Sabine Hofmann – Trümmerland (Buch)


Sabine Hofmann – Trümmerland

Kampf ums Überleben

Trümmerland
© Aufbau Verlag

Bochum. März 1946. Es fehlt an allem. Auch bei Martha Schrader und deren zwölf Jahre alten Tochter Hella sowie der aus Ostpreußen stammenden Edith, die bei den Beiden zwangsweise einquartiert wurde. Die Stadt liegt in Trümmern, selbst Kinder suchen in den Ruinen nach allem, was irgendwie zu gebrauchen ist oder auf dem Schwarzmarkt einen Tauschhandel verspricht.

„Brennnesselsuppe! Lange nicht mehr gegessen!“ „Ja, wahnsinnig lange. Seit gestern Abend nicht mehr!“

Hellas bevorzugtes Revier ist die ehemalige Zeche Präsident, wo sie am Boden eines Bombentrichters einen Mann findet, der schwer verletzt in seinen letzten Atemzügen liegt. Sie kann ihm nicht mehr helfen und da er seinen guten Mantel offensichtlich nicht mehr benötigt, nimmt sie diesen mit nach Hause. Martha und Edith sind irritiert und erfreut, zumal sie in dem Futtersaum fünf eingenähte Bezugsscheine für je einen Zentner Butter finden. Fünf Zentner Butter; da ließe sich ein gutes Geschäft aufziehen. Aber wo gibt es solche Massen und wie kommt man daran? Für Schwarzmarktgeschäfte scheint die Menge zu groß und die Gefahr erwischt zu werden ist hoch.

Nach einiger Bedenkzeit spricht Edith den Schwarzmarktkönig Kasulke an. Er verspricht ihr einen Anteil von zehn Kilo Butter und vier Schachteln Lucky Strike. Ein schlechter Deal, doch immerhin ist man die gefährliche Last los, denn zwei zwielichtige Gestalten haben Hella bereits aufgelauert und bedroht. Derweil droht auch Ungemach von anderer Seite, denn Oberinspektor Bernhard Dietrichs von der Kriminalpolizei hat die Ermittlungen im Mordfall Heinrich Steinhoff aufgenommen; dem Toten aus dem Bombentrichter.

Detailreicher Einblick in die Nachkriegszeit

In „Trümmerland“ gibt Sabine Hofmann einen stimmigen und intensiven Einblick in das Leben der Nachkriegszeit. Noch kein Jahr ist die Kapitulation her, folglich ist die Wohnungssituation sowie vor allem die Versorgungslage katastrophal. Butter gibt es so gut wie nie, wenn man Glück hat Margarine. Nicht selten ist das stundenlange Anstehen erfolglos, zudem wird Brot oft mit Maismehl oder gar Sägespänen gemischt, Milch mit Wasser gestreckt. Folglich blüht der Schwarzmarkt, doch hier lauert die Polizei, die sich gleichwohl teils glücklich schätzt, wenn ein Kollege bei passender Gelegenheit einen, natürlich illegal, selbstgebrannten Schnaps mitbringt.

Der Plot wechselt in den Erzählperspektiven zwischen Edith, Hella und Martha sowie dem Ermittler Dietrichs, über dessen Privatleben man wenig erfährt. Es gab mal die große Liebe namens Emma, die jedoch verstarb und so scheint seine Freizeit hauptsächlich aus seiner Modelleisenbahn zu bestehen. Ansonsten hielt sich Dietrichs in den vergangenen Jahren beruflich so weit wie möglich zurück, sah zu, dass er nie in erster Reihe stand und gilt somit als „politisch unbelastet“, was ihm wiederum bei Kollegen in Misskredit bringt, die sich selbst nur durch Tricksereien im Polizeidienst halten konnten. Die britische Besatzungsmacht konnte oder wollte anscheinend nicht zu genau prüfen, zumal man ja auf Polizisten angewiesen ist. Wie bei den Richtern; es waren einfach zu viele in der Partei, um alle aussortieren zu können.

Interessant ist, wie die Verwicklungen in der Geschichte ineinandergreifen. Der ermordete Steinhoff hätte seine tödliche Kopfverletzung durch einen Unfall, einen unglücklichen Sturz, erhalten können. Doch als Gegenleistung für den Mantel, drückt ihm Hella seine Augen zu und faltet seine Hände wie zu einem Gebet, was wiederum die Ermittler erst auf den Gedanken bringt, es müsste sich um einen Mord handeln. Gefaltete Hände nach einem Sturz, kein Mantel im kalten März? Der Spannungsbogen ist ordentlich und bezieht einen guten Teil aus der Frage, ob man Edith und Martha bei ihrem Schwarzhandel auf die Schliche kommt und wie Hella der drohenden Gefahr von gleich zwei Seiten entkommt. Weitere Morde folgen. Negativ stößt indessen auf, dass alle Personen durchgehend hochdeutsch sprechen, aber vereinzelt – warum auch immer – in wenigen Sätzen in Dialekt verfallen. Hier wäre es gut gewesen, wenn man konsequent beim Hochdeutsch geblieben wäre oder – natürlich atmosphärisch wesentlich besser – ein, zwei Personen konsequent und damit durchgehend ihren Dialekt aufgedrückt hätte.

  • Autorin: Sabine Hofmann
  • Titel: Trümmerland
  • Verlag: Aufbau Verlag
  • Umfang: 442 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Mai 2021
  • ISBN: 978-3-7466-3788-4
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


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