Helene Sommerfeld – Das Leben – Ein ewiger Traum (Buch)
Vielschichtiger und überzeugender Serienstart
Magda Fuchs lebte im beschaulichen Hildesheim als Ärztin und war mit ihrem Mann Bertram, der als Staatsanwalt arbeitete, glücklich verheiratet. Doch bei einem abendlichen Einsatz wurde Bertram erschossen und Magda entschied ein Jahr später, einen Neustart zu wagen. Eine Stelle als Polizeiärztin in der Millionenstadt Berlin erschien ihr ein geeigneter Fluchtpunkt. Allerdings landet sie sehr schnell in einer ihr völlig neuen Welt, schon bei der Ankunft am Lehrter Bahnhof wird ihr durch einen billigen Trick ihr Koffer gestohlen. Dann wird sie zugleich bei ihrem Dienstantritt mit der rauen Wirklichkeit konfrontiert, eine Frau erstach ihren Ehemann bevor sie sich selbst die Pulsadern aufschnitt; zurück blieb ein kleiner Säugling. Viel schlimmer als das Geschehen an sich, ist das offensichtliche Desinteresse des ermittelnden Kommissars Wagner vom Mordbereitschaftsdienst, der anscheinend schon komplett abgestumpft ist.
„Die hat immer jemeckert.“
„Ist das jetzt’n Geständnis, Schmikkte?
Das Jahr 1921. Magda hat sich mit ihrer Situation ein wenig arrangiert, untersucht im Gefängnis vorrangig Prostituierte auf mögliche gesundheitliche Probleme und kümmert sich um Kinder, die Gewalttaten erlebt haben. Dabei lernt sie eines Tages die sechsjährige Elke kennen, die mit ansehen musste, wie ihr gewalttätiger Vater, Willi Schmittke, seine Frau ermordete. Jedenfalls gestand er die Tat, die er wenig später im Gefängnis widerrufen wird. Elke ist traumatisiert, sagt aber, dass nicht ihr Vater, sondern Onkel Rille der Täter war. Aber wer ist Onkel Rille? Und vor allem: Nach dieser Aussage winkt Willi die Freiheit was gleichzeitig bedeutet, dass Elke zu ihrem prügelnden Vater zurück muss. Wie kann man diesen Teufelskreis durchbrechen? Gemeinsam mit der engagierten Fürsorgerin Ina sucht Magda verzweifelt eine Lösung.
Magda hat ein Zimmer in einer Pension gefunden, wo sie die lebenshungrige Doris kennen lernt. Die junge Frau träumt von einer Karriere beim Film und lernt zunächst ein ums andere Mal die falschen Männer kennen. Derweil durchlebt Celia, die Tochter der Pensionswirtin, auf ihre Weise die brutale Realität. Behütet und in Wohlstand aufgewachsen, wird sie früh auf Drängen ihrer Mutter mit dem Bankier Albert verheiratet und dadurch zur Freifrau von Liebenau; nur das von Liebe keine Rede sein kann. Albert ist mehr als doppelt so alt und sieht seine Frau als schmückendes Beiwerk. Kinder bleiben auch nach zwei Jahren Ehe aus, es gibt bereits Gerede und vor allem verbietet Albert ihren großen Traum, Ärztin zu werden. Schließlich verdient er ja genug Geld.
Sechs Frauen begehren gegen gesellschaftliche Konventionen auf
Der Krieg ist vorbei, dessen Spuren sind jedoch noch allgegenwärtig. Dennoch drängt es jene, die es sich leisten können, in die Tanzsäle. Man möchte sein Leben zurück und Spaß haben. Beim Tanz findet Celia mit ihrer besten Freundin Josefine Abstand zur tristen Ehe, die schon lange nicht mehr vollzogen wird. Der Versuch einer Scheidung endet jedoch in einer Katastrophe. In „Das Leben – Ein ewiger Traum“ zeigt das Autorenduo „Helene Sommerfeld“ (bekannt durch die erfolgreiche Trilogie „Die Ärztin“) einen bildgewaltigen Einblick in das Berlin zu Beginn der 1920er Jahre. Gleich sechs Frauen versuchen dabei in von Männern dominierten Berufen ihren Weg zu finden. Neben den bereits erwähnten Frauen (den beiden Hauptfiguren Magda und Celia sind da noch Doris und Ina) gibt es noch Ruth, die vor allem als Scheidungsanwältin tätig ist und Erika, die versucht, sich als Journalistin einen Namen zu machen; allerdings ausgerechnet bei einem Skandalblatt.
Not und Elend in der äußerlich glamourös-glitzernden Metropole
Dominiert wird die Handlung von Magda und deren Versuchen, das Leid der Kinder zu mildern. Dabei erkennt sie, dass man nicht nur mit kleinen Kindern, sondern bereits mit Säuglingen einträgliche Geschäfte machen kann. Die erschreckende Lage zahlloser Kinder wird anschaulich beschrieben, die ebenso große Hilflosigkeit der Polizei ebenfalls, wobei hier noch ein ordentliches Maß an Desinteresse gepaart mit Resignation hinzukommt.
„Aber es geht um Kinder, die Zukunft unseres Vaterlandes. Das darf doch nicht einfach unter den Tisch fallen.“
„Polizisten sind in der Regel keine Idealisten.
„Das Leben – Ein ewiger Traum“ kann man unter vielen Gesichtspunkten lesen. Der Mord an Bertas Ehemann sowie der Mord an Elkes Mutter wollen aufgeklärt werden. Doch der Roman ist weit mehr als ein Kriminalroman, denn er ist gleichzeitig ein Einblick in die Sozial- und Frauenrechtsgeschichte jener Zeit. Die Kluft zwischen Massenelend und glamouröser Dekadenz kann kaum größer sein. Jede und jeder lebt seinen eigenen Traum, Schicksale anderer Menschen interessieren da weniger.
Wenngleich sechs, mehr oder weniger starke Frauen und deren unterschiedliche Träume von einem Leben in Freiheit jenseits strenger, gesellschaftlicher Konventionen die Handlung prägen, so ist der Start dieser neuen Trilogie (die übrigen Bände sind bereits erschienen) keineswegs nur für Leserinnen geeignet.
- Autorin: Helene Sommerfeld
- Titel: Das Leben – Ein ewiger Traum
- Verlag: dtv
- Umfang: 541 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2021
- ISBN: 978-3-423-26297-2
- Produktinformation
Wertung: 12/15 dpt