Story:
Die junge Abigail Rook kommt nach einer längeren Schiffspassage im amerikanischen New Fiddleham an, in der Hoffnung auf Abenteuer und ein Leben abseits der für Damen der Gesellschaft üblichen Aussichten und Konventionen des endenden 19. Jahrhunderts. Auf der Suche nach Arbeit stolpert sie über den exzentrischen, hochintelligenten Detektiv Jackaby und bewirbt sich bei ihm auf die Stelle der Assistentin. Dabei wird ihr schnell klar, dass Jackaby keine gewöhnlichen Verbrecher jagt, sondern übernatürliche Wesen, die er dank einer speziellen Gabe entdecken und aufspüren kann. Zufälligerweise treibt in der kleinen Stadt ein Serienmörder sein Unwesen, der jüngst einen jungen Journalisten in einem Wohnblock brutal abgeschlachtet hat. Von der hiesigen Polizei verpönt, ermittelt Jackaby ebenfalls nach dem Schuldigen, denn eins steht für diesen fest – bei dem Täter handelt es sich um keinen Menschen …
Eigene Meinung:
Beim knapp 320-seitigen Roman „Jackaby“ handelt es sich um das Debüt von William Ritter und den Auftakt einer mehrteiligen Urban-Fantasy-Reihe, die erst im kommenden Januar von cbt fortgesetzt wird. Nur zwei Jahre nach dem Erscheinen das ersten Bandes von „Lockwood & Co“ muss sich William Ritter einen direkten Vergleich seines Werkes mit dem Bestseller von Jonathan Stroud gefallen lassen, denn es gibt viele identische Grundideen – der exzentrische Chef der Agentur (Jackaby/Lockwood), die energische, eigensinnige Assistentin (Abigail/Lucy) und eine Menge Geister/übernatürliche Wesen. Sicherlich sind die Hintergründe verschieden, doch man fühlt sich immer wieder an „Lockwood & Co“ erinnert, wenn man „Jackaby“ liest – wobei man bei letzterem auch an „Sherlock Holmes“ denken muss.
Die Geschichte ist spannend aufgebaut und lässt den Leser sehr schnell in die Geschichte eintauchen. Man begleitet Abigail Brook, die nach einer gescheiterten Dinosaurierexpedition in New Fiddleham landet und bereits am ersten Tag Jackaby begegnet. Mit ihr entdeckt man die unzähligen Wesen und Kreaturen, die Jackaby sieht und wird wie die junge Heldin auf diesem Weg mit der Welt des Übernatürlichen konfrontiert. Diese unterscheidet sich glücklicherweise stark von Jonathan Strouds Hintergrundwelt – statt Geistern bekommt man vorwiegend alle möglichen mythischen Kreaturen präsentiert: Werwölfe, Banshees, Kobolde und Gnome, wenngleich auch William Ritter nicht gänzlich ohne Geister auskommt, spukt die resolute Jenny Cavanaugh doch durch die Zimmer von Jackabys Agentur. Ansonsten beschreitet „Jackaby“ eigene Wege und kommt mehr wie eine Mischung aus „Sherlock Holmes“, „Lockwood und Co“ und „Buffy“ daher – allerdings im Jahr 1892 angesiedelt. Diesen Punkt vergisst man jedoch immer wieder, da William Ritter sich nur bedingt um historische Korrektheit bemüht. Immer wieder stolpert man darüber, dass Abigail einfach zu eigenständig ist, als es Frauen in der damaligen Zeit waren oder über einige Ungenauigkeiten, die Fans historischer Romane stören dürften. Auch die Tatsache, dass sich Abigail sehr schnell mit dem Übernatürlichen abfindet und die Gegenwart all der Absonderlichkeiten akzeptiert, kann nicht ganz überzeugen. Vieles geht einfach zu schnell.
Die Figuren sind dennoch sympathisch und sehr mitreißend in Szene gesetzt. Abigail ist eine starke Protagonistin, die ihrer Zeit weit voraus ist. Sie ist resolut, stark und weiß, was sie will. Aufgrund der Forschertätigkeit ihres Vaters ist sie abenteuersüchtig und sehnt sich danach, die Welt zu bereisen. Für Jugendliche ist sie eine starke Identifikationsfigur, die zwar historisch nicht unbedingt korrekt, aber dafür sehr einnehmend ist. Im Vergleich dazu wirkt der exzentrische Jackaby fast wie ein Gegenpol und ähnelt Anthony Lockwood fast erschreckend – sogar optisch. Er ist ähnlich geheimnisvoll und behält die meisten Gedanken für sich. Einzig bei ihrer „Außenwirkung“ gibt es Unterschiede zwischen Lockwood und Jackaby – ersterer steht gerne im Rampenlicht und in der Gunst der Presse, für Jackaby ist nur die erfolgreiche Aufklärung des Falls wichtig, was einen Vergleich zu Sherlock Holmes ermöglicht.
Die Nebenfiguren sind ebenfalls sehr liebenswert und können überzeugen, allen voran der Geist Jenny Cavanaugh, die sich binnen weniger Tage zur Vertrauten Abigails mausert. Auch der Polizist, in den Abigail sich verguckt, ist sympathisch und hoffentlich auch in den Folgebänden mit von der Partie.
Stilistisch gibt es wenig zu bemängeln – William Ritter legt ein gut geschriebenes, spannendes Debüt vor, das zu fesseln vermag und durch fantasievolle Hintergründe, schöne, stimmungsvolle Dialoge und gut ausgearbeitete Beschreibungen besticht. Einmal angefangen, kann man das Buch nur schwer beiseite legen und taucht schnell in die Geschichte ein.
Fazit:
„Jackaby“ ist ein gelungenes Debüt, das Fans von „Lockwood & Co“ und „Sherlock“ begeistern dürfte, wenn man sich nicht zu sehr von den Ähnlichkeiten stören lässt. Die Figuren sind sympathisch in Szene gesetzt, die Geschichte ist spannend und kommt mit tolle, individuellen Ideen daher und William Ritter hat einen schönen, gefälligen Stil. Historisch mag „Jackaby“ nur bedingt korrekt sein, doch der Roman macht Spaß und Lust auf mehr.
Cover © cbt
- Autor: William Ritter
- Titel: Jackaby
- Originaltitel: JACKABY
- Übersetzer: Dagmar Schmitz
- Verlag: cbt
- Erschienen: 07/2016
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 320
- ISBN: 978-3-570-31088-5
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 10/15 dpt