffen, doch die Art und Weise, wie der Film inszeniert und geschnitten wurde, verleiht dem Streifen dann doch einige zusätzliche Facetten, die den Reiz des Ganzen erst ausmachen – die Szenen wechseln teilweise derart abrupt beziehungsweise gehen so nahtlos ineinander über, dass man oftmals erst ein paar zusätzliche Zehntelsekunden benötigt, um zu begreifen, dass wieder von der Sicht der beiden Identitätsflüchtliunge in Richtung des weiter laufenden alten Lebens des Nicht-mehr-Wallace und oder umgekehrt gewechselt wurde.
Die gelungene musikalische Untermalung trägt viel zur Grundstimmung des Films bei, die ein stetiges Auf und Ab und Hin und Her ist – sowieso hat man mit der Beschreibung “Romantische Komödie” recht weit daneben gegriffen, denn wenngleich selbstverständlich sowohl komödiantische als auch romantische Momente in Hülle und Fülle vorhanden sind, so finden sich mindestens ebenso viele dramatische, nachdenkliche, aufwühlende und traurige Szenen in “Ein tolles Leben” wieder – speziell in den Momenten, in denen Arthur und Michaela sich einander öffnen. Und wieder verschließen. Und wieder öffnen.
Beeindruckende, lebendige Bilder runden “Ein tolles Leben” angenehm ab und geben dem Film trotz seiner eher ruhigen Ausrichtung die für den Zuschauer nötigen Atempausen, denn wenngleich die einzelnen Szenen bis auf ein paar Ausnahmen nicht gerade mit dem Holzhammer in den Kopf des Zuschauers geprügelt werden, so sind die Szenen mit Wallace/Arthur und Michaela/Charlotte doch sehr eindringlich und in ihrer Gesamtheit sehr gewaltig.
Gewaltig, und zwar gewaltig gut sind die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller – die Britin Emily Blunt spielt ihre Quasi-Doppelrolle mit mitreißender Hingabe und voller Überzeugung, und Colin Firth zeigt einmal mehr, welch ein begnadeter Akteur er ist, da er sich komplett in seine Rollen zu verlieren in der Lage ist und jede noch so kleine Gesichtsbewegung schlichtweg echt wirkt – die Stärke Firths und Blunts ist allerdings gleichzeitig auch die – erfreulicherweise einzige – Schwäche des Films, denn wenngleich Lucas Hedges als Kevin, Anne Heche als Mina Crawley und all die anderen Darsteller überdurchschnittlich gut vor der Kamera agieren, wirken sie nicht zuletzt durch die doch arg maßgeschneidert geschriebenen Rollen des Protagonistenduos ein wenig blass – und das, obwohl zahlreiche Charaktere eine wichtige Rolle im Film einnehmen.
“Ein tolles Leben” ist unterm Strich jedoch ein gleichermaßen berührender wie unterhaltsamer Film, der in mehreren Genres zuhause ist und mit einem hohen Maß an Tiefe besticht.
Cover & Szenenfotos © Tobis
- Titel: Ein tolles Leben – Hast du keins, nimm dir eins
- Originaltitel: Arthur Newman
- Produktionsland und -jahr: USA, 2012
- Genre:
Drama
Romanze
Komödie
Roadmovie
- Erschienen: 14.11.2013
- Label: Tobis
- Spielzeit:
97 Minuten auf DVD
100 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Colin Firth
Emily Blunt
Anne Heche
Sterling Beaumon
Autumn Dial
David Andrews
Nicole LaLiberte
Lucas Hedges
Kristin Lehman
Steve Coulter
Devon Woods
uvm.
- Regie: Dante Ariola
- Drehbuch: Becky Johnston
- Produktion:
Alisa Tager
Becky Johnston
Mac Cappuccino
Brian Oliver
- Musik: Nick Urata
- Extras:
Zahlreiche Interviews
B-Roll
Deutscher Trailer
Originaltrailer
- Technische Details (DVD)
Bild: 2,40:1
Ton: Deutsch, Englisch (DD 5.1)
Untertitel: –
- Technische Details (Blu-Ray)
Bild: 2,40:1 HD
Ton: Deutsch, Englisch (DTS-HD MA 5.1)
Untertitel: –
FSK: 12 - Sonstige Informationen:
Produktseite zum Film
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Wertung: 11/15 dpt