Yves Ravey – Ein Freund des Hauses (Buch)


Yves Ravey – Ein Freund des Hauses (Buch)

Ein Freund des Hauses
© Verlag Antje Kunstmann GmbH

Wie kann ich meine Tochter schützen?

Martha Rebernak will es nicht wahrhaben. Ihr Cousin Freddy steht plötzlich vor ihrer Wohnungstür und bittet um Einlass. Das darf nicht sein, schließlich wohnt Tochter Clémence noch zuhause. Freddy saß fünfzehn Jahre im Gefängnis wegen der Vergewaltigung von Sonia. Ein altes Foto zeigt Clémence mit Sonia wenige Tage vor dem Verbrechen. Die beiden gingen damals in den Kindergarten.

Freddy hat seine Strafe verbüßt, war zuletzt nicht mehr auffällig und darf sich daher aufhalten wo er möchte. Aber muss es unbedingt vor dem Mädchengymnasium oder dem Jolly Café sein? Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es für Madame Rebernak: Paul, Sohn von Maître Montussaint, dem Notar des Ortes und gleichzeitig Clémences Freund. Doch Moment: Warum bringt eigentlich Pauls Vater ihre Tochter immer öfter nach Hause? Aber egal, Hauptsache Freddy hält ausreichend Abstand. Doch damit nimmt das Unheil seinen Lauf.

Ein kurzer, aber bestechender Roman

Es ist beeindruckend wie es Yves Ravey schafft, auf wenigen Seiten eine Story mit gewaltiger Sogwirkung zu entwickeln. Er hält sich nicht mit Beschreibungen von Örtlichkeiten auf, lässt sich nicht von unwesentlichen Dingen ablenken. Ravey ist ein Meister der Reduktion. Keine neunzig Seiten hat „Ein Freund des Hauses“, 2014 im Verlag Antje Kunstmann erschienen, und obwohl die Ausgangslage überschaubar ist, nimmt einen die Handlung von Beginn an mit.

Hier der leicht zurückgebliebene Cousin, der wenig redet und nicht wie ein Erwachsener wirkt. Dort der stets hilfsbereite Notar, ein eitler Pfau mit Vorliebe für junge Menschen. Paul spielt kaum eine Rolle, dafür aber ein Buch, welches später die entscheidende Wende bringen wird. Spät, zu spät, erkennt Madame Rebernak, dass sie in ihrem grenzenlosen Misstrauen gegen Freddy viel zu leicht in einen Tunnelblick geraten ist. Sicher, einiges spricht dafür, Freddy nicht in die Nähe junger Frauen zu lassen. Aber das geradezu obsessive Verhalten der Mutter führt zwangsweise zu einer verheerenden Entwicklung. Ein Setting, welches für Yves Ravey nicht untypisch ist, wie man in seinem jüngst veröffentlichten Werk „Die Abfindung“ (erschienen bei Liebeskind) nachlesen kann.

Die Figurenzeichnungen sind präzise knapp, ebenso die Dialoge und dem drohenden „Untergang“ hilflos zuzusehen, bereitet mitunter körperliche Qualen. Man ahnt ja, zumindest ungefähr, worauf es hinauslaufen wird, mag in die Handlung eingreifen wollen, damit alle einen kühlen Kopf bewahren. Erzählt wird das Ganze übrigens aus der Sicht von Madame Rebernaks Sohn. Wenn es noch immer eines Beweises bedurfte, dass ein guter und spannungsgeladener Plot nicht immer hunderte Seiten umfassen muss, liefert Yves Ravey in seinen Roman hierfür die Bestätigung.

  • Autor: Yves Ravey
  • Titel: Ein Freund des Hauses
  • Originaltitel: Un notaire peu ordinaire. Aus dem Französischen von Angela Wicharz-Lindner
  • Verlag: Antje Kunstmann
  • Umfang: 96 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Juli 2014
  • ISBN: 978-3-88897-969-9


Wertung: 11/15 dpt


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