Adam Brookes – Der chinesische Verräter (Buch)


Der chinesische Verräter
© Suhrkamp

Adam Brookes – Der chinesische Verräter (Buch)

Atmosphärisch starker Spionagethriller

Li Huasheng erschlug bei den Unruhen am 3. Juni 1989 auf dem Tian’anmen-Platz, dem „Platz am Tor des Himmlischen Friedens“, einen Soldaten. Es folgte ein Straflager mitten in der Wüste von Westchina, wo ihm nach fast zwanzig Jahren die Flucht gelingt. Li war damals als Spion für den britischen Geheimdienst SIS tätig, seine Anlaufstelle war eine namhafte Zeitung mit Sitz in Peking. Dort kann er Kontakt zu dem Journalisten Philip Mangan aufnehmen und bittet diesen, der britischen Botschaft auszurichten, dass ein alter Freund wieder liefern kann. Viele Grüße vom Nachtreiher.

Tja, Sie haben es wieder getan.“
„Was wieder getan?“
„Unruhe erregt.

Mangan ist verständlicherweise irritiert, gibt die Information aber an David Charteris, seinen Kontaktmann bei der Botschaft weiter, der wiederum den SIS informiert, so dass der Vorgang in London bei Trish Patterson aus der Abteilung P/C – Production/China landet. Gemeinsam mit ihrer Chefin Val Hopko versucht sie herauszufinden, was es mit dem geheimnisvollen Mann auf sich hat. Kann es wirklich sein, dass nach so langer Zeit der unter dem Decknamen WINDSOCK geführte Agent wieder aufgetaucht ist? Warum jetzt? Wo war er so lange und haben ihn womöglich die Chinesen umgedreht?

Auf dem Platz posierten Familien für Aufnahmen vor dem Porträt des Vorsitzenden Mao. Der Große Steuermann ist also noch an Bord, dachte er. Ein Junge ließ einen Drachen steigen. Peanut schaute hoch, um ihn flattern zu sehen, doch sein Blick blieb erschrocken an einem Laternenmast hängen, von dem eine Kamera ragte. Nein, viele Kameras. An jedem Laternenmast. Großer Gott. Dutzende.

WINDSOCK alias Li Huasheng bewegt sich unter seinem alten Spitznamen Peanut und nimmt Kontakt zu einem alten Mitglied seines Teams auf. Professor Wem Jinghan arbeitet an der Akademie für Raketentechnik und hat dort Zugriff zu Informationen der allerhöchsten Geheimhaltungsstufe. Er übergibt Peanut einen Stick, dieser wandert über Mangan und Charteris zu Patterson und kurz darauf steht man beim SIS Kopf. Er enthält Informationen über eine neue Langstreckenrakete, deren Reichweite Europa und Amerika treffen könnte. Und dies ist noch nicht mal die größte Sensation. Die Sache hat nur einen Haken: Die Staatssicherheit, deren Kameras im öffentlichen Raum allgegenwärtig sind, hat das Leck bereits erkannt.

Wie spioniert man in einem totalitären Staat?

Adam Brookes hat mit seinem Debütroman „Der chinesische Verräter“ einen beeindruckenden Start hingelegt, der für den Daggar Award nominiert war. In der Tradition eines John le Carré, aber mit modernem Anstrich, bietet der Plot einen Spionagethriller, der weniger auf Action und Gewalt setzt, sondern auf intensive Einblicke in die Arbeit der Geheimdienste. Wie werden Spione oder gar Privatpersonen angeworben, wie Nachrichten verschlüsselt, wie eingehende Nachrichten analysiert? Natürlich werden Berichte verschlüsselt und Personen arbeiten mit Decknamen. Li Huasheng ist WINDSOCK, Peanut und GENIUS in einer Person. Wenn die Nachrichten zwischen Peking und London oder verschiedenen Bereichen des SIS ausgetauscht werden, kann schon mal Konzentration gefragt sein.

Sein Vorname war Huasheng. Das bedeutet in etwa Aufstrebendes China. Es war genau die Art Name, die man bei Menschen seines Jahrgangs erwartete. Es rannten jede Menge kleine Ostwinde und Rote Morgenröten herum. Aber wenn man die Worte hua und sheng anders ausspricht, bekommt man das für Erdnuss. Also haben wir ihn Peanut genannt.

Neben der Arbeit der Dienste an sich geht es hauptsächlich um die Frage, ob es Peanut gelingt, an geheimste Informationen zur Raketen- und Informationstechnik zu erhalten, und ob diese letztlich in London ankommen. Aber wie lange bleiben Peanut und Mangan unentdeckt? Denn eines ist gewiss, Li Huasheng war nicht nur fast zwanzig Jahre in einem Straflager, sondern hat in dieser Zeit auch die digitale Revolution verpasst. Handys und Internet sind ihm neu, ebenso die zahlreichen Überwachungskameras an den Laternen, allein in Peking sind es rund eine halbe Million. Wie spioniert man in einem totalen Überwachungsstaat? Und natürlich stellt sich die Frage, wer steht auf welcher Seite, wer betreibt womöglich ein falsches Spiel? Spionage, Gegenspionage, Verrat sind einige der wichtigsten Ingredienzien eines jeden guten Spionagethrillers. Nimmt man eine gute Portion Action und Flucht hinzu, hat man sein Setting parat.

Wen zahlreiche Abkürzungen und Behördenbezeichnungen nicht abschrecken, sondern intensive Einblicke in eine bestens isolierte Welt werfen möchte, findet hier einen Spionagethriller, bei dem man zugreifen sollte. Zudem wird China, insbesondere Peking, gekonnt als Hintergrundkulisse in Szene gesetzt. Als Korrespondent der BBC war Adam Brookes in China tätig und kennt das Land und seine Geschichte sehr gut, was man durchgehend spürt.

  • Autor: Adam Brookes
  • Titel: Der chinesische Verräter
  • Originaltitel: Night Heron. Aus dem Englischen von Andreas Heckmann
  • Verlag: Suhrkamp
  • Umfang: 402 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: September 2019
  • ISBN: 978-3-518-47005-3
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt


Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share