Rex Stout – Es klingelte an der Tür (Buch)


Rex Stout - Es klingelte an der Tür (Cover © KLett-Cotta)Wie man das FBI austrickst

Eine reiche Exzentrikerin, das allwissende FBI, ein entlarvendes Buch, der Mord an einem Journalisten, ein exzellenter Privatdetektiv und sein gewitzter Assistent – das sind die Elemente, aus denen Rex Stout Mitte der 60er Jahre den Krimi »Es klingelte an der Tür« erschaffen hat. Er gehört zu der »Nero Wolfe«-Krimireihe, benannt nach dem Protagonisten und ein Klassiker des Privat Eye Genres. Siebenundvierzig Bände (wenn die Liste bei Krimi-Couch.de stimmt) verfasste der Autor im Zeitraum 1933 bis zu seinem Todesjahr 1975. Der Klett-Cotta Verlag veröffentlicht zurzeit ausgesuchte Exemplare der Serie in einer neuen Übersetzung von Conny Lösch.

Ein gut bezahlter, unmöglicher Auftrag

Allein der Vorschuss von einhunderttausend Dollar bringt Nero Wolfe dazu, sich des Anliegens der reichen Exzentrikerin Rachel Bruner anzunehmen. Sie, ihre Familie und Angestellten fühlen sich vom FBI bespitzelt und Mrs. Bruner bittet Nero Wolfe darum, diesen Zustand zu beenden.

»Wenn ich Sie recht verstehe, meinen Sie damit, ich soll das FBI zwingen, Sie nicht weiter zu ärgern?« [S 11]

Nero Wolfe und sein Assistent Archie Goodwin sehen keine Möglichkeit, die allmächtige Sicherheitsbehörde an diesen Maßnahmen zu hindern, zumal aus FBI Sicht betrachtet gute Gründe dafür bestehen. Rachel Bruner hat zehntausend Exemplare eines Enthüllungsbuchs über das FBI mit dem Titel »Das unbekannte FBI« gekauft und an einflussreiche Bürger in den ganzen USA verschickt.

Kurz nachdem die Detektive die anscheinend aussichtslosen Ermittlungen aufgenommen haben, ersucht Inspektor Kramer von New Yorker Morddezernat Goodwin um ein konspiratives Treffen. Die Polizei wird von einflussreicher Seite unter Druck gesetzt und soll die Lizenzen der beiden Privatdetektive einziehen. Inspektor Kramer ist gewillt, davon abzusehen, wenn Wolfe und Goodwin für ihn einen Mordfall aufklären. Den Mord an dem Journalisten Morris Althaus, der belastendes Material über das FBI sammelte. Ein Zeuge beobachtete, wie zur mutmaßlichen Tatzeit zwei Agenten das Appartment des Zeitungsredakteurs verließen.

Ergibt sich hier die Chance für Wolfe und Goodwin, dem FBI eins auszuwischen? Und noch mehr Honorar von der gut betuchten Klientin zu erhalten?

Amerikanischer Klassiker mit Eigenheiten

Solltet ihr Freunde des klassischen, amerikanischen Detektivromans sein und Rex Stout und die »Nero Wolfe« Reihe noch nicht kennen, bietet sich mit der Neuveröffentlichung eine tolle Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen. Denn allein das Nachwort von Jürgen Kaube lohnt den Kauf. Darin erfährt der Leser viel Interessantes über den Autor, amüsante Details über den Werdegang des Buch, sowie dem Echo nach der Veröffentlichung. Ich werde dem hier nicht vorgreifen.

Das Detektivgespann gibt sich klassisch. Nero Wolfe ist ein fülliger Schlaukopf, der das Haus nie verlässt und Orchideen züchtet. Er setzt entscheidende Akzente, wenn es um Analysen und Charakterstudien geht. Archie Goodwin ist der agierende Ermittler, ein Typ voller Tatendrang und ebenfalls nicht auf den Kopf gefallen. Bemüht man den Vergleich mit den berühmtesten Detektiven Holmes und Watson, so stellt man fest, dass der Assistent Goodwin selbständiger und eigenwilliger handelt. Schlagfertige und hitzige Dialoge sind die Folge, wenn Wolfes trockener Humor auf Goodwins impulsive Ader trifft.

»Ich würde sagen, dass Sie das Haus und seinen Inhalt verkaufen und sich in ein Pflegeheim einweisen lassen sollten, denn ganz offensichtlich haben Sie den Verstand verloren. Vorausgesetzt Sie haben nicht vor, sie übers Ohr zu hauen und die Sache auszusitzen.« [S. 23]

Goodwin erzählt die spannende und vielschichtige Kriminalgeschichte in Ich-Form und lässt uns unmittelbar an seinen Gedanken teilhaben. Wir begleiten ihn kreuz und quer durch New York, Verfolger abschüttelnd und einen Mörder jagend. Nero Wolfe bleibt es vorbehalten, das FBI vorzuführen. All das liest sich nicht nur spannend, sondern auch vergnüglich. Den genialen Showdown genießt nicht nur Nero Wolfe in vollen Zügen.

Information ist Macht

Die Geschichte ist, obwohl sie in den Sechzigern spielt, überraschend aktuell. Das Thema gläserner Mensch und Polizeistaat war in den 80er Jahren eines, das die Gemüter erregte. Heute ist es das Ausspionieren unserer Lebensgewohnheiten durch Google, Facebook und Co. Ob wir nun das Abhören unserer Gespräche hinter verschlossenen Türen durch Wanzen befürchten, oder ob wir vorsichtshalber die Kameralinse der Webcam am Computer überkleben, jedenfalls können wir Mrs. Bruners Wunsch nachvollziehen. Denn jeder möchte selbst bestimmen, wer etwas von dem, was wir sagen oder tun, erfährt. Genauso können wir es nachvollziehen, dass das FBI als scheinbar allmächtige Instanz wahrgenommen wird, die Einfluss auf die Geschicke der Welt ausübt. »Es klingelte an der Tür« thematisiert die Ohnmacht des Bürgers und der örtlichen Polizei vor einer Institution, die wie ein Geheimdienst arbeitet. Unkontrolliert und unbegrenzt, in ihrem Tun und in ihren Möglichkeiten.

Gerade der Roman „Es klingelte an der Tür“ zeigt deutlich, dass sein Autor Rex Stout ein politischer Mensch war, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Als Anti-Faschist, als Stalin-Gegner, vor allem aber als Streiter für die persönliche Freiheit trat er in der Öffentlichkeit auf. Die glaubte er mit der zunehmenden Macht des FBI in ernster Gefahr.
»The Doorbell rang« war der erfolgreichste der »Nero Wolfe« Romane und erregte aufgrund seiner beißenden Kritik am FBI einiges Aufsehen. Selbst der legendäre und langjährige Direktor J. Edgar Hoover konnte es nicht lassen, sich zu dem Roman zu äußern.

»Wenn sich ein Spezialagent jemals so aufführte wie in Mr. Stouts Buch dargestellt, erhielte er die sofortige Kündigung.« [Wikipedia]

soll er gesagt haben. Was sich für den Verkauf des Buchs als äußerst förderlich erwies.

Cover © Klett-Cotta Verlag

Wertung: 12/15 Abhörwanzen


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