Die englische Version (nach der belgischen, französischen und deutschen) von “Professor T” geht in die zweite Runde. Sechs Folgen lang ermittelt Kriminologie-Professor Jasper Tempest wieder an der Seite seiner Polizeikollegen in Cambridge und stellt sich den Dämonen seiner Vergangenheit. Was in dieser Staffel viel Raum einnimmt. Sehr zum Missfallen seiner egozentrischen Mutter Adelaide begibt sich Tempest in Therapie, um den Traumata seiner Kindheit auf die Schliche zu kommen und soziale Interaktionen besser bewältigen zu können. Bei letzterem bekommt er Unterstützung von “Intimtrainerin” Tatiana und seiner resoluten Sekretärin Ingrid Snares.
Zwischen all den Bemühungen, sein Leben in den Griff zu bekommen, unterrichtet Jasper auch an der Universität und berät die beiden Detectives Donckers und Winters bei kniffligen Mordfällen. Die Nähe zu seiner Möchtegern-Geliebten DCI Christina Brand ist dabei auch nicht von Übel.
Wobei, so kniffelig sind die Fälle gar nicht. Mitunter weiß der erfahrene Fernsehzuschauer nach wenigen Sekunden um Identität und Motiviation des Täters, während Jasper T. und sein Team erheblich länger brauchen. Aber solide ist es allemal und oft wiegen die Fragen nach Ethik und Moral schwerer als die nicht besonders spektakulären Mordintrigen.
Ben Miller gibt den skurrilen, traumatisierten und autistisch veranlagten Professor als etwas traurigere Variante seines DI Richard Poole aus “Death in Paradise”. Das beherrscht Miller, es gelingt ihm mühelos, Professor T. nicht zur Witzfigur werden zu lassen.
Der restliche Cast fügt sich adäquat ein, Frances de la Tour als Jaspers Mutter bleibt gekonnt im Indifferenten. Schützt sie mit ihrem exzentrischen Gehabe, samt Hund “Kafka” an ihrer Seite, eher ihren Sohn oder sich selbst? Die Rätsel um die genauen Todesumstände im Fall des Gatten/Vaters prägen die gesamte Staffel.
Besonders gefällt Sarah Woodward als resolute Sekretärin Snares, die für einen Großteil der Komik und Running Gags innerhalb der Serie zuständig ist. Zwar bekommt Jasper selbst auch ein wenig hintergründigen Witz spendiert sowie die visuelle Umsetzung einiger wilder Tagträume (von denen es ruhig mehr geben dürfte), doch insgesamt überwiegt das Psycho-Drama im zweiten Durchgang, während der Krimi-Anteil eher gemütlich prickelnd als hochgradig spannend ausfällt.
Das hin und her wogende Liebesgeplänkel zwischen der aufgeweckten DI Lisa Donckers und ihrem Kollegen Dan Winters besitzt ebenfalls bescheidenen Reiz. Den Umgang mit Zwischenmenschlichem und Alltagsproblemen, durchaus komplexerer Natur, beherrscht “Professor T” in fast allen Belangen nachvollziehbar und verständig.
Gefilmt ist das Ganze mit gewohnter britischer Zweckmäßigkeit, die wenigen CGI-Effekte sind nicht viel schlimmer als das, was DC und das MCU mit weit höherem Budget anrichten. Cambridge wird ansprechend abgelichtet, die Figuren bleiben im Focus, gelegentliche Noir-Elemente und Twists werden unaufgeregt und dezent spannend dargebracht. Ein Feuerwerk an Dramatik bleibt konsequenterweise aus.
Kleiner Spoiler: Kein Zuschauer glaubt auch nur für einen Moment, dass es den freundlichen, mitunter mangels Anerkennung etwas gekränkten, DI Winters zur dunklen Seite der Macht ziehen wird. Nur unsere Protagonisten sind etwas unsicher. Aber nur ein bisschen.
Ähnliches gilt für die Liebesaffäre Brands, die den armen Professor T leiden lässt, wo er doch gerade ernsthaft versucht, sich Brand wieder zu nähern. Immerhin sorgt die Brandsche Eskapade für einen Akt der Selbsterkenntnis. Oder doch nur für eine weitere Täuschung. Was tatsächlich in der Vergangenheit geschah, den Tod von Jaspers Vater betreffend, hält die Serie bis übers Finale hinaus offen. Zwei kleine Cliffhanger zum Schluss und das Warten auf die bereits bestätigte dritte Staffel beginnt.
“Professor T” bietet betuliche, unaufgeregte und weitgehend charmante Unterhaltung. Nichts, um in wortreiche Elogen zu verfallen, aber auch nichts, um sich zu ärgern.
PS.: Die deutsche Variante mit Matthias Matschke als “Professor T” habe ich immer noch nicht gesehen. Bin mäßig gespannt, ob sich dieses Versäumnis erledigen wird.
Cover und Bilder: Edel Motion/Glücksstern
- Titel: Professor T, Staffel 2
- Originaltitel: Professor T
- Produktionsland und -jahr: England, 2022
- Genre: Krimiserie, Thriller
- Erschienen: 16.06.2023
- Label: edel Motion
- Spielzeit:
ca. 278 Minuten auf 2 DVD - Darsteller: Ben Miller
Emma Naomi
Barney White
Andy Gathergood
Juliet Aubrey
Frances de la Tour
Sarah Woodward
Douglas Reith
Ben Onwukwe - Regie: Dries Vos
- Drehbuch: Pal Piedfort (Creator)
Matt Baker
Malin-Sarah Gozen - Musik: Hannes De Maeyer
- Kamera: Laurens De Geyter
- Extras: Trailershow
- Technische Details (DVD)
Video: Bildverhältnis 16:9
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, Dolby Digital 5.1
Untertitel: D - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 10/15 dpt