Katie Hale – Mein Name ist Monster (Buch)


© S. Fischer Verlag

“Mein Name ist Monster” ist ein Roman von Katie Hale und wurde durch den Fischer Verlag 2019 in Deutschland veröffentlicht. Katie Hale hatte sich bereits zuvor als Dichterin einen Namen gemacht und hat mit diesem Roman ihr Debüt in der Buchszene. 

Mein Name ist Monster ist eines der wenigen Bücher, welches ich mehrmals gelesen habe, denn ich muss zugeben, dass ich mir nicht sicher bin ob ich es beim ersten Lesen verstanden habe.

Normalerweise ist es für mich keine große Leistung zu verstehen, welche Geschichte ein*e Autor*in erzählen will: Geht es um die Bedeutung von Liebe für Jugendliche, die Konsequenzen von blindem Hass und Rache oder um die Kleinigkeiten im Alltag, welche doch viel bedeutender sind, als man zunächst denk?. 

Aber dieses Buch war für mich anders.

Schon nach wenigen Seiten habe ich mich gefragt worum es geht, denn die Ausgewählten Szenen und die Gedanken der Hauptfiguren lassen auf vieles schließen. Zunächst dachte ich, es geht darum, was einen Menschen zur Einsamkeit und Selbstisolation treibt, dann dachte ich mir, dass es um Weiblichkeit und das Frau-Sein geht bis ich zu dem Schluss gekommen bin, dass es sich um eine Geschichte über Mutterschaft handelt, oder besser gesagt, wie Mutterschaft aussehen kann und welchen Einfluss das auf die Entwicklung von Kindern hat.

Und während ich diese Rezension schreibe, denke ich mir, dass es gar nicht so wichtig ist, ob ich das Buch verstanden habe, denn gerade diese Unklarheit gibt dem Buch die Tiefe und Aussagekraft die es hat.

All diese Gedanken haben eine Schnittstelle, und zwar, dass es sich bei dem Buch um eine Geschichte von einer kleinen Familie handelt, welche in ihrer zerrütteten Welt versucht zu überleben und dabei weder auf eine gesunde Art und weise kommunizieren kann noch den Mut hat, sich selbst und die eigenen Schwächen zu Reflektieren und diese zu überwinden.

Ich glaube der Großteil meines Unverständnisses kommt daher, dass ich den Namensgebenden Hauptcharakter Monster (später Mutter) nicht verstehe. Mutter ist eine Frau, welche Angst vor Menschen und der Welt hat. So hatte Mutter kein Verständnis für die Eigenarten, Bedürfnisse und Gefühlsausbrüche von anderen Menschen, vor welchen sie sich sogar fürchtete. 

Diese Eigenschaften schreibt sie ihrem alten Namen zu, denn ein Monster – eine Kämpferin, wie sie diesen Namen umschreibt – hat das Ziel zu überleben, egal welche Opfer erbracht werden müssen. So hat das Monstersein sie davor bewahrt mit irgendwelchen durch einen Krieg verbreiteten Krankheiten infiziert zu werden – aber das hat Mutter auch davor bewahrt sich von Menschen und ihrem Leben und den Eigenarten anstecken zu lassen, welche ihr Gefühlsleben und ihre Apathie hätten infizieren und verändern können. Vielleicht hätte das Mutter sogar zu dem Punkt geführt, an dem sie sich nach anderen Menschen sehnt.

Dieses Dasein wird nur durch das Hinzukommen eines Mädchen verändert, welches sie auf einem ihrer Rundgänge findet und ihren Namen übergibt – wie ein Schutztalisman –  um auch ihr das Überleben in dieser durch Krieg zerstörten Welt zu ermöglichen.

Diese Namensweitergabe scheint fast wie die Übertragung einer Last auf die nächste Person zu wirken, was nur dadurch verhindert wird, dass die neue Monster das Monstersein für sich selbst auch neu interpretiert.

Somit ist Monster sich der Last des Namens nicht bewusst, sondern sieht die Schwächen ihrer Mutter und versucht sich von ihr zu emanzipieren und sich aus den Kokon zu befreien, welches ihre Mutter aus Angst vor der Welt gespinnt hat.

 

Das Buch spiegelt die unterschiedlichen Welten von Mutter und Monster durch den Schreibstil, aber auch die Aufteilung der Perspektiven und die Strukturierung des Buches in Teile, wieder.

Während die Welt von Mutter nüchtern, ohne Gradienten und durch eine klare und präzise Sprache beschrieben und gesehen wird, ist Monsters Welt voll mit Begriffen und Erfahrungen, für welche sie durch das Kriegstrauma keine Worte findet und umschreiben muss – so werden Begriffe neu verwendet und bekommen auch neue Bedeutungen. So versteht Monster Brücken als Mauern, da Brücken für sie immer nur Menschen getrennt haben.

Dadurch wird aber auch deutlich welche Tabuthemen es zwischen Mutter und Tochter gibt und inwieweit es an Aufklärung durch die Mutter mangelt – gerade dadurch kann man Rückschlüsse auf die Beziehung von Mutter und Tochter ziehen und welche Zwänge und Ängste Mutter hat und wie es die Ansichten von Monster beeinflusst hat.

 

Das Buch liest sich wie eine Analogie aus dem Leben einer alleinerziehenden Mutter, welche weder eine Mutter hätte sein sollen noch werden wollen. Und das ganze vor dem Hintergrund einer untergegangenen Welt, in welcher die letzten Reste für das Überleben eingesammelt werden. Das Bild wie Leben auf den Trümmern einer zerstörten Welt entsteht, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

 

Dabei sind die Handlungen logisch aufeinander aufgebaut und entsprechen den Charakteren der Figuren, wobei doch einige Fragen offen bleiben – gerade wenn es um das Leben und Überleben von Monster vor der Ankunft von Mutter geht.

Am meisten frage ich mich jedoch inwieweit ich den Erzählungen von Mutter vertrauen kann, da ihre Perspektive die Wirklichkeit absichtlich nur eingeschränkt wahrnimmt, was dazu führt, dass man als Leser nicht alles weiß, was einem vorenthalten wird und sogar an manchen Stellen von Mutter belogen wird.

 

Gerade aber diese Variation im Schreibstil und die Spielereien mit Perspektive und Wahrnehmung sind was dieses Buch so spannend und ergreifend zu lesen macht – es wurde sich empathisch in die Charaktere und ihren Wissensstand sowie mentale Verfassungen hinein gedacht um eine Weltuntergangsgeschichte zu erzählen, mit welcher man mitfiebert und durch manchmal plötzliche – aber authentischen – Entscheidungen einen dazu zwingen weiterzulesen.

 

Die Charaktere sind interessant, weil sie in Liebe zum Detail in ihrer ganzen Komplexität ausgestaltet wurden, ohne Abkürzungen zu nehmen, welche grandiose Handlungen rechtfertigen könnten. So wirkten Gefahren immer bedrohlich und das Glück, welches die Figuren hatten um zu überleben, wirkte glaubhaft – auch hatten die Figuren niemals plötzlich Fähigkeiten oder Informationen erhalten, welche unglaubwürdig schienen. Probleme und Konflikte waren immer eine Konsequenz von vorherigen Interaktionen, besonders  da Mutter und Monster nie gelernt haben offen zu kommunizieren.

 

Liebe zum Detail ist was das Buch ausmacht und auszeichnet, denn die Beschreibungen, Gesten und Gespräche wirkten nie so, als wären sie Treiber einer Geschichte, sondern so als hätte die Autorin einfach den Verlauf ihrer Figuren liebevoll beobachtet und ohne Wertung wiedergegeben. Dabei wurde einfühlsam und sorgfältig mit der Sprache gespielt um so auch die Perspektiven und Wahrnehmungen der Figuren einzufangen um so noch intimere Einblicke in das Innenleben zu ermöglichen, wie es sonst nur Gedichte können.

Denn erst in der Reflexion wird deutlich, mit welcher Tiefsinnigkeit, Filigranität und Geschick beeindruckend Kleinigkeiten subtil in Szene gesetzt und in die Geschichte verwoben wurden.

 

Dementsprechend ist es überraschend wie schwer es mir fällt eine einfache Empfehlung auszusprechen.

Das Buch ist gut, die Geschichte und die Figuren sind interessant und der Schreibstil ist herausragend. Aber es ist nicht die Art von Buch, welches man in einem All-Inclusive-Hotel in der Liege zur Unterhaltung mal eben liest.

Ich empfehle dieses Buch allen, die sich für Komplexe Charaktere, psychische Krankheiten und intransparente Beziehungsdynamiken interessieren, denn das Weltuntergangsszenario ist nur der Träger und Hintergrund für eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung.

  • Autor: Katie Hale
  • Titel: Mein Name ist Monster
  • Originaltitel: My name is monster
  • Übersetzer: Eva Kemper
  • Verlag: S. Fischer Verlag
  • Erschienen: 2019
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 384
  • ISBN: 978-3103974690
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Seite der Autorin (Englisch)


Wertung: 13/15 dpt


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