Ulrich Wickert – Die Wüstenkönigin (Buch)


Ulrich Wickert – Die Wüstenkönigin (Buch)

Mächtige Feinde

Die Wüstenkönigin
© Heyne

Jacques Ricou, in Paris als Untersuchungsrichter in Finanzdelikten tätig, soll bei der Razzia eines Wohnmobils zugegen sein, das am Rande einer illegalen Rave-Party aufgefallen ist. Für ihn eher eine Bestrafung, ein unbedeutender Fall, was sich jedoch schnell als Trugschluss erweisen soll. Das Wohnmobil ist voll mit Drogen, dazu findet man fast vierhunderttausend Euro in bar. Didier Lacoste, der vermeintliche Dealer, wird verhaftet, doch schnell schaltet sich dessen Vater Alain ein, der als Chef der Sofremi, die französische Genehmigungsbehörde für Waffenhandel, über viel Einfluss verfügt. Seitdem Alain mit seiner Sekretärin zusammenlebt und mit dieser zwei Kinder hat, ist er mit Didier völlig zerstritten, weswegen Didier die Gelegenheit nutzt, in der Befragung durch Ricou zu berichten, dass sein Vater aus Genf immer wieder hohe Geldbeträge erhält. Bei einer späteren Durchsuchung von Alains Büro werden Rohdiamanten aus Angola im Wert von zehn Millionen Euro gefunden.

Beantworten Sie nie mehr als die gestellte Frage. Der Magistrat möchte wissen, wie viel Uhr es ist? Geben Sie ihm die Uhrzeit an. Nicht mehr als das, nicht den Tag, nicht den Monat, nicht das Jahr. Wie viel Uhr ist es? Halb acht. Morgens oder abends? Abends. Und? – Was und? Welcher Tag? Mittwoch. Welcher Mittwoch? Der soundsovielte. Verstanden?

Ricou hat somit einen neuen, großen Fall. Seine Ermittlungen führen ihn bald zu seiner Kollegin Francoise Barda, die gegen den Waffenhändler Sotto Calvi wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Calvi ist ein schwerreicher Mann, der eng mit Alain zusammenarbeitet und daher kommt es ungelegen, dass Alain nun in Untersuchungshaft sitzt. Didier hat man bereits nach Amerika gebracht, denn Calvi sieht sich selber bedroht. Dies wäre auch eine große Gefahr für den Innenminister Charles Cortone und dessen politische Pläne. Calvi, Alain und Cortone sind Korsen, eng miteinander verbunden und haben gemeinsam große Ziele. Da stört ein ehrgeiziger Untersuchungsrichter sehr, wobei Ricou von der attraktiven Lyse abgelenkt wird; nicht ahnend, dass diese von Calvi auf ihn angesetzt wurde.  

Zweiter Fall für Jaques Ricou

Nach „Der Richter aus Paris“ ermittelt Ricou in einem Fall, dessen Dimensionen erst langsam sichtbar werden. Ein skrupelloser Waffenhändler, ein hochrangiger Beamter und nicht zuletzt der Innenminister persönlich sind die Hauptfiguren in einem Fall, bei dem über Leichen gegangen wird, was auch Ricou erfahren wird, als er nach Angola reist, um dort Calvi zu befragen. Standen im ersten Band noch der Indochina- und der Algerienkrieg im Fokus, so ist es diesmal der Bürgerkrieg in Angola, in dem sich die MPLA-Regierung und die Rebellentruppe UNITA gegenüberstanden. Kaum jemand ist selbst heute (der Roman erschien erstmals bei Piper im Jahr 2005) noch ohne Waffe unterwegs, selbst Maschinengewehre prägen das Straßenbild der Hauptstadt Luanda. Calvi liefert Waffen nach Angola, kümmert sich aber auch um „zivile Projekte“, wie die Gewinnung von Rohdiamanten.

Dem Gesetz des Schweigens unterwerfen sich alle Korsen, und es wirkt umso stärker, weil es auf einem anderen Gesetz beruht, dem Gesetz der Angst. Nicht nur dem droht Vergeltung, der redet, sondern auch seiner ganzen Entourage, Freunden und Familie.

Angola zählt zu den gefährlichsten Ländern der Welt, allein dreißig Millionen Minen liegen im Land und so verwundert es nicht, dass unzählige Personen, darunter massenhaft Kinder, mit Prothesen herumlaufen. Selbst Ricou wird im Laufe der Erzählung in einem Minenfeld um sein Leben kämpfen. Das politische Minenfeld in Paris hingegen kennt er zur Genüge und macht sich mächtige Feinde, die keine Hemmungen haben; ein Anschlag auf sein Leben inbegriffen. Aber Ricou, der nicht nur gutes Essen und Whisky liebt, sondern vor allem schöne Frauen, lässt sich durch Druck von oben nicht abschrecken. Im Gegenteil. Zudem gilt es sein Privatleben zu überblicken, welches durch Lyse einmal mehr durcheinandergewirbelt wird. Es gibt ja noch weitere Frauen, die Ansprüche anmelden.

Wer eine halbe Milliarde ans Finanzamt zahlen muss, der hat doch mindestens eine Milliarde Gewinn gemacht – nach Abzug aller Kosten. Das schafft ja noch nicht einmal eine große Autofirma wie Peugeot mit zweihunderttausend Arbeitern. Zumindest nicht jedes Jahr!“
„Vielleicht ein Beweis dafür, dass Industriearbeit überflüssig wird.

Die Geschichte wird anspruchsvoll erzählt, Konzentration ist Pflicht, vor allem wenn es um Angola geht. Wer sich für Frankreich, eine offenbar hoch korrupte Republik, Politik, Waffenhandel oder Bürgerkriege interessiert, darf zugreifen. Der frühere Moderator der „Tagesthemen“ hat mit der Jaques-Ricou-Reihe eine lesenswerte Romanserie erschaffen, deren inzwischen siebter Fall „Die Schatten von Paris“ im Oktober dieses Jahres erscheint.

  • Autor: Ulrich Wickert
  • Titel: Die Wüstenkönigin
  • Verlag: Heyne
  • Umfang: 304 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2016
  • ISBN: 978-3-453-41865-3
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt

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