Maël & Olivier Morel – Die Rückkehrer: Wenn der Krieg im Kopf nicht endet (Graphic Novel, Buch)


Maël & Olivier Morel - Die Rückkehrer: Wenn der Krieg im Kopf nicht endet (Graphic Novel, Buch) Cover  © Carlsen Verlag… Physisch waren sie zurückgekehrt, aber ihre Seele, das, was sie ausmachte, war dort geblieben.

Jeffrey Michael Lucey, Soldat des US-Marine Corps und an Einsätzen im Irak beteiligt, war einer von ihnen. Heimgekehrt aus dem Ausland hatte er mit dem Trauma des Krieges zu kämpfen. Eines Nachts bat Jeff, ein erwachsener Mann, seinen Vater, ihn in den Arm zu nehmen und zu wiegen, einem Baby gleich, bis er schlief. Einen Tag später wiegte sein Vater ihn erneut in den Armen, nachdem er den leblosen Körper seines Sohnes von einer Schlinge an einem Kellerbalken abgenommen hatte. Jeff ist einer der Verlierer des Krieges, obwohl er doch selbst auf der “Gewinner-Seite” stand.

In der Art ergeht es vielen der Heimkehrer, Soldaten, die einst heroisch in den Krieg zogen, überzeugt, das Richtige zu tun, und als gebrochene Seelen zurückkehrten, in dem Bewusstsein, Schreckliches begangen zu haben, zu Unmenschlichem fähig zu sein, einfach, weil man es ihnen befahl, weil man ihnen suggerierte, dass die “Anderen” nichts wert waren und dass sie allein ihr Leben in den Dienst der Sache und der Waffe stellen sollten. Sie wollten Teil von etwas Gutem sein und sind Teil von etwas Bösem geworden.

Olivier Morels Grafiknovelle “Die Rückkehrer: Wenn der Krieg im Kopf nicht endet” ist ein Bericht in Zusammenhang mit der Entstehung seines Dokumentarfilms “Amerikas verletzte Seelen” (Originaltitel: “L’âme en sang”), welcher der Thematik der Traumata nach den erlebten Wirren des Krieges den Versuch einer Aufarbeitung widmet.

Kriegserlebnisse der Veteranen von Menschen, zerfetzten Körpern, von Blicken in Kinderaugen, die das Geschehene nicht verstanden, vom Lachen und Beklatschen der Kameraden, wenn sie mit auf der Motorhaube festgezurrten Leichen durch das Dorf fuhren, werden ebenso authentisch dargestellt wie der klägliche Versuch eines Weiterlebens, welches die Soldaten nach ihrer Heimkehr führen.

Unterlegt mit Zeichnungen des Comiczeichners und -autors Maël entstehen Abläufe im Kopf, die der Emotionalität des Themas gerecht werden. Der Grafikstil, die Bilder und geschaffenen Brücken sind von bleierner Schwere, wirken nach, erzeugen Bitterkeit und Verbitterung in Bezug auf die, denen ein Krieg einzig nutzt.

Die Grafiknovelle (in der Art eines Comics) als gewählte Form der Darstellung ist vielleicht ein ungewöhnlicher Weg, letztendlich aber einer, der die Bilder im Kopf der Veteranen zu Papier bringen kann, ein Weg, der Aufmerksamkeit schafft, und auch den Soldaten, die zu “Tätern” geworden waren, die aus Angst, Wut und suggeriertem Pflichtgefühl so handelten, wie sie handelten, Gehör schenkt, die allzu oft mit ihren Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen, Drogensüchten und Suizidgedanken allein gelassen werden, über die niemand mehr etwas wissen will, wenn die Berichte über das erfolgreich zu Ende gebrachte Kriegsgeschehen in den Nachrichten versiegt sind.

Morel stellt den Irrglauben heraus, dem diese zunächst enthusiastischen Soldaten erlagen, darüber, dass sie einst in den Krieg zogen, um zu helfen, andererseits kehrt er aber auch “niedere” Motivationen nicht unter den Tisch, wie etwa die Beschleunigung einer Einbürgerung für Einwandererfamilien, so man sich freiwillig meldet.

Darüber hinaus zeigt Morel auch, was die Thematik mit ihm selbst macht, denn während der Dreharbeiten entstehen auch in ihm Ängste, Wut und Unglaube über die Gleichgültigkeit, da sich kaum jemand gedanklich mit Kriegen auseinanderzusetzen scheint, außer den Betroffenen.

Nach Ende der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm, so stellt es die Novelle dar, bittet Ryan, einer der Kriegsveteranen, Morel, ihn zu einem Abhang in der Wüste zu begleiten, einer Wüste inmitten von Amerika, die Ryan an seinen Kriegseinsatz im Irak erinnert. Er stellt sich an einen Abgrund mit dem Rücken zum Filmemacher und zieht sein Shirt über den Kopf. Auf dem Rücken prangt ein Tattoo zweier Hände, an denen Blut klebt, dabei steht: “Vergebt mir, denn ich habe gesündigt.”

Cover  © Carlsen Verlag

Wertung: 11/15 dpt

 

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