Autorinnen im Porträt: Die bittersüßen Geschichten der Nino Haratischwili


Der Literaturpodcast „Autorinnen im Porträt“ rückt in jeder Episode eine Schriftstellerin in den FokusDabei schauen wir auf das Leben der Autorin und auf ihr Werk. Wer wir sind? Mariann Gáborfi und Sarah Teicher aus Leipzig. Wir sind auch Redakteurinnen bei Booknerds.de und haben deshalb beschlossen, zu dem im März 2022 gegründeten Podcast eine begleitende Kolumne zu schreiben. (Alle Folgen der Kolumne im Überblick.)

Nino Haratischwili wurde 1983 in Tiflis, Georgien, geboren und lebt seit Anfang der Zweitausenderjahre in Deutschland. Als Theaterregisseurin wie auch als Schriftstellerin schreckt sie in ihren Werken nicht davor zurück, die brutale Realität des Krieges, der politischen Unterdrückung sowie die persönlichen Tragödien ihrer Figuren zu schildern. Doch bei all dem Dunkel blitzt bei ihr immer wieder ein Funken Hoffnung auf, zum Beispiel in Form von bittersüßer Schokolade. Sie erzählt in ihren Werken mit einer eindringlichen Art, die ihr Publikum sowie ihre Lesenden immer wieder innehalten lässt.

In Deutschland hat Nino Haratischwili nicht nur als Autorin, sondern auch als Theaterregisseurin große Bekanntheit erlangt. Sie hat zahlreiche Stücke inszeniert, die sich mit ihrer georgischen Herkunft befassen. Wie auch in ihren Romanen nutzt Haratischwili das Theater, um Geschichten zu erzählen, in denen sie sich intensiv und atmosphärisch mit ihrem kulturellen Erbe auseinandersetzt. Das kommt vor allem durch die Darstellung ihrer Figuren zum Tragen, die sich meist durch sehr eindringliche und komplexe Beziehungen zueinander auszeichnen.

Das achte Leben für Brilka – ein internationaler Durchbruch

Ihr 1300-Seiten-Werk „Das achte Leben (Für Brilka)“, über das wir in der aktuellen Folge von „Autorinnen im Porträt“ sprechen, wurde in 25 Sprachen übersetzt und mehrfach preisgekrönt, u. a. 2018 mit dem Bertolt-Brecht-Preis, der zugleich Haratischwilis Bühnenwerk auszeichnete.

Hört hier die Folge zu Nino Haratischwili im Porträt

Die Regisseurin Jette Steckel, die mit Haratischwili zusammen in Hamburg studierte, inszenierte 2017 eine fast fünfstündige Bühnenversion von „Das achte Leben“.

Die Handlung der Geschichte erstreckt sich über sechs Generationen und beschreibt die Geschichte der georgischen Familie Jaschi. Der Titel „Das achte Leben“ bezieht sich dabei auf das jüngste Familienmitglied Brilka, für die die Erzählerin Niza, Brilkas Großtante, die Familiengeschichte niederschreibt. Die Erzählung beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts und zeichnet historische Ereignisse nach, wie die russische Revolution, den Zweiten Weltkrieg und die Sowjetzeit, bis hin zum Fall des Eisernen Vorhangs und der postsowjetischen Ära. Haratischwilis Roman breitet ein Panorama der familiären Zerwürfnisse aus, das manchmal sogar fast märchenhaft erscheint, um dann eine Seite später wieder mit einem beißenden Realismus zu überraschen. Jeder von Haratischwilis Charakteren erlebt dabei in dem ihm zugedachten Kapitel sein ganz eigenes Verhältnis und einen geradezu eskapistischen Moment mit dem süßen Ambrosia, der Schokolade – das Element, das sich wie ein Trauma durch das komplette Buch zieht.

Haratischwilis Schreibstil ist stets sensibel und kraftvoll zugleich. Sie schafft es, die Schönheit und den Schmerz ihrer Figuren in Worte zu kleiden, die nachhallen. Ihre Sprache ist sehr bildhaft und rührt zu tiefen Emotionen an. Der künstlerische Elan, mit dem sie sich ihrem Schaffen hingibt, und die tiefe Verbundenheit zu ihren Figuren und ihrer Heimat Georgien, sind ihrem Werk durchweg anzumerken.

Haratischwilis Arbeit lässt sich durch die Intensität und den Detailreichtum auch als Liebeserklärung an Georgien verstehen. Ein Land, das auch heute noch durch viele Krisen geht und sich immer wieder neu finden muss, aber dennoch eine tiefe kulturelle Geschichte besitzt.

Mit ihrer Arbeit als renommierte Theaterregisseurin wie auch als Autorin schafft und zeigt Haratischwili eindrucksvolle Geschichten, die ihre eigenen Erfahrungen und das kulturelle Erbe ihres Landes auf eindrucksvolle Weise darstellen und die sicher auch über Generationen hinweg überdauern.

Seid gespannt auf unsere nächste Kolumne, denn momentan sind wir schon wieder fleißig am recherchieren! Bis dahin sende ich euch sommerliche Grüße

Eure Mariann


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