Ein Haus voller knapp bekleideter Mädchen, die manchmal sogar (halb)nackt durch die Gegend wackeln? Nein, wir sind nicht in der “Sorority Row”, sondern ein Gebäude daneben, im “Girlhouse”. “Töte, was du kriegen nicht kriegen kannst!” lautet der prosaische deutsche Untertitel, und da der libidinös arg gebeutelte “Loverboy” keine kriegen kann, kriegt er sie alle – dran. Na gut, fast alle.
Wir leben in einer sexualisierten, pornösen Welt. Das WorldWideWeb macht es möglich, zu jeder Tages- und Nachtzeit, unabhängig von Herkunft, Einkommen (gut ein Internet-Anschluss muss sein), Religion oder Alter, Pornographie zu konsumieren und die Produzenten von gefühlsechter Handcreme reich werden zu lassen.
“Girlhouse” klärt radikal darüber auf, welche Gefahren dies bergen kann. Wenn denn Aufklärung wie folgt aussieht: Von fiesen Mädels gemobbter (natürlich übergewichtiger) Sonderling wird schon in frühester Jugend zum beleidigten Meuchelmörder. Niemand lässt sich schließlich gerne unter Gelächter sagen, dass sein Schniepi wie ein Tannenzapfen aussieht. Jahre später ist unser namensloser “Loverboy” ein User gleichen Namens auf einer Website, die sich “Girlhouse” nennt.
Dort leben eine Handvoll bare Busen, deren Trägerinnen unterschiedlicher Nationaionalität sind, um sich und verschiedene Geschmäcker vor fünfzig laufenden Kameras zu befriedigen. Natürlich ist diese versteckt gelegene Big-Brother-Bums-Bude professionell ausgestattet und wird von einem smarten Geschäftsmann und seinen Helfern geleitet.
Loverboy verguckt sich in die liebreizende, neue Bewohnerin namens Kylie, die aufgrund ihrer kürzlich eingetretenen Halbwaisenschaft Geld fürs Studium braucht. Die aufgeklärte Studentin von heute hat sich mit der allgegenwärtigen Pornographie arrangiert und heuert im freizügigen Gewerbe an. Was Loverboy gefällt. Bis sich die etwas neidischen Kolleginnen der erfolgreichen Kylie lustig über ihn machen.
Obwohl angeblich bombensicher geschützt und verborgen, macht unser Loverboy das Sieben-Mädel-Haus in Windeseile ausfindig, pfiffiger Computernerd der er ist, und metzelt sich durch Personal und Bewohnerinnen. Kylie, die sich in der Zwischenzeit mit ihrem adretten Kindergartenfreund Ben angefreundet hat, hebt er sich bis zum Finale auf. Bleibt die bange Frage: Wird Kylie sich ihres aufgebrachten Möchtegern-Liebhabers erwehren können, und falls ja, wie oft steht er wieder auf? Erreicht Ben das Anwesen – dank der Hilfe seines sexsüchtigen aber technikaffinen Freundes, rechtzeitig, um seine Kylie zum Abspann in die Arme schließen zu können?
Wer noch nie einen Slasher gesehen hat, hört jetzt besser mit dem Lesen auf und besorgt sich Anschauungsmaterial. Alle anderen nicken wissend.
Kleiner Spoiler vorneweg: Erfreulicherweise steht Loverboy nicht mehr auf, nachdem Kylie mit ihm fertig ist. Noch besser, dass sie es ohne männliche Zuhilfenahme schafft zu überleben. Damit hat sich der Originalitätsfaktor von “Girlhouse” aber schon erledigt.
Doch bleiben wir beim Positiven. Gefällig an dem kleinen kanadischen Killerkommando ist, dass die Darsteller*innen solide agieren und ein wenig mehr Tiefenschärfe und vor allem Empathie spendiert bekommen als bei solchen Sujets gemeinhin üblich. Insbesondere die die unaffektiert aufspielende Hauptdarstellerin Ali Cobrin macht in jeder Hinsicht eine mehr als gute Figur. Der Rapper Slaine als Loverboy überzeugt eher als malträtierter Sonderling, denn als mythisch-barbarischer Killer, weswegen er genregerecht beim blutigen Aufräumen eine Maske trägt (die im Übrigen überhaupt nichts mit der auf Cover und DVD abgebildeten zu tun hat).
In einer leider winzigen Rolle brilliert die charismatische Camren Bicondova, bekannt als junge Selina Kyle (Catwoman) in der “Gotham”-Serie. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, müsste ihr eigentlich eine Riesenkarriere bevorstehen, ähnlich wie der ebenfalls hochbegabten Jung-Aktrice Kiernan Shipka (“Mad Men”).
Positiv stechen ebenfalls die visuelle Umsetzung des Films und der gelungene Soundtrack heraus. Sieht und hört sich nach mehr an als rund anderthalb Millionen $ Produktionskosten (laut Filmstarts.de) erwarten lassen.
Und dann verließen sie ihn.
Je nach Erwartungshaltung des Zuschauers ist es positiv oder negativ zu bewerten, dass die graphische Gewalt zwar ruppig ist, der Splatter-Gehalt sich aber bis auf zwei, drei Mini-Sequenzen arg in Grenzen hält. Weshalb “Girlhouse” hierzulande auch ungeschnitten erschienen ist, die Freigabe “Ab 18” allerdings sehr hoch erscheint. Da haben wir schon Expliziteres, für jüngere Zuschauer legalisiert, gesehen.
Leider macht der Film nichts aus der eigentlich hochinteressanten und aktuellen Überwachungsproblematik. Er spult sein Slasher-Programm routiniert ab, aber weder das Kippen des Pornokanals in eine Snuff-Seite wird anhand der Zuschauerreaktionen thematisiert, noch das Stalker-/Voyeur-/Mobbingthema ernsthaft aufbereitet. Loverboys Übergang vom gedemütigten Mobbingopfer zum gewalttätigen Totschläger interessiert kaum, der erste Mord findet früh statt, unterfüttert von boshaftem Gelächter als wenig subtile Motivation, sodass die spätere und – eigentlich lobenswerte – ausführlichere Beschäftigung mit dem durchdrehenden Täter ziemlich überflüssig ist. Jeder weiß, was folgt und so kommt es auch, inklusive der obligatorischen Maske, eine Mixtur aus latexnasigem Leatherface und Michael(a) Myers.
Lange fünfzig Minuten Zeit nimmt sich der Film, um Figuren und Hintergründe einzuführen. Ein gewisses Textniveau wird zwar nicht unterschritten, aber ein Ausbund an Sprachwitz, intelligenten Dialogen und sachter, atmosphärischer Spannungssteigerung findet ebenfalls nicht statt. Ein bisschen aufregend wird es erst, wenn das Mordsgepolter losgeht. Wobei das Blutbad, bis auf eine naheliegende und deshalb passende, fiese Dildoszene, nicht von der schaumgekrönten Sorte ist. Im Showdown wird dann hemmungslos platt metaphorisch gekillt. Wohlwollend geht das allenfalls als (unfreiwillige) “Peeping Tom”-Hommage durch.
Ziemlich verlogen ist der Umgang mit Sex und Pornographie. Obwohl eine kanadische und nicht amerikanisch-prüde Produktion, gibt sich “Girlhouse” verklemmt und spießig. Denn trotz Kylies Bekundung, dass “Porno in der heutigen Zeit Mainstream sei”, bleibt es bei wippenden blanken Busen, aus diskreter Entfernung abgelichtet. Da waren die Sexklamotten der frühen Siebziger freizügiger. Die jungen Damen tanzen in Dessous vor der Kamera, Kylie bedeckt sogar züchtig jederzeit ihren Brustbereich. Natürlich ist es kein leichtes Unterfangen, an der permanenten “YouPorn”-Verfügbarkeit Kritik zu üben ohne selbst Pornographie abzufilmen.
Doch die Reduktion auf beinahe puritanische Bilder, die man auch in ‘gewagten’ fünfziger-Jahre-Schinken hätte finden können, diskreditiert jede mögliche kritische Aussage zur bloßen, unglaubwürdigen Behauptung. So wird lediglich notdürftig kaschiert, dass es einzig um einen Aufhänger zur Umsetzung des sattsam bekannten “Who’s next”-Prinzips geht, das mit dem Erschlagen des ins Schloss eingedrungenen Drachen ein amtliches Ende findet. Immerhin erfreulich: Es braucht keinen männlichen Ritter mehr dazu.
Bester (getippter) Satz: “Benutze deine Nase!”
Cover & Szenenbilder © Concorde Home
- Titel: Girlhouse – Töte, was Du nicht kriegen kannst!
- Originaltitel: Girl House
- Produktionsland und -jahr: Kanada, 2014
Genre: Horror, Slasher, Home Invasion
- Erschienen: 11.06.2015
- Label: Concorde Home
- Spielzeit:
ca. 105 Minuten auf DVD
ca. 109 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller: Ali Cobrin
Slaine
Adam DiFranco
Alyson Bath
Camren Bicondova
Regie: Trevor Matthews
- Drehbuch: Nick Gordon
- Musik: tomandandy
- Extras: Trailer, Trailershow
- Technische Details (DVD)
Bild: 2,35:1 (16:9)
Ton: Dt. DD 5.1/ DTS 5.1, Engl. DD 5.1
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (ausblendbar)
- Technische Details (Blu-Ray)
Bild: 2,35:1 (16:9) 1080p High Definition
Ton: Dt. DTS-HD Master Audio 5.1, Engl. DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (ausblendbar)
- FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Produktseite zum Film
Wertung: 7/15 dpt